Wocklum. Wo sind Fachkräfte von morgen? Beim Balver Unternehmerstammtisch diskutierten Fachleute vor großer Runde. Wie Auswege aus der Krise herausführen.

Auf der einen Seite Arbeitskräftemangel, auf der anderen Krise mit drohenden Entlassungen oder Kurzarbeit: Wie können sich heimische Betriebe diesen Spagat hinkriegen und sich zugleich für die Zukunft aufstellen?

+++ DIESE BALVER UNTERNEHMERIN FÜHRT 4-TAGE-WOCHE EIN +++

Beim Unternehmerstammtisch gab es handfeste Eindrücke aus Balve, die Sorgen machen, ebenso wie Lösungsmöglichkeiten. Zwei gefährliche Entwicklungen nehmen die heimische Wirtschaft, Handwerk und Industrie aktuell in die Zange. Beim Balver Unternehmerstammtisch wurde das mit Eindrücken und Zahlen belegt.

Die SIHK

Christian Münch von der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer: „Wir reden nicht mehr nur von der Fachkräftelücke, sondern generell von einer Arbeitskräftelücke.“ Und durch den demografischen Wandel, vor allem den Renteneintritt der Babyboomer-Generation verschärfe sich das in den kommenden Jahren noch dramatisch.

Kreishandwerkerschaft

Jens Rodermund von der Kreishandwerkerschaft hat das für seine Branche in Südwestfalen auf im Durchschnitt 1,3 unbesetzte Stellen pro Betrieb heruntergerechnet.

MAV und Arbeitsagentur

Özgür Gökce vom Märkischen Arbeitgeberverband ebenso wie Sabine Bergmann, die den Arbeitgeberservice von Agentur für Arbeit und Jobcenter leitet, berichteten von der anderen Seite, von einer Wirtschaftskrise die immer noch aus Corona-Nachwirkungen, vor allem aber durch Inflation, Energiekrise und südwestfalenspezifisch die A-45-Sperrung gespeist werde. Dadurch seien manche Betriebe schon zu Überlegungen in Richtung Personalabbau oder Kurzarbeit gezwungen, betonten die beiden. Beide Entwicklungen könnten eine gefährliche Spirale in Gang setzen.

Gruppenbild der Beteiligten
Gruppenbild der Beteiligten © WP | Alexander Lück

Wären Mitarbeiter erstmal weg, bekomme man sie später kaum zurück, erklärte Christian Münch. Er bezeichnete Erfahrungen von Gastronomie und Hotellerie nach der Pandemie als beispielhaft. Auch deshalb appellierte Özgür Gökce: „Versuchen Sie so lange wie möglich, die Mitarbeiter zu halten.“

+++ ZUSAMMENARBEIT MIT BALVER SCHULEN HILFT WIRTSCHAFT - EIN BEISPIEL +++

Der Unternehmerstammtisch, organisiert durch Stephanie Kißmer vom Balver Stadtmarkting, war erneut bei Chemie Wocklum zu Gast. Deren Geschäftsführer Martin Gruschka freute sich über die große Resonanz, die auch die Dringlichkeit der Themen unterstreicht. Restlos voll war der Besprechungsraum der Firma mit 25 Teilnehmern.

Heimische Wirtschaft

Kurzvortrag durch Jens Rodermund von der Kreishandwerkerschaft MK
Kurzvortrag durch Jens Rodermund von der Kreishandwerkerschaft MK © WP | Alexander Lück

Und die Unternehmerschaft aus dem Hönnetal? Matthias Camminady, in der Heizungs- und Klimatechnik tätig, brachte auf den Punkt: „Für uns ist der Fachkräftemangel existenzbedrohend.“ Deshalb wollte er auch konkret wissen, wie Arbeitsagentur & Co. bei der Vermittlung von Arbeitskräften aus dem Ausland, mit denen er schon viele gute Erfahrungen gemacht habe, helfen können. Er wie auch Mathias Jedowski bemängelten große bürokratische Hürden bei diesen Bemühungen: Betrieb und potenzieller Mitarbeiter seien gewillt zur Zusammenarbeit, im Weg ständen eine mögliche Anerkennung von Berufsabschlüssen aus dem Ausland oder ein nachzuweisender Mindestverdienst. Jedowski bemängelte ebenso eine zu geringe Verfügbarkeit von Sprachkursen, die dann meist unter der Wochen seien, wenn die neuen Mitarbeiter Geld verdienen wollen. Deshalb sei man in der Metzgerei nun dazu übergangen, eigene Sprachkurse am Wochenende anzubieten. Das lobte Christian Münch als beispielhaft: „Engagierte Unternehmen werden selber aktiv.“ Solches Denken habe auch andernorts zu positiven Ergebnissen geführt. Aber Münch versicherte, die schlechten Erfahrungen der Betriebe mit Bürokratie melde seine Kammer durchaus regelmäßig und eindringlich an die Politik zurück. Was kann man sonst tun für Nachwuchs?

Ausbildungsförderung ist ihnen wichtig: MAV-Geschäftsführer Özgür Gökce übergibt Rektorin Nina Fröhling einen Scheck über 250 Euro. Eine Szene aus der Corona-Zeit
Ausbildungsförderung ist ihnen wichtig: MAV-Geschäftsführer Özgür Gökce übergibt Rektorin Nina Fröhling einen Scheck über 250 Euro. Eine Szene aus der Corona-Zeit © WP | Fabian Paffendorf

Jörg Schuhmacher und Sabine Bergmann stellten die Möglichkeiten von Agentur für Arbeit und Jobcenter vor, sowohl potenziellen Nachwuchs zu beraten und zu qualifizieren, aber auch Firmen zu unterstützen. Auch finanziell, wenn es um die Förderung spezieller Ausbildungs- oder Umschulungswege geht, selbst bei Anwärtern mit Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt. Bergmann: „Es klingt komplex, und das ist es auch.“ Aber im Sinne einer zukunftsfähigen Aufstellung lohne es sich für die Betriebe, hier mitzumachen.

Jörg Schumacher empfahl ein Umdenken darin, wie man junge Leute anspreche. Das sei anders nötig als noch vor wenigen Jahren. Jugendliche würden etwa kaum noch lange Texte lesen, dafür seien sie in den sozialen Medien zuhause. Deshalb: praktische Anschauung, Präsenz an den Schulen. „Stellen Sie denen Ihre Berufsfelder vor!“ Christian Münch ergänzte, es gebe mittlerweile etwa Ausbildungskampagnen auf TikTok.

Bevor sich ein gemütlicher und informeller Austausch anschloss, wollte Özgür Gökce den offiziellen Teil mit einer positiven Botschaft beenden: „Wir können das gemeinsam meistern. Es gibt da draußen sehr viele tolle junge Leute und positive Beispiele.“