Arnsberg. . Die Fragen aus seiner Umgebung häuften sich: Wie lange er denn noch machen müsse? „Auf diese Weise wurde ich gedanklich auf meinen Ruhestand vorbereitet“, sagt Willi Erdmann, Vorsitzender Richter der Schwurgerichtskammer am Landgericht Arnsberg. Am 31. Oktober ist sein letzter Arbeitstag nach 43 Jahren im öffentlichen Dienst. „Das Auge lacht mehr, als dass es weint.“

Der 65-Jährige Willi Erdmann empfängt den Besuch in seinem Dienstzimmer im ersten Stock des Gerichtsgebäudes in Arnsberg. Er wirkt aufgeräumt, verspricht, bis zum letzten Arbeitstag seine Pflicht im Namen des „manchmal erstaunten Volkes“ zu tun. „Mir werden die Diskussionen über die Lösung der Fälle mit den sehr qualifizierten jungen Kollegen fehlen“, sagt er. Die Kollegialität und der freundliche Umgang im Landgericht bis hin zu den Mitarbeitern in der Geschäftsstelle und den Wachtmeistern. „Dagegen werde ich die unmittelbare Konfrontation mit dem Leid von Menschen sicher nicht vermissen.“

Die schweren Fälle

Es sind Morde, Misshandlungen, Vergewaltigungen und Raubüberfälle, mit der sich eine Schwur­gerichtskammer beschäftigen muss. Die schweren, öffentlichkeitswirksamen Fälle, die Willi Erdmann zu einem bekannten Juristen gemacht haben - die aber auch einem erfahrenen Richter wie ihm nahe gehen. „Kurz vor Weihnachten muss ich immer an die Tränen der Mutter aus dem Großraum Winterberg im Zeugenstand denken, die ihren Sohn bei einem ­Kapitalverbrechen einen Tag vor Heiligabend verlor.“

„Je emotionaler ein Fall ist, umso sachlicher muss man mit ihm umgehen“, ist das Credo des Arnsbergers. „Das wünsche ich mir auch für die Berichterstattung in den Medien.“ Zuletzt hat ihn der Fall der jungen Frau aus Soest aufgewühlt, die ihr Kleinkind verhungern und verdursten ließ. „Das nimmt einen schon mit“, sagt der Vater eines erwachsenen Sohnes. „Auch Richter sind Menschen.“ Sein „Rettungsanker“ für einen professionellen Umgang war immer die enge Anlehnung an das Gesetz, das System der Strafprozessordnung.

Die Unabhängigkeit des Amts

Der gebürtige Duisburger hat, nach langjähriger Tätigkeit in der Zivilkammer, die 2. Große Strafkammer 14 Jahre lang geleitet und festgestellt, dass sich die Zahl der schweren Straftaten nicht auffällig verändert hat. „Aber der Respekt vor der Unversehrtheit des Anderen ist geringer geworden“, sagt der Jurist, der seit 1978 Richter ist und dann 1979 zum Landgericht Arnsberg kam.

Nach dem Jurastudium, Referendariat und als wissenschaftlicher Assistent an der Ruhr-Uni Bochum und der Fernuniversität Hagen entschied er sich, Richter zu werden. „Der Hauptgrund war die Unabhängigkeit dieses Amts.“ Die habe er an jedem Arbeitstag gespürt: „Es hat nie einen Einfluss von außen gegeben.“

Raus aus dem Ruhrgebiet

Und wieso Arnsberg? Erdmann lächelt: Er habe „raus“ aus dem Ruhrgebiet wollen, in die Peripherie. „Arnsberg hatten meine Familie und ich eigentlich nicht auf dem Schirm.“ „Aber“, so fügt er sofort hinzu, „wir haben es nicht einen Tag bereut, ins Sauerland gegangen zu sein.“

Der Vorsitzende der Schwur­gerichtskammer scheint mit sich im Reinen und will die letzten Arbeitstage noch „anständig“ über die Bühne bringen. Nein, er wolle keinem zu nahe treten, aber die ­Tarif-Diskussionen vor einiger Zeit unter anderem um die Bezüge von Richtern seien nicht glücklich ­gewesen. „Eine Regierung sollte vermeiden, dass diejenigen das ­Gefühl bekommen, ungerecht ­behandelt zu werden, die sich ­professionell mit Gerechtigkeit ­beschäftigen.“

Vorfreude auf den Ruhestand

Erdmann freut sich auf den ­Ruhestand. Er will häufiger mit seiner Frau Urlaub an der Nordsee und in Irland machen, mit seinem Oldtimer durch Deutschland ­fahren und weiter als Sänger mit seinen Musikfreunden auftreten. Der 65-Jährige ist Mitglied im Ruhrtaler Doppelquartett und im Ensemble „Seitenklang“. Er muss sich also keine Sorgen um den ­Ruhestand machen: „Die ganz ­große Langeweile werde ich nicht bekommen.“

Eine lange berufliche Karriere geht zu Ende. Willi Erdmann ist ­sicher, dass es auch nach ihm in der Schwurgerichtskammer sehr qualifiziert weitergehen wird. „Die Bürger im Sauerland und in der Börde können sich weiter auf ihr Landgericht verlassen.“