Balve. Nach dem schweren Unfall vor dem Balver Campus haben die beiden heimischen Notärzte kritische Anmerkungen. Und sie bieten eine Lösung an.

Der schwere Verkehrsunfall am Donnerstagnachmittag vor dem Gesundheitscampus hat nicht nur zu Staus geführt, sondern auch die Frage nach der medizinischen Versorgung aufgeworfen. Bei dem Unfall waren insgesamt vier Personen verletzt worden, wovon eine durch die Feuerwehr aus dem Fahrzeugwrack geborgen werden musste. Die First Responder aus Volkringhausen trafen frühzeitig am Unfallort ein, der Notarzt aus Werdohl benötigte indes 45 Minuten, bis er in Balve eintraf. Die WP nimmt dies zum Anlass, um mit den beiden Balver Notärzten Dr. Paul Stüeken jr. und Dr. Gregor Schmitz hierüber zu sprechen.

Schwerer Unfall auf der B 229 in Balve: Die Polizei sperrt die Sauerlandstraße komplett. Es kommt zu langen Staus.
Schwerer Unfall auf der B 229 in Balve: Die Polizei sperrt die Sauerlandstraße komplett. Es kommt zu langen Staus. © WP | jürgen overkott

Warum war keiner von Ihnen bei diesem schweren Unfall im Einsatz?

Dr. Paul Stüeken: Ganz einfach, wir wurden von der Rettungsleitstelle in Lüdenscheid nicht alarmiert.

Warum wurden sie nicht alarmiert?

Dr. Paul Stüeken: Das wissen wir nicht. Zum Unfallzeitpunkt waren wir dienstbereit und hätten in unserer Praxis drei ausgebildete Notärzte stellen können. Die Praxis Dr. Schmitz mit zwei ausgebildeten Notärzten wäre nach Anforderung durch die Kreisleitstelle ebenfalls einsatzbereit gewesen.

Wie läuft die Alarmierung denn ab?

Dr. Gregor Schmitz: Hierzu müssen wir die Geschichte der Balver Notfallmedizin noch einmal ansehen. Vor 35 Jahren haben Paul Stüeken senior und ich uns Euro-Signalempfänger gekauft und der Leitstelle unsere Bereitschaft mitgeteilt, im Notfall als Notärzte den Rettungswagen zu besetzen. In den folgenden Jahren gab es immer wieder Zeiten, in denen das Krankenhaus sich diesem System angeschlossen hat. Seit der Schließung des Krankenhauses sind nur noch Ärzte aus den beiden Praxen an diesem System beteiligt. Die Ärzte werden bei einem Einsatz immer vom Rettungswagen der Balver Rettungswache mitgenommen. Dieses System funktioniert aber in den letzten Monaten und Jahren nur noch sehr eingeschränkt. Grund hierfür ist die massive Zunahme der Notfalleinsätze, die dazu führen, dass der Balver Rettungswagen immer häufiger nicht vor Ort ist. In diesen Fällen kommen die Fahrzeuge aus den Nachbarstädten wie Werdohl, Menden, Hemer oder Plettenberg zum Einsatz.

Schwerer Unfall auf der B 229 in Balve: Die Polizei sperrt die Sauerlandstraße komplett. Es kommt zu langen Staus.
Schwerer Unfall auf der B 229 in Balve: Die Polizei sperrt die Sauerlandstraße komplett. Es kommt zu langen Staus. © WP | jürgen overkott

Die Aufnahme eines Notarztes in Balve ist damit nicht mehr möglich. Auch wenn der Rettungswagen aus Balve zu einem Einsatz fährt und ein Notarzt nachgefordert werden muss, gibt es keine Möglichkeit für uns, zum Einsatzort zu kommen. Speziell bei Verkehrsunfällen und den damit verbundenen Verkehrsbehinderungen haben wir keine Chance, zum Unfallort zu gelangen, da wir kein Fahrzeug mit Sondersignal zur Verfügung haben.

Ist dieses Problem beim Kreis bekannt?

Dr. Paul Stüeken: Ja. Wir haben in Balve derzeit fünf ausgebildete Notärzte, die bereits den Rettungsdienst unterstützen. Selbst im neuen Rettungsdienstbedarfsplan des Märkischen Kreises sind wir als eine Säule der Notfallversorgung eingeplant. Die Probleme mit der Arzt-Zubringung sind dem Kreis bekannt. Dass es auch andere Möglichkeiten der Zubringg gibt, zeigt die Vergangenheit. Ich selber wurde schon von der Balver Polizei, den First Respondern oder dem Chef der Balver Feuerwehr, Frank Busche, mit seinem eigenen Einsatzfahrzeug abgeholt und zur Einsatzstelle gebracht.

Das Balver Notarzt-System lebt vom Einsatz der Hausärzte Dr. Paul Stüeken sr., Dr. Paul Stüeken jr. und Dr. Gregor Schmitz (von links).
Das Balver Notarzt-System lebt vom Einsatz der Hausärzte Dr. Paul Stüeken sr., Dr. Paul Stüeken jr. und Dr. Gregor Schmitz (von links). © WP | jürgen overkott

Wie könnte ihrer Meinung nach eine Lösung aussehen?

Dr. Paul Stüeken: Wir haben dem Kreis bereits vorgeschlagen, an der Rettungswache ein Arzt-Zubringerfahrzeug zu stationieren. Zumindest in Zeiten, in denen noch ein Mitarbeiter der Rettungswache dort anwesend ist, könnte dieser uns zur Einsatzstelle bringen. Auch wenn wir dann keinen Rettungswagen am Einsatzort haben, könnten wir mit medizinischen Maßnahmen bereits beginnen. Damit würde auch in zahlreichen Fällen die gesetzlich vorgeschriebene Hilfsfrist besser eingehalten. Auch die Dauer der Straßensperrung am Donnerstag und der damit verbundene Stau wären vermutlich deutlich kürzer gewesen.

Sehen Sie Möglichkeiten, dass sich dieser Vorschlag umsetzen lässt?

Schwerer Unfall auf der B 229 in Balve: Die Polizei sperrt die Sauerlandstraße komplett. Es kommt zu langen Staus.
Schwerer Unfall auf der B 229 in Balve: Die Polizei sperrt die Sauerlandstraße komplett. Es kommt zu langen Staus. © WP | jürgen overkott

Dr. Gregor Schmitz: Wir werden jetzt noch einmal das Gespräch mit dem Landrat Marco Voge suchen. Er hat gerade erst den Märkischen Kreis zur „Region der Lebensretter 3.0“ erklärt. Sicher hat auch er als Balver Bürger ein großes Interesse an einer guten notärztlichen Versorgung in der ländlichen Region.

DIE UNFALLBILANZ

Vier Menschen sind bei einem Auffahrunfall auf der Sauerlandstraße vor dem Gesundheitscampus in Balve am Donnerstagmittag teils schwer verletzt worden. Das geht aus einer Bilanz hervor, die Polizei auf Anfrage der Westfalenpost am Freitag zog. Eine Person wurde demnach in dem vorausfahrenden Subaru Legacy verletzt. Das Auto wollte auf den Campus-Parkplatz. Drei weitere Verletzte gab es in dem Renault Clio, der auffuhr. Die Verletzten kamen in Krankenhäuser in Werdohl und Arnsberg. Der Gesamtschaden wird auf 11.000 Euro geschätzt.