Balve/Arnsberg. Beim dritten Prozesstag gegen den 41-jährigen drogenkranken Balver, der sich wegen schwerer Brandstiftung verantworten muss, spricht die Mutter.

Mit dem vierten und voraussichtlich letzten Prozesstag geht das Straf- und Sicherungsverfahren gegen einen 41-jährigen drogenkranken Mann aus Balve am Mittwoch vor der 4. Großen Strafkammer des Landgerichts in Arnsberg weiter. Staatsanwalt Ümit Görgün wirft dem Beschuldigten als Straftaten unter anderem mehrere schwere Brandstiftungen mit einer Schadenssumme von knapp 40.000 Euro sowie den Besitz einer „nicht geringen Menge“ an Marihuana vor. Letzteres hatte der Mann nach seiner Aussage für den Eigenbedarf aus selbst angebauten Cannabispflanzen hergestellt. +++ Lesen Sie auch: Brand-Serie in Balve: So lief Prozess-Auftakt +++

Mehrere Tage wach

„Das war nicht mehr mein Sohn“, hatte die Mutter des Angeklagten am Montag beim dritten Prozesstag im Zeugenstand vor dem Landgericht in Arnsberg erklärt. Nachdem seine Ehefrau ihn verlassen habe, sei ihr Sohn durch einen falschen Freundeskreis in die dörfliche Drogenszene abgedriftet. Durch den häufigen Konsum von Cannabis und Amphetaminen sei er dann immer verschlossener gegenüber den Eltern geworden, während in den ganzen Jahren davor ein gutes familiäres Verhältnis geherrscht habe.

Er habe durch den exzessiven Drogenkonsum die Kontrolle über sein Leben verloren. Trotz mehrerer stationärer Aufenthalte in der Psychiatrie sei er immer wieder rückfällig und auffällig geworden. +++ Auch lesenswert: Brandstiftungsserie, Kreuzfrevel geklärt: Balver gefasst +++

„Wir hatten so oft die Polizei im Haus“, berichtet die 61-jährige Produktionshelferin sichtlich frustriert. Schließlich habe ihr Sohn auch noch seinen Führerschein und seine langjährige Arbeitsstelle verloren.

Gerichtsprozess vor der Vierten Strafkammer des Landgerichts Arnsberg: Der Beschuldigte ist ein 41-jähriger drogenabhängiger Mann aus Balve. Staatsanwalt Ümit Görgün wirft ihm unter anderem Brandstiftung in mehreren Fällen vor. Verteidiger ist Rechtsanwalt Ulrich Schoner aus Neuenrade.
Gerichtsprozess vor der Vierten Strafkammer des Landgerichts Arnsberg: Der Beschuldigte ist ein 41-jähriger drogenabhängiger Mann aus Balve. Staatsanwalt Ümit Görgün wirft ihm unter anderem Brandstiftung in mehreren Fällen vor. Verteidiger ist Rechtsanwalt Ulrich Schoner aus Neuenrade. © Andreas Dunker / ad medien GmbH | Andreas Dunker

Hyperaktiv sei er danach immer wieder zu Fuß und mit dem Fahrrad in der Gegend herumgestreift. Teilweise sei er mehrere Tage über durchgängig wach gewesen und auch nachts umhergelaufen. In Bäumen und Büschen habe er dabei vermeintliche Gesichter gesehen, die angeblich zu ihm gesprochen hätten. „Er war schon mittendrin. Wir konnten nichts mehr machen“, klagt die Mutter rückblickend. Hilfe von staatlicher Seite in dieser Situation habe man vergeblich gesucht. Nur wenn ihr Sohn zwischendurch mal nach einem Krankenhausaufenthalt kurz keine Drogen genommen habe, sei er „wieder ganz der Alte“ gewesen.

Eine im Internet kursierende Nachricht, dass er seine „Mutter köpfen“ wolle, habe ihr Sohn damit abgetan, dass er behauptet habe, dass sein Account „gehackt“ worden sei, erzählt die 61-Jährige. Und betont: „Ich habe mich in keiner Weise bedroht gefühlt. Auch mein Mann nicht.“ Auch durch andere Aussagen versucht sie, ihren Sohn in Schutz zu nehmen.

Drogenentzug als letzte Hilfe

Bei einem der durch Brandstiftung verursachten Feuer in Balve habe er angeblich krank im Bett gelegen und käme daher gar nicht als Täter in Frage, behauptet die couragiert auftretende Frau. Und zu einem toten Hasen, den ihr Sohn geschultert habe, erzählt sie auch eine ganz andere Geschichte als andere Zeugen und ihr Sohn selbst.

Zusammen mit Pflichtverteidiger Rechtsanwalt Ulrich Schorner kämpft sie offenbar dafür, dass ihr Sohn durch eine temporäre „Unterbringung in einer Entziehungsanstalt“ von seiner Drogensucht befreit wird, um später wieder ein weitgehend normales Leben wie zuvor führen zu können. Alternativ bestünde nämlich als Rechtsfolge die Möglichkeit einer „unbefristeten Unterbringung“ des Balvers in einer geschlossenen Einrichtung für unheilbar psychisch kranke Straftäter. +++ Lesen Sie auch: Balver Feuer-Serie vor Gericht: Die Chronik des Schreckens +++

Letztere Lösung scheint inzwischen jedoch unwahrscheinlich. Denn nach Aussage von Oberarzt Jörg Stockmann, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie in der LWL-Maßregelvollzugsklinik in Rheine, gibt es wohl eine günstige Prognose für eine Therapiechance für den drogenkranken Balver. Dieser befindet sich nach anfänglicher Untersuchungshaft in einer Justizvollzugsanstalt seit dem 29. November 2022 in der Maßregelvollzugsklinik des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) in Rheine.

Und nach Meinung von Juristen dürfte diese Aussage des derzeit behandelnden Arztes durchaus Einfluss bei der Urteilsfindung der drei Berufs- und zwei Laienrichter unter Vorsitz von Richter Petja Pagel haben. Interessant bleibt in diesem Zusammenhang allerdings noch das psychiatrische Gutachten von Facharzt Dr. Thomas Schlömer, der den Balver untersucht und den Prozess begleitet hat. Er wird voraussichtlich am heutigen Mittwoch aussagen. +++ Auch lesenswert: Prozess: So dramatisch war Feuerserie für Thomas Wietbüscher +++