Balve/Menden/Hemer. Die Kalk-Produktion im Hönnetal ist umstritten. Das Unternehmen wirbt mit Projekten für mehr Nachhaltigkeit.
Kalk-Hersteller Lhoist hat einen schweren Stand. Die geplante Erweiterung des Steinbruchs, ganz gleich ob in die Breite oder in die Tiefe, ist umstritten. Zudem lastet auf der Branche die Frage: Wie kann Kalkproduktion grüner werden?
Das Unternehmen weiß, dass es angesichts eines verbreitet skeptischen Blicks auf die Kalk-Branche um Zustimmung werben muss. Da kam Lhoist eine Anfrage des Landesverbandes der Klima-Union innerhalb der CDU gerade recht. Vorständler David Bathe, CDU-Ratsherr in Balve, hatte ein Gespräch über Nachhaltigkeit angeregt. Der Westfalenpost sagte er, ihm sei bewusst, dass die Kalk-Industrie beim Brennen des Gesteins „einen sehr hohen CO2-Ausstoß“ produziere. Vor Ort, in Oberrödinghausen, ließ sich die Klima-Union informieren.
Werksleiter Stefan Flügge sagte, es gehe um eine Verringerung von Kohlenstoffdioxid bei der Herstellung von Kalk und um Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen. Dazu sei die Umstellung der Produktion erforderlich.
Lhoist hat ein Projekt gestartet: das „ehrgeizige Projekt Everest“. Im Stammwerk Flandersbach bei Wülfrath arbeitet das Unternehmen nach eigenen Angaben daran, führender Hersteller „von nahezu CO2-freiem Kalk zu werden“. Auch der Standort Hönnetal biete „sehr gute Voraussetzungen für einen klimafreundlichen Umbau“, hieß es. In Oberrödinghausen steht das zweitgrößte Kalkwerk Deutschlands. Wie soll die Kalk-Gewinnung im Hönnetal klimafreundlicher werden?
„Beispielsweise ist etwa eine schwimmende Photovoltaikanlage auf dem Sedimentationsbecken im Steinbruch – vielfach bekannt als ,Blaue Lagune‘ – denkbar. So könnten schätzungsweise 1.500 Tonnen CO2 pro Jahr eingespart werden“, hieß es. Das Unternehmen verwies zudem auf eine Solaranlage auf dem Dach der Werksverwaltung. Demnach ist sie bereits seit Sommer im Betrieb. „Bilanziell werden bereits alle Werke von Lhoist in Deutschland seit Anfang 2021 mit 100-prozentigem Grünstrom versorgt“, hieß es.
Zugleich betonte Flügge: „Kalk ist und bleibt ein unverzichtbarer Rohstoff.“ Er geht auch künftig von einem „hohen Bedarf an Kalk“ aus. Deshalb sei „die Bedeutung einer langjährig verfügbaren Lagerstätte“ hoch: „Nur so“ könnten die Investitionen in den Klimaschutz überhaupt erst umgesetzt werden. Sie müssen zudem „wirtschaftlich tragbar“ sein, wie es hieß.
Diese Position teilt CDU-Landtagsabgeordneter Matthias Eggers aus Menden: „Unsere heimische Wirtschaft braucht Rohstoffe und insbesondere auch Kalk.“ Und: „Angesichts der weltpolitischen und globalen Situation können wir es uns nicht leisten, auf heimische Rohstoffgewinnung komplett zu verzichten.“ Ausschließlicher Rohstoff-Import bedeute einen Verlust an Wertschöpfung und Arbeitsplätzen. Zudem trage er „im Zweifel dazu bei, dass die Umwelt und die Natur woanders in der Welt möglicherweise noch stärker belastet werden.“ Eggers verweis auf laxere Umweltstandards als in Deutschland.
Der Konzern seinerseits pocht auf Planungssicherheit. Das laufende Genehmigungsverfahren zur Vertiefung des Steinbruchs im Hönnetal sei dafür „von großer Bedeutung“, sagte Dr. Martin Volmer. Er ist für Lhoist für CO2-Transformation verantwortlich.
Bathe anerkannte die Bemühungen der Chef-Etage von Lhoist um mehr Nachhaltigkeit: „Sie haben eine Nachhaltigkeitsstrategie, und sie haben auch eine Nominierung für den Nachhaltigkeitspreis bekommen. Sie sind damit meines Erachtens sehr weit.“ Das Ziel indes sei bisher noch nicht erreicht: „Das ist mit vielen Investitionen verbunden.“
Hinter dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis steht die Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis. Der Stiftungsverein wahrt nach eigenen Angaben „Unabhängigkeit und Reputation des Preises, sorgt für die Finanzierung und richtet das Projekt an höchsten Maßstäben aus“.
Bathe bescheinigte Lhoist immerhin, „auf einem guten Weg“ zu sein.
Eggers legt dabei Wert auf einen bestmöglichen Interessenausgleich zwischen Wirtschaft, Anwohnerschaft und Klimaschutz. Jenseits der Produktion ist in der Region vor allem die geplante Erweiterung des Steinbruchs bei Eisborn umstritten – ganz ob gleich ob in die Breite oder in die Tiefe. Eggers setzt Hoffnungen in Gespräche der Beteiligten: „Ich bin davon überzeugt, dass in diesem Verfahren die relevanten Belange des Naturschutzes, der Wasserwirtschaft und des Anwohnerschutzes äußerst sorgfältig geprüft und berücksichtigt werden.“ Bei meinen Gesprächen mit den Verantwortlichen von Lhoist habe er genau diesen Eindruck gewonnen. Der Konflikt sei zwar „nicht einfach zu lösen“. Die rechtsstaatlichen Genehmigungsverfahren in Deutschland seien jedoch im internationalen Vergleich „extrem streng“.
Der Petition „Kalkabbau stoppen!“ der Stiftung Hönnetal erteilte Eggers eine Absage. Ein Ziel hat sie bereits erreicht. Die Petition ist bis Montag von mehr als 1000 Menschen unterschrieben worden. 1000 Unterschriften waren die Zielmarke. Die Petition richtet sich an NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU). Eggers wies daraufhin, die Landesregierung sei beim Verfahren zur Vertiefung des Steinbruchs kein Verfahrensbeteiligter.
Eggers SPD-Landtagskollegin Inge Blaskaus Hemer hielt gegen. Ihre Linie bleibe unverändert: „Ich sehe nicht, dass wir in der Region eine Erweiterung brauchen. Ich bin für einen Erhalt der Natur und den Schutz der Anwohnerinnen und Anwohner.“