Balve/Arnsberg. Ein 41-jähriger Balver muss sich wegen einer Feuer-Serie vor Gericht verantworten. Warum Balve knapp einer Katastrophe entgangen ist.
„Da hatte ich Angst!“, gesteht ein gestandener Polizeibeamter im Zeugenstand. Kriminalhauptkommissar Jürgen Vogel (57) ist auch bei seiner Aussage am Mittwoch vor der Vierten Strafkammer des Landgerichts in Arnsberg noch immer sichtlich „beeindruckt“ von dem Ausmaß der Brandstiftungsserie, die von Februar bis September vorigen Jahres in Balve für Aufsehen gesorgt hat.
Die Stadt habe Glück im Unglück gehabt, ist sich der Brandursachen-Ermittler des Kriminalkommissariats 11 der Polizeibehörde des Märkischen Kreises in Iserlohn sicher. Denn die offensichtlich vorsätzlich gelegten Brände an mehreren Holzpoltern und an forstwirtschaftlichen Anlagen hätten schnell noch weit mehr Schäden anrichten können als ohnehin. Gerade in den heißen und trockenen Sommermonaten 2022 habe hierzulande Waldbrandgefahr geherrscht, und ein Funkenflug hätte schnell zu einem Flächenbrand führen können.
+++ FEUER-PROZESS IN ARNSBERG: SO LIEF AUFTAKT +++
Und auch das Feuer in unmittelbarer Nähe der chemischen Fabrik in Wocklum hätte schnell zu einer Katastrophe führen können, beschreibt Vogel am zweiten Prozesstag des Straf- und Sicherungsverfahrens gegen einen 41-jährigen drogenkranken Balver die große Gefahr, die von den Bränden an unterschiedlichsten Stellen ausging.
Knapp 40.000 Euro Schaden
Der Arnsberger Staatsanwalt Ümit Görgün wirft ihm als Straftaten unter anderem mehrere schwere Brandstiftungen mit einer Schadenssumme von knapp 40.000 Euro sowie den Besitz einer „nicht geringen Menge“ an Marihuana vor wirft. Letzteres hatte der Mann nach seiner Aussage für den Eigenbedarf aus selbst angebauten Cannabispflanzen hergestellt (die WP berichtete).
+++ FEUER-SERIE: BILANZ DES SCHRECKENS +++
Auch Polizeihauptkommissar Thomas Wietbüscher (54), der die Brandserie als Bezirksdienstbeamter in Balve verfolgt hat, äußert sich im Zeugenstand ähnlich wie sein Kollege Jürgen Vogel. Insbesondere das Feuer in direkter Nachbarschaft zur Chemiefabrik in Wocklum beschreibt auch er als besonders gefährlich. Wären die Flammen auf das Werksgelände übergesprungen, „dann hätten wir den Super-Gau gehabt“, skizziert der Beamte die brenzlige Situation vor Ort.
Kriminalhauptkommissar Jürgen Vogel erinnert in seiner Befragung durch den Vorsitzenden Richter Petja Pagel außerdem daran, dass die ehrenamtlichen Feuerwehrleute bei den zahlreichen nächtlichen Löscheinsätzen immer Leib und Leben riskiert hätten. Und es sei reiner Zufall gewesen, „dass nicht ganze Wälder oder Wohnsiedlungen durch den Funkenflug noch Feuer gefangen haben“, meint Vogel.
Beschuldigter narrte Ermittler
Die Aussagen der beiden Beamten und weiterer ihrer Kollegen machen am Mittwoch schnell deutlich, wie umfangreich die Ermittlungen und Schutzmaßnahmen der Polizei in Balve waren, um weitere Straftaten des Beschuldigten zu verhindern. Denn immer wieder führten die Spuren von Diebstählen, Bränden und Vandalismus zu dem 41-jährigen Balver, der aufgrund seines Drogenkonsums und des damit verbundenen Rauschzustands vermutlich bei vielen Taten schuldunfähig war. Trotzdem war er aber offenbar über Monate clever genug, der Polizei nicht die nötigen Beweise für seine Täterschaft zu liefern und sich so den strafrechtlichen Konsequenzen zu entziehen.
Das Abhören der Telefonate und die Observierungen des Verdächtigen sowie weitere verdeckte Ermittlungen, die Auswertung von Social-Media-Postings und Chat-Verläufen brachten den Beamten jedoch immer mehr Hinweise, dass der dringend tatverdächtige Drogenkonsument scheinbar der Urheber unzähliger Straftaten in Balve ist.
+++ KUPFER-KLAU IN BALVE: DER PROZESS +++
Auffällig: Als der 41-Jährige zwischenzeitlich in geschlossener Psychiatrie und Haft gewesen sei, sei es in Balve wieder ruhiger geworden. Es habe keine Brandstiftungen mehr gegeben, berichteten die geladenen Polizisten vor Gericht.
Dass der psychisch kranke Mann offenbar eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ist, zeige sich auch in einer von ihm geäußerten Drohung in einem Chat deutlich, so Kriminalhauptkommissar Jürgen Vogel. Darin habe der Balver geäußert, dass er seine Mutter enthaupten wolle. Trotz mehrerer Annäherungsverbote durch das Amtsgericht in Menden habe der Mann zudem Frauen nachgestellt. Das Stalking sei so weit gegangen, dass eine der Damen inzwischen aus Angst vor ständiger Belästigung den Wohnort gewechselt habe.