Balve/Menden. Streit um Balver Baugebiet Hönnewiesen. Anwohnerin Cäcilia Siedhoff sagt wie Menden: Nach der Flut ist vor der Flut.

Die Stadt Menden ist nun doch vor Gericht gezogen. Balves nördliche Nachbarstadt will vom Oberverwaltungsgericht NRW in Hamm via fristgerecht eingereichtem Normenkontrollantrag die Unwirksamkeit des „Bebauungsplanes Nr. 51 ,Hönnewiesen“ feststellen lassen. Menden argumentiert mit mangelndem Hochwasserschutz, aber auch formaljuristisch. Das Vorgehen weckt Hoffnungen bei Hönne-Anrainern zwischen Netto-Markt und Wocklum – wie Cäcilia Siedhoff und ihrem Partner.

Ein Anwohner der Hönnewiesen hat die Überflutung am 14. Juli 2021 dokumentiert.
Ein Anwohner der Hönnewiesen hat die Überflutung am 14. Juli 2021 dokumentiert. © WP | WP

Nach dem 14. Juli 2021 war in Balve vieles nicht mehr so, wie es vorher einmal war. Der Tag bescherte dem Hönnetal, ähnlich Lenne und Ahr, ein Jahrhundert-Hochwasser mit Millionenschäden. Cäcilia Siedhoff sieht die Bilder jenes Tages vor sich, als laufe ein Film ab. Am Tag, als der Regen kam, hat sie immer wieder mit bangem Blick nach draußen gesehen: „oben vom Balkon aus“. Immer wieder hat sie Fotos gemacht. Zwischendurch ist sie bei ihrem Lebenspartner in Wocklum gewesen. Er hat weitaus früher als sie Probleme mit Hochwasser gehabt, in Garage und Keller: „Ich habe ihm meine Pumpen gebracht“, erinnert sich Cäcilia Siedhoff.

Hönne-Hochwasser in Cäcilia Siedhoffs Garten an der Hönnetalstraße im Juli 2021
Hönne-Hochwasser in Cäcilia Siedhoffs Garten an der Hönnetalstraße im Juli 2021 © WP | Joshua Kipper

Sie ist per Fahrrad unterwegs gewesen. Bereits bei der zweiten Tour hat der Radweg unter Wasser gestanden. Wasser, überall Wasser. Die Hönne-Wiesen zwischen Höhle und Fitnessstudio „Hönnevital“: Land unter. „Strohballen klemmten unter den Brücken“: Dieses Bild sieht Cäcilia Siedhoff vor sich, als hätte es die Flut erst gestern gegeben. Auf dem Rückweg pflügen die Fahrradreifen durch Wassermassen auf dem Parkplatz des Netto-Marktes. Am Ende hat Cäcilia Siedhoff, wie so viele andere Menschen im Stadtgebiet, mit einem vollgelaufenen Keller zu kämpfen. Die zu kleine Hönne-Brücke am Netto-Markt habe das Problem verschärft, sagt sie. „Alles war überflutet. Ich habe einen kleinen niedrigen Wagen – bis zum Auspuff war alles unter Wasser.“

Der Tag danach. Am 22. Juli 2021 zeigt Bürgermeister Hubertus Mühling im Rathaus eine Hochwasserrisikokarte. Sie ist im Netz abrufbar: www.flussgebiete.nrw.de. Er verweist darauf, dass sich das Hochwasser vom Vortrag im Rahmen der Prognose für ein sogenanntes Jahrhunderthochwasser bewegt habe. Das amtliche Kürzel lautet HQ 100. Der Verwaltungschef betont, damals wie später, das Hochwasser habe den Bereich des Baugebietes Hönnewiesen erreicht, nicht jedoch überflutet. Deshalb treiben Verwaltung und Politik die Planungen für das Baugebiet Hönnewiesen voran. Inzwischen ist es beschlossen. Projektentwickler Thomas Budde hat inzwischen die Erschließung des Baugebietes gestartet.

Cäcilia Siedhoffs Plakat gegen das Baugebiet Hönnewiesen: verdeckt. Der Projektentwickler mochte es nicht mehr sehen. Inzwischen hängt das Plakat am Balkon.
Cäcilia Siedhoffs Plakat gegen das Baugebiet Hönnewiesen: verdeckt. Der Projektentwickler mochte es nicht mehr sehen. Inzwischen hängt das Plakat am Balkon. © WP | jürgen overkott

Cäcilia Siedhoff kann den Optimismus von Verwaltung, Politik und Projektentwickler, das Baugebiet Hönnewiesen bleibe auch künftig von extremem Hochwasser verschont, nicht nachvollziehen. „Ich habe drei Wochen nach der Flut eine Foto-Dokumentation gemacht“, sagt sie, „bis zu Levermann.“ Dazu kamen weitere Fotos „von allen Anliegern der Hönnetalstraße“. Cäcilia Siedhoff und Schwiegertochter Victoria notieren zudem Hochwasser-Schäden: „Wir haben das Herrn Mühling gebracht.“ Die beiden sichern sich obendrein Rückhalt in der Bevölkerung: „Wir haben fast 400 Unterschriften gesammelt, in ganz kurzer Zeit.“

Ihre Unterlagen übergibt Cäcilia Siedhoff nicht nur an Balves Stadtoberhaupt – sie schickt sie auch an Mendens Verwaltung. Zuvor sind Befürchtungen aus dem Rathaus der nördlichen Nachbarstadt bekannt geworden, Menden fürchte bei künftigen Fluten „die ganz große Katastrophe“. Was bisher von den Hönnewiesen aufgefangen worden sei, würde womöglich Mendens Innenstadt ungebremst unter Wasser setzen. Cäcilia Siedhoff ihrerseits argwöhnt, Starkregen der Zukunft könnte Wocklum „von der Außenwelt abschneiden“.

Cäcilia Siedhoff mag nicht darüber spekulieren, wie das Oberverwaltungsgericht NRW über den Fall Hönnewiesen urteilt. Gleichwohl setzt sie Hoffnung auf ein Urteil, das die bisherige Bauplanung kippt. Auch wenn sie sich übers Vorgehen der Stadt Menden freut, bleibt für sie ein bitterer Beigeschmack: „Die haben erst reagiert, als sie das Hochwasser in Lendringsen hatten.“ Fakt ist: Lendringsen wird zuletzt Mitte August geflutet. Menden hat das Gericht im September bemüht.