Balve. Zu viele Autos, zu viel Dreck, zu viel Lärm: Verkehr belastet Balves Innenstadt. Dabei verlieren alle. Gibt‘s Auswege?

Fußgängerzonen sind vielerorts Standard. Balves Einkaufsmeile indes ist die Hauptstraße. Amtlich firmiert sie als B 229. Das Autobahn-Desaster in Lüdenscheid hat der Balver Innenstadt noch mehr Verkehr beschert als ohnehin. In der Bürgerschaft gärt es. Was tun?

Offizielle Zahlen sprechen Bände, auch wenn sie aus dem Corona-Jahr 2021 stammen. Volkringhausen ist täglich durch 11.358 Fahrzeuge belastet. Auf der Hönnetalstraße wurden gar 13.569 gezählt. Über die Hauptstraße in Balve wälzen sich 6454 Autos, Kräder und Laster.

Tempo-Display in Balve als vorübergehende Maßnahme zur Geschwindigkeitssenkung: An der Hauptstraße in Höhe der Volksbank wird die Geschwindigkeit des fließenden Verkehrs gemessen. Korrektes Fahren wird per Smiley belohnt. Für zu hohes Tempo gibt‘s einen gesenkten Daumen (Archiv).
Tempo-Display in Balve als vorübergehende Maßnahme zur Geschwindigkeitssenkung: An der Hauptstraße in Höhe der Volksbank wird die Geschwindigkeit des fließenden Verkehrs gemessen. Korrektes Fahren wird per Smiley belohnt. Für zu hohes Tempo gibt‘s einen gesenkten Daumen (Archiv). © WP | Nele Gimbel

Heike Guth-Mindhoff vom Verein Treffpunkt Demenz sieht Probleme vor allem für die ältere Bevölkerung in der Stadt. Sie schlägt vor, die Fußgängerampel in Höhe der Seniorenwohnanlage Allhoff solle in regelmäßigen Abständen auf Rot springen. Das beruhige den innerstädtischen Verkehr.

Ein Schild aufzustellen, scheint schwierig zu sein.“
Reinhold Mainz wundert sich über das Verhalten der zuständigen Behörden.

Für Reinhold Mainz indes soll es Tempo 30 richten – „für die gesamte Ortsdurchfahrt im Bereich der Hauptstraße“. Er hat bereits per Mail Kontakt zu Entscheidern aufgenommen, zu Bürgermeister Hubertus Mühling, zu Landrat Marco Voge und zum . Reinhold Mainz: „Die Balver Hauptstraße ist die Haupt-Einkaufszone für die Balver Bürger; Läden und Banken gibt es auf beiden Seiten, daher wird die Straße häufig von Fußgängern überquert - und dies öfters nicht an vorgesehenen Fußgänger-Überwegen, weil ein solcher etwa in Höhe der Alten Gerichtsstraße fehlt.“ Bisher hat Reinhold Mainz noch keine Reaktion: „Ein Schild aufzustellen, scheint schwierig zu sein.“

Heike Guth-Mindhoff (in Rot) mit Vorstand im Gespräch mit MdL Matthias Eggers. Der Verein Treffpunkt Demenz sieht die Hauptstraße in Balve als gefährlich für ältere Fußgänger an.
Heike Guth-Mindhoff (in Rot) mit Vorstand im Gespräch mit MdL Matthias Eggers. Der Verein Treffpunkt Demenz sieht die Hauptstraße in Balve als gefährlich für ältere Fußgänger an. © Balve | jürgen overkott

Die Auswertung der Verkehrsunfalldaten ergab für den beschriebenen Bereich in den vergangenen Jahren keine Unfallauffälligkeit.“
Alexander Bange vom Märkischen Kreis über die Lage auf der B 229 in Balve

Die Westfalenpost hat bei Alexander Bange nachgefragt. Der Sprecher des Märkischen Kreises macht der Bürgerschaft keine Hoffnung auf dauerhafte Tempo-Begrenzung. Er argumentiert juristisch: „Bezüglich einer dauerhaften Geschwindigkeitsbeschränkung bedarf es einer Gefahrenlage im Sinne des § 45 Abs. 9 StVO. Zur Ermittlung des derzeitigen Ist-Zustandes wurde von der Kreispolizeibehörde eine Verkehrsunfallauswertung der vergangenen drei Jahre erstellt. Die Auswertung der Verkehrsunfalldaten ergab für den beschriebenen Bereich in den vergangenen Jahren keine Unfallauffälligkeit.“ Eine besondere Gefahrenlage sei damit „nicht gegeben“.

Alexander Bange hat lediglich ein sprichwörtliches Trostpflaster. Die Markierung des Abzweigs von der Hauptstraße zur Mellener Straße hat gelitten; auch das hat Reinhold Mainz bemängelt. Da eine Wiederherstellung der Markierung witterungsbedingt noch nicht möglich sei, gelte in diesem Bereich Tempo 30: vorübergehend.

Das sagt Straßen NRW

Andreas Berg ist Sprecher von Straßen NRW in Hagen. Er räumt auf Anfrage der Westfalenpost ein, dass sich Straßenmarkierungen in Kreuzungen schneller als andernorts abnutzen. Sie seien dort einem stärkeren Druck durch Reifen ausgesetzt. Andreas Berg bestätigt zugleich, dass Markierungsarbeiten nicht jederzeit erledigt werden können. Sie seien stark von der Witterung abhängig. So müsse es beispielsweise trocken sein. Aber es gebe derzeit ein besonders hohes Arbeitsaufkommen bei „stetig durchgeführter Personalreduzierung“. Markierungsarbeiten haben Andreas Berg zufolge erst dann Priorität, wenn die Sicherheit von Verkehrsteilnehmern gefährdet ist.

Umgehung durchs Tiefental?

Reinhold Mainz ist mit den Rückmeldungen von Kreis und Straßen NRW nicht zufrieden. Er denkt laut über eine Umgehungsstraße für Balve nach. Deshalb hat Reinhold Mainz Kontakt zum Fernstraßen-Bundesamt in Leipzig aufgenommen. Fachfrau Kristin Seemann retour: „Die Verlegung der Ortsdurchfahrt Balve ist bereits im aktuellen Bundesverkehrswegeplan im sogenannten Vordringlichen Bedarf eingestuft.“ Einzelheiten seien im Bundesverkehrswegeplan 2030 nachzulesen. Tatsächlich ist dort eine Umgehungsstraße gelistet; sie führt durchs Tiefental.

Dagegen hat sich indes in einer Balver Facebook-Gruppe Widerstand formiert. Sie heißt „B 229n Umgehung durchs Tiefental verhindern“. Die Gruppe zählt gut 360 Mitglieder. Und nun?

Gut ausgebaut: die sogenannte Bauernautobahn zwischen Garbeck und Langenholthausen
Gut ausgebaut: die sogenannte Bauernautobahn zwischen Garbeck und Langenholthausen © Richard Elmerhaus | Richard Elmerhaus

Alles fährt durch die Ortschaft, alles fährt über die Hauptstraße.“
Stephanie Kißmer, Stadtmarketing

Stephanie Kißmer vom Stadtmarketing Balve verweist darauf, dass der Fernverkehr gar nicht durch Balve fahren müsse. Es gebe die K 11. Im Volksmund wird sie „Bauernautobahn“ genannt. Die Straße zwischen Langenholthausen und Garbeck sei gut ausgebaut. Neben Unternehmen am Pickhammer sei das Gewerbegebiet Braukessiepen leicht anzufahren. Doch die Verbindung werde kaum genutzt: „Alles fährt durch die Ortschaft, alles fährt über die Hauptstraße.“ Stephanie Kißmer will bei Betrieben dafür werben, ihre Zulieferer über die Umgehungsstraße zu informieren – etwa per QR-Code.

Der MAV prämiert Ausbildung bei Rickmeier in Garbeck (Archiv): Das Unternehmen liegt direkt an der sogenannten Bauernautobahn.
Der MAV prämiert Ausbildung bei Rickmeier in Garbeck (Archiv): Das Unternehmen liegt direkt an der sogenannten Bauernautobahn. © WP | jürgen overkott

Wie auch immer Verkehrsberuhigung an der Hauptstraße aussähe, Anlieger wären dankbar. An Nachtruhe sei längst nicht mehr zu denken. Wer zur Straßenseite hin schlafe, komme sich vor, als stünde das Bett auf dem Bürgersteig.