Balve. Bertelsmann-Stiftung hatte Akteure des Gesundheitswesens aus ganz Deutschland eingeladen. Darum überzeugt der Campus.
Vorbild Gesundheitscampus: Die Bertelsmann-Stiftung hatte Akteure aus Gesundheitspolitik und -versorgung aus ganz Deutschland nach Balve eingeladen. Ziel war es, die Umgestaltung des alten Krankenhauses nachzuvollziehen und davon für ähnliche Entwicklungen andernorts zu lernen. Auch im Umgang mit Unmut und Sorgen der Bürger. Und der Campus machte Eindruck. Ein Teilnehmer fasste in der Diskussion zusammen: „Herzlichen Glückwunsch zu dieser Entwicklung!“.
Praktiker sagen, was geht
Dr. Johannes Leinert von der Bertelsmann-Stiftungwar zum ersten Mal in Balve und im Gesundheitscampus, als die Einrichtung im Sommer ihr zehnjähriges Bestehen feierte. Die Stiftung hat eine Veranstaltungsreihe aufgelegt, in der sich Akteure der Gesundheitspolitik und -versorgung mit Fallbeispielen von Transformationen beschäftigen: Ein Krankenhaus wird geschlossen, aber an seine Stelle tritt etwas neues. Ziel ist es dabei, mit den handelnden Personen vor Ort in Kontakt zu kommen, die Einrichtung mit ihrer Geschichte, ihrem Konzept kennenzulernen, netzwerken, voneinander lernen. Arbeitstitel: „Frag die Praktiker“.
Ähnliche Treffen sind für die beiden kommenden Jahre in südlichen Regionen Deutschlands geplant, erzählt Leinert, zum Beispiel mit dem Fokus auf Fusion mehrerer kleiner Landkrankenhäuser. Der Gesundheitscampus Sauerland nun bildete den Auftakt dieser Reihe am Donnerstag und Freitag.
Rückblick: Balves Krankenhaus wurde geschlossen, stattdessen zog der Gesundheitscampus ein, mit Ärzten, Pflegediensten, Vereinen, Wohngruppen, Therapiepraxen und mehr. Das alles getragen durch bürgerschaftliches Engagement. Eine Transformation mit Modellcharakter. „Balve hat uns überzeugt“, sagt Dr. Johannes Leinert.
Gäste aus ganz Deutschland
Ungefähr 30 Teilnehmer aus ganz Deutschland reisten an, Bürgermeister und Landräte, Verantwortliche von Kliniken und der Kassenärztlichen Vereinigung, Berater aus der Gesundheitsbranche und so weiter. Die erste Zusammenkunft gab es am Donnerstagabend in der Antoniushütte Eisborn. Hier gab Christian Münch von der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer zunächst einen Einblick in die Region, in wirtschaftliche und auch gesellschaftliche Voraussetzungen und Besonderheiten. Er berichtete auch von besonders großer Verbundenheit der Menschen mit ihrer Heimat. Etwas, was den Weg zum Gesundheitscampus überhaupt erst ermöglicht habe.
Auf dem Programm stand etwa ein Rundgang durch das Gebäude, allen voran Campus-Geschäftsführer. Dass kleinere Kliniken, gerade im ländlichen Raum, geschlossen werden, sei bedauerlich, aber oft unvermeidbar, so der Tenor. Und dabei sogar durchaus im Sinne der Patienten, wenn sich deren Gesundheitsversorgung dadurch noch verbessere, mit Einrichtungen wie dem Campus etwa. Jakschies sprach sich einerseits für die großen Krankenhäuser in zentraler Lage, mit entsprechender Ausstattung und viel Erfahrung aus. „Aber wir brauchen auch die wohnortnahe Versorgung der Bürger.“ Aber das müsse kein Krankenhaus sein, und dazu sei auch nicht immer ein Arzt notwendig.
Jakschies und Bernd Krämer, Geschäftsführer Finanzen des Campus, legten den aufmerksamen Zuhörern dar, dass sich nach Ende des Krankenhauses die Zahl der stationierten Rettungswagen von eins auf zwei verdoppelt habe. Das erhöhe die Akzeptanz in der Bevölkerung.
Gäste aus Ostfriesland, aus Baden oder der Region Hannover berichteten, wie sie im Ort Krankenhausschließungen oder -zusammenlegungen gestalten. In der Umgestaltung etwa zu medizinischen Versorgungszentren gab es natürlich viele sehr fachspezifische Fragen an Ingo Jakschies, zur Finanzierung, Mietverhältnissen, technischen Vernetzung, Gewinnung von Fachärzten.
Reden hilft
Eine Frage war es aber vor allem immer wieder, wie man mit der Bevölkerung umgehen soll, die im ersten Moment geschockt und wütend ist wenn das Krankenhaus zumachen soll. In Balve war es vor etwas mehr als zehn Jahren ja nicht anders. „Ich würde jedem raten, offensiv und transparent damit umzugehen“, antwortete Jakschies. Die Bevölkerung müsse überzeugt werden, dass die Veränderung Verbesserung bedeute. „Das ist der neue Weg, den wir gehen müssen.“ Statt Emotionen „Fakten aufzeigen“. Auch Dr. Johannes Leinert erklärte im Gespräch, die Menschen seien durchaus bereit, den Weg einer neuen medizinischen Versorgungsform mitzugehen wenn man sie überzeuge. „Dazu braucht es auch starke Persönlichkeiten vor Ort, die anpacken und einfach machen.“ Er meinte damit wohl auch die Akteure des Balver Gesundheitscampus.
Neben Ingo Jakschies als Verantwortlicher des strategischen Gesamtkonzeptes und Bernd Krämer aus Finanzgeschäftsführer war das Balves Stadtoberhaupt Hubertus Mühling, der darstellen konnte, wie die Gestaltung des Gesundheitscampus mit Bürgerbeteiligung voran ging und wie das in der Stadt kommuniziert wurde. Und schließlich war Dr. Paul Stüeken jun. einer der Ansprechpartner, Hausarzt und Mitgesellschafter des Campus. Seine Verbundenheit sei auch familiär bedingt, erzählte er der WP. Aber auch die Teamleistung, die interprofessionelle Zusammenarbeit beim Campus habe ihn von Anfang an gereizt. „Wir mussten was machen für Balves, das durfte nicht wegbrechen“, blickt er zurück. Das habe ihn dann veranlasst, sich nicht nur mit Know how, sondern auch mit Kapital zu beteiligen. Auf Frage des Moderators hatte Ingo Jakschies auch dargelegt, wo er den Campus nach weiteren zehn Jahren sehe: Gewinn weiterer Fachärzte sei die Aufgabe, möglicherweise Angebote und Gebäude erweitern, allein schon Erhalt und Stabilisierung des Bestehenden seien eine herausfordernde Aufgabe, um eine niedrigschwellige Gesundheitsversorgung auszubauen. Auch, so fügte Jakschies augenzwinkernd an, wenn er das in zehn Jahren dann schon interessierte aus seinem Ruhestand heraus beobachte.