Balve/Arnsberg. Feuer-Serie, Wegekreuz-Schändungen: Verantwortlich soll ein 41-jähriger Balver sein. Was Drogen aus ihm machten.

„Ich bin doch kein schlechter Mensch, ich bin doch nicht böse!“, beteuert der 41-jährige drogenkranke Mann aus Balve am Freitag zum Auftakt seines mehrtägigen Prozesses vor der 4. Strafkammer des Landgerichts in Arnsberg. Staatsanwalt Ümit Görgin wirft ihm als Straftaten unter anderem mehrere schwere Brandstiftungen mit Schäden in der Gesamthöhe von knapp 40.000 Euro vor. Und den Besitz einer „nicht geringen Menge“ an Marihuana.

Jesus-Figur in Balver Mausoleum zerstört
Jesus-Figur in Balver Mausoleum zerstört © WP | jürgen overkott

Letzteres will der Mann nach eigener Aussage für den Eigenbedarf aus selbst angebauten Cannabispflanzen hergestellt haben. Zudem gibt der Balver zu, mehrere sakrale Gegenstände an Gräbern und Wegekreuzen beschädigt und gestohlen zu haben. Diese Taten, die in Balve für große Unruhe gesorgt hatten (die WP berichtet), sind heute aber nicht Gegenstand des Verfahrens vorm Landgericht.

Der mutmaßlich unter einer durch Drogen verursachten Schizophrenie leidende Balver sieht sich selbst nicht als kriminell und als „geistig gesund“ an. Zugleich wünscht er sich noch mehr therapeutische Hilfe in Form von Gesprächen mit Psychologen.

Die Mithäftlinge in der Justizvollzugsanstalt, wo er zeitweilig in Untersuchungshaft saß, seien „Verbrecher“, da habe er sich nicht wohlgefühlt, berichtete der Balver. Inzwischen ist er in einer Maßregel-Vollzugsklinik des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) in Rheine untergebracht und wird dort unter anderem mit Medikamenten behandelt, die seine notorische Nervosität lindern sollen. Die Klinik kümmert sich um psychisch kranke und suchtkranke Menschen, die aufgrund ihrer Erkrankung straffällig geworden sind.

Mit Ehefrau ein Haus gekauft

Die Feuerwehr ist am frühen Montagmorgen zu zwei Bränden im Balver Stadtgebiet gerufen worden. In der Glärbach brannte ein Container für Papier und Kleider. In Beckum standen zwei Holzpolter in Flammen. Dieser und weitere Fälle werden vor Gericht zur Sprache gebracht.
Die Feuerwehr ist am frühen Montagmorgen zu zwei Bränden im Balver Stadtgebiet gerufen worden. In der Glärbach brannte ein Container für Papier und Kleider. In Beckum standen zwei Holzpolter in Flammen. Dieser und weitere Fälle werden vor Gericht zur Sprache gebracht. © Feuerwehr Balve

„Führerschein weg, Frau weg, alles weg“, so bringt der Balver prägnant auf den Punkt, wie sein Weg von einem zuvor weitgehend normalen Leben auf die „schiefe Bahn“ geraten war. Erst habe ein unerfüllter Kinderwunsch seine Ehe belastet, dann habe sich seine aus dem Kosovo stammende Ehefrau scheiden lassen. Danach habe ihn die Isolation in der Corona-Pandemie psychisch stark belastet, auch habe er falsche Freunde aus dem Drogenmilieu getroffen.

+++ STREIT UM SPENDEN FÜR WEGEKREUZE +++

„Mir war alles egal“, schildert er seine damalige Situation. Und weiter: „Da haben wir (Drogen, Anm. d. Red.) konsumiert wie die Weltmeister. Das hat mich von den ganzen Verlusten abgelenkt, die ich gehabt habe“, begründet der Balver seinen teils nur sporadischen und teils täglichen Drogenkonsum. Der begann bereits in der Jugend mit dem Probieren eines Joints, war dann aber über Jahre scheinbar unterbrochen. Aufgrund des Todes seiner ersten festen Freundin während der Schulzeit habe er keinen Hauptschulabschluss geschafft, ihn später aber auf einer Abendschule noch nachgeholt. Als angelernter Betriebsschlosser habe er über Jahre in einem Unternehmen gearbeitet und Geld verdient. Zusammen mit Ehefrau und Eltern habe er schließlich gemeinsam ein Haus gekauft und dieses um- und ausgebaut. Bis zur Trennung von seiner Frau sei eigentlich alles gut gelaufen.

Doch dann sei er abgestürzt und habe vergeblich „nach Liebe gesucht“. Dabei kam es offensichtlich auch zu Nachstellungen (Stalking) von Frauen, denen er den Hof machen wollte. Aus vermeintlich gut gemeinten Aufmerksamkeiten und Schmeicheleien wurde dabei Psychoterror, der zu Annäherungsverboten und Polizeibesuchen bei ihm zu Hause führte.

Kein Heroin: Angst vor Spritzen

Hinzu kamen „Amphetamine zum Aufputschen“ und „Marihuana zum Runterkommen“: Der Balver spricht vor Gericht von seinem fast täglichen Konsum von Marihuana („Gras“) und Amphetaminen (synthetisch hergestellte Stimulanzien). Außerdem gesteht er – nach zuvor teils gegenteiligen Aussagen vor Polizei und einem psychiatrischen Gutachter – am Freitag vor der Strafkammer auch, dass er bereits härtere Drogen wie Crack, Kokain und LSD ausprobiert habe. Heroin hingegen habe er noch nicht genommen, betont er vehement: „Auf keinen Fall! (…) Ich hab’ Angst vor Spritzen!“

Aktuell erhält der Balver eine nicht unerhebliche Dosis an Beruhigungsmitteln gegen seine notorische Nervosität, die ihm im Gerichtssaal in Arnsberg bereits nach kurzer Zeit deutlich anzumerken ist. Er redet sich vieles schön und verstrickt sich in Widersprüche.

Begleitet wird der Prozess von Dr. Thomas Schlömer, dessen Gutachten als Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie wohl maßgeblich sein dürfte für das Urteil der Kammer mit ihren drei Berufsrichtern und zwei Schöffen (Laienrichtern) sowie den daraus resultierenden Rechtsfolgen für den Beschuldigten aus Balve. Zuvor muss aber auch noch die Beweisaufnahme mit der Vernehmung einer langen Liste von Zeugen sowie der Würdigung der sichergestellten Indizien erfolgen.

+++ WEGEKREUZE, BRANDSERIE: VERDÄCHTIGER GEFASST +++

Bei diesem Prozess geht es parallel um ein Straf- und ein Sicherungsverfahren. Denn vermutlich ist der Beschuldigte für die Brandstiftungen aufgrund seines Drogenrausches während dieser Straftaten nicht schuldfähig. „Mein Mandant wird sich in dem Verfahren deshalb voraussichtlich nur zu den Vorwürfen des Besitzes von Marihuana in nicht geringer Menge zum Eigenkonsum geständig einlassen. Zu der Beschuldigung der mehrfachen Brandstiftung wird er sich vor Gericht nicht äußern“: Das kündigt Rechtsanwalt Ulrich Schorner aus Neuenrade als Verteidiger im Gespräch mit der Westfalenpost nach Ende des ersten Hauptverhandlungsteils an.

Gegenüber der Redaktion erläuterte der Rechtsanwalt weiter: „Das Ziel meiner Verteidigung ist es, den drogenabhängigen Beschuldigten nur temporär in einer Entziehungseinrichtung und nicht langfristig in einem psychiatrisches Krankenhaus unterzubringen.“

Nach dem ersten Prozesstag der Hauptverhandlung in erster Instanz vor der Vierten Strafkammer des Landgerichts in Arnsberg unter Vorsitz von Richter Petja Pagel sind bislang noch folgende Fortsetzungstermine bekannt: der 15. und 27. Februar sowie der 1. März.