Balve. Mehr Kosten, weniger Erlöse, zu viel Bürokratie: Ein Balver Unternehmen bestätigt den Trend einer MAV-Umfrage.

Unternehmen aus der Metall- und Elektroindustrie im Hönnetal schlagen Alarm. Dr. Sarah Schniewindt vom Ortsverein Neuenrade des Märkischen Arbeitgeberverbandes (MAV) sieht großen Handlungsbedarf. Das Beispiel eines Balver Unternehmens, das nicht genannt werden will, unterstreicht die Dringlichkeit des MAV-Anliegens.

Stephanie Kißmer vom Stadtmarketing in Balve ist bestens in der heimischen Wirtschaft vernetzt. Seit 2006 ist sie das Bindeglied zwischen Stadtverwaltung, Wirtschaft sowie Sparkasse und Volksbank. Bei regelmäßigen Unternehmerstammtischen werden Bedürfnisse, Hoffnungen und Erwartungen der Unternehmen öffentlich besprochen. Dazu kommen wenig überraschend ungezählte Kontakte hinter den Kulissen.

Balves Unternehmerstammtisch kam bei Wocklum Chemie zusammen. Stephanie Kißmer vom Stadtmarketing (Mitte) mit Jakob Reichfreiherr von Landsberg-Velen und seiner Frau Marie-Valerie.
Balves Unternehmerstammtisch kam bei Wocklum Chemie zusammen. Stephanie Kißmer vom Stadtmarketing (Mitte) mit Jakob Reichfreiherr von Landsberg-Velen und seiner Frau Marie-Valerie. © WP | jürgen overkott

Bereits im vergangenen Herbst zeichneten die südwestfälischen Industrie- und Handelskammern in ihrer Konjunktur-Umfrage ein düsteres Bild. Fünf Themen wurden jeweils von mehr als der Hälfte der Unternehmen als Risiken genannt: sinkende Inlandsnachfrage, im internationalen Vergleich drastisch höhere Preise für Energie und Rohstoffe, Fachkräftemangel, steigende Arbeitskosten und „überbordende Bürokratie“. Inzwischen sind einige Monate vergangen. Wie wird die Lage zu Beginn des neuen Jahres bewertet?

Der MAV hat bereits Zahlen vorgelegt. „Dieses Jahr ist die Auswertung besonders prägnant“, kommentiert Dr. Sarah Schniewindt die Daten. Fast die Hälfte der befragten 100 Betriebe mit insgesamt 13.000 Beschäftigten hält demnach die aktuelle Lage für schlecht. Die inländische Auftragslage wird ähnlich düster bewertet. Mehr noch: „Die Kosten sind gestiegen, und die Gewinne sind rückläufig“, wertet Dr. Sarah Schniewindt die Umfrage aus. Mehr als die Hälfte der teilnehmenden Unternehmen befürchte, dass es binnen sechs Monaten keine Besserung gebe. Aber: „Noch hat sich die Beschäftigung stabil gehalten.“ Ob es so bleibt, steht für Dr. Sarah Schniewindt dahin. Von Kurzarbeit sei inzwischen die Rede. Knapp ein Viertel der Firmen denke bereits über Entlassungen nach. Eine Alternative sei, Stellen nach Verrentung von Beschäftigten nicht nachzubesetzen.

Die Schere zwischen steigenden Kosten und sinkenden Erlösen hat nach Einschätzung von Dr. Sarah Schniewindt womöglich auch Folgen über verringerte Investitionen hinaus: „Für Unternehmen mit wenig Kapital kann es zudem schnell zu einem Cash-Problem kommen. Dementsprechend wird die Zahl der Insolvenzen in 2024 steigen.“ Wie sieht es in Balve aus?

Das von Stephanie Kißmer angeführte Unternehmen bestätigt die Umfrage-Ergebnisse im Kern. Es beschreibt seine Auftragslage als „noch relativ stabil“. Die Zukunftserwartungen sind deutlich pessimistischer: Das Unternehmen befürchtet einen „Rückgang bei den Auftragseingängen“.

Dazu kommt: „In Anbetracht gestiegener Energiekosten, zu erwartender Lohnerhöhungen sowie immer neuer Auflagen erwarten wir eine spürbare Verschlechterung unserer Wettbewerbssituation“, heißt es. Damit bezieht sich das Unternehmen nicht nur auf die Kostenseite. Vielmehr beklagt es ein aus seiner Sicht wachsendes Problem behördlicher Regulierung.

Höhere Kosten stehen einer niedrigeren Umsatzerwartung gegenüber. Was bleibt unterm Strich?

„Wir erhoffen uns auch von diesem Jahr einen positiven Jahresabschluss, aber die Gewinnmarge wird sicherlich nur gering ausfallen“, heißt es.

Als wichtiger Faktor zur Beurteilung der Wirtschaftslage gilt die Investitionsbereitschaft. Auch dazu bezieht das Balver Unternehmen Stellung: „Die meisten Investitionen, die in diesem Jahr realisiert werden, wurden bereits im vergangenen Jahr entschieden und beauftragt.“ Deshalb bezieht sich die Aussage bereits auf das Jahr 2025. Das Unternehmen werde „vermutlich wieder weniger investieren“. Dabei geht es auch in Detail: „An unseren deutschen Standorten handelt es sich hierbei vorrangig um Ersatz- oder Modernisierungsinvestitionen. Maßgebliche Erweiterungsinvestitionen werden hingegen im Ausland getätigt.“

Die Situation ist ernst zu nehmen. Dr. Sarah Schniewindt fordert daher: „Von der Politik erwarten wir endlich Verlässlichkeit, entschlossenes Handeln sowie deutliche Impulse für Wachstum, Investitionen und Innovationen.“