Balve. Bei der großen Feier in der evangelischen Kirche werden Parallelen zwischen Vergangenheit und Gegenwart deutlich.
Ein besonderes Datum für ein besonderes Jubiläum: Am Sonntag hat die evangelische Kirchengemeinde in Balve groß gefeiert. Denn am 17. Dezember 1933, also genau vor 90 Jahren, wurde die Kirche an der Hönnetalstraße eingeweiht - damals wie heute war es der dritte Advent.
Kirchfenster mit Tiefgang
Und das Jubiläum wurde gebührend gefeiert. Um 10 Uhr ging‘s los mit einem Festgottesdienst unter der Leitung von Gemeindepädagoge Sven Körber. Darin wurden vorallem die Erinnerungen, die die Gemeindemitglieder in Zusammenhang mit dem Gotteshaus verbinden, in den Mittelpunkt gerückt. Der Gemeindepädagoge stellte besonders heraus, dass die lichtdurchfluteten Fenster der Kirche das Johannesevangelium beinhalten, das mit den Worten „am Anfang war das Wort“ beginnt.
Doch die Besucher konnten nicht nur in eigenen Erinnerungen schwelgen, sondern hatten zumindest noch die Gelegenheit, etwas aus der Historie des Gebäudes zu erfahren. Interessiert zeigten sich nicht nur Vereinsvertreter, Mitglieder der Feuerwehr sowie der katholischen Kirchengemeinde, der Stadt Balve. Denn mit Dr. Jürgen Kampmann, Professor für Kirchengeschichte, war ein waschechter Experte zu Gast. Die historische Rückschau wurde unterstützt durch die beiden Archivare Herbert Matzke und Oliver Prior. Bereits im Flur der ersten Etage, vor dem großen Saal, war eine kleine Ausstelllung mit Exponaten aufgebaut wie alten Schriftstücken, die auf die Einweihungsfeier 1933 hinwiesen, Grundrisse und Planungszeichnungen, Fotos, Handwerkerrechnungen sowie die „Urkunde zur Erinnerung an die Grundsteinlegung des evgl. Kapellenbaues“.
Kirchenhistoriker blickt zurück
Der Vortrag Kampmanns bezog sich auf den Zeitraum von 1932 bis 1934. Der Kirchenhistoriker stellte dafür zunächst einen großen Rahmen dar, bevor er zum konkreten Anlass und der Vorgeschichte überging. Professor Dr. Jürgen Kampmann stammt selbst aus Westfalen und berichtete, dass eine Tante zum Arbeitsdienst in Iserlohn stationiert war und er von Flugblättern mit der Aufschrift „Balve im Loch wir finden dich doch“ erfahren hatte - da in der Balver Höhle Munition hergestellt bzw. Flugzeugteile von Zwangsarbeitern produziert wurden.
Zum geschichtlichen Rahmen gehört dabei allerdings auch, dass die Weimarer Republik als „Staat ohne Gott“ bezeichnet wurde, weil die Trennung von Staat und Kirche besonders hervorgehoben betont wurde. Nach der Weltwirtschaftskrise 1929 und einer depressiven Grundstimmung löste die Machtübernahme der NSDAP im ersten Halbjahr 1933 einen gesamtgesellschaftlichen Stimmungswandel aus. Die Mehrheit der Christen war von Hitler und der neuen Bewegung angetan, da diese als sehr konservativ daherkam und sich von Kommunisten und Sozialdemokraten klar abgrenzte. Zudem: Laut Kampmann sei die NSDAP zu Beginn sehr kirchenfreundlich aufgetreten und den christlichen Kirchen gegenüber aufgeschlossen begegnet. Es wurde von der „Freiheit aller religiösen Bekenntnisse im Staat“ gesprochen.
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Eine Verbindung, die heutzutage in anderem Licht steht. Kampmann stellte in einem Zwiegespräch mit Zuhörern jedoch heraus, dass es zu einfach wäre, „die bekennende Kirche und die deutschnationalen Christen“ in schwarz und weiß einzuteilen. Aus der Urkunde zur Grundsteinlegung der evangelischen Kirche in Balve vom 31. Mai 1933 lasse sich derweil eine Distanz zur neuen nationalen Bewegung herauslesen, indem sie mit „soli deo gloria“ - „alleine Gott die Ehre“ schließt. Des Weiteren wurde für das Dokument nicht das Kreuz der Glaubensbewegung Deutsche Christen verwandt.
Balver Wetterparallelen
Karl Gobrecht, Pfarrer in Deilinghofen (mit Balve) von 1930 bis 1947, hatte sich durch diverse Formulierungen vom Nationalsozialismus distanziert, wie zum Beispiel „wir sind eine Kirche des Kreuzes“ oder er hat die Abkürzung „PG“ definiert als „gesandter Prediger Gottes“ zu sein, anstatt als Hinweis, dass man Mitglied in der NSDAP sei. Außerdem hatte er eine immer stärkere Gleichschaltung in der Kirche kritisch beobachtet und kommentiert.
Im Festgottesdienst am Sonntagvormittag wurde dafür ein Traktat mit der Gegenüberstellung der Losungen von damals und heute ausgeteilt. Die Losungen am 17. Dezember 1933 lauteten: „Gott spricht: Und ich will sagen: ,Du bist mein Volk.‘“ Und es wird sagen: ,Du bist mein Gott.‘“ (Hosea 2,25) und die Losung aus dem Neuen Testament lautete damals: „Das war das wahre Licht, das alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen.“ (Johannes 1,9).
Dass die Einweihung der evangelischen Kirche in Balve genau vor 90 Jahren an einem 17. Dezember, ebenfalls an einem dritten Adventssonntag, stattgefunden hat, ist nicht die einzige Besonderheit. Professor Dr. Jürgen Kampmann stellte in seinem Vortrag heraus, dass laut historischer Überlieferung am 17. Dezember 1933 ein kaltes vom Sonnenlicht durchleuchtetes Winterwetter vorherrschte - eine Balver Wetterparallele, die passte.