Sundern. Der Aachener Mediziner Thomas Kraus warnt vor Panikmache. Die Verwaltung möchte Schulangehörigen dennoch Blutuntersuchungen anbieten.

Sonderlich überrascht schien Professor Thomas Kraus angesichts des überschaubaren Interesses an seinem Vortrag nicht zu sein. „Ich habe schon vor 500 Menschen über das Thema PCB referiert, allerdings auch schon vor 20 Personen“, erklärt er im Gespräch mit unserer Redaktion. Der Arbeitsmediziner aus Aachen war am Mittwochnachmittag die gut 200 Kilometer aus dem Rheinland angereist, um in der Aula der Realschule Sundern über seine Einschätzung zur PCB-Belastung in eben jener Bildungseinrichtung zu sprechen.

Kraus folgte einer Einladung der Stadt Sundern, um der Informationsveranstaltung die Inhalte seines Gutachtens vorzustellen und für Fragen aus dem Publikum zur Verfügung zu stehen. 30 Personen erschienen zum Vortrag, darunter Lehrkräfte, Eltern von Schülern sowie Ratsvertreter und Verwaltungsfachkräfte.

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Die Stadt Sundern hatte den Aachener Professor beauftragt, mithilfe der Daten des Ingenieurbüros Dr. Stefan Henning GmbH eine arbeitsmedizinische Stellungnahme zu verfassen. Das Dortmunder Ingenieurbüro hatte im Zuge möglicher Sanierungsarbeiten umfangreiche Messungen in der Realschule Sundern durchgeführt, um herauszufinden, wie hoch die Belastung der dort arbeitenden und lernenden Menschen durch Schadstoffe wie Asbest und PCB sind.

Unterschiedlich gefährlich

Thomas Kraus machte deutlich, dass es sich bei PCB um eine Vielzahl verschiedener chemischer Verbindungen handelt, die unterschiedlich gefährlich für den Menschen sind. Hauptsächlich sind sie als Fugenmaterial in Gebäuden zu finden. „Dehnungsfugen setzen die PCB frei und sorgen dafür, dass sie in die Raumluft gelangen“, so Kraus. Aber auch Hydraulikflüssigkeiten oder Brandschutzanstriche können PCB enthalten.

In den Fugen an der Fassade der Realschule Sundern befinden sich PCB-Verbindungen.
In den Fugen an der Fassade der Realschule Sundern befinden sich PCB-Verbindungen. © Eric Claßen | Eric Claßen

Bei jedem Menschen könne man bestimmte PCB-Gruppen finden. „Dies liegt nicht zuletzt an der Nahrungsaufnahme. In Milchprodukten und Meeresfrüchten sind PCB in erhöhter Form zu finden. Früher hat man die Aufnahme von PCB durch die Luft heruntergespielt. Mittlerweile nimmt man diesen Bereich aber deutlich ernster“, betont der Mediziner. Der Vorteil der PCB, die über die Luft aufgenommen werden, sei ein schnellerer und besser Abbau im Körper. „Innerhalb von fünf Jahren hat der Körper das PCB in der Regel gut verstoffwechselt. Bei der Aufnahme durch Nahrung kann dies im schlimmsten Falle Jahrzehnte dauern. Hier findet ein langsamerer Stoffwechsel statt.“

Mögliche Auswirkungen auf die Gesundheit nannte Kraus dabei auch. Das Immunsystem könne ebenso angegriffen werden wie auch die Leber und der Hormonhaushalt. Nachweislich seien einige der Stoffe krebserregend. Und sogar von Entwicklungsstörungen und Auswirkungen auf die Psyche - beispielsweise als Auslöser von Depressionen - gingen manche Mediziner aus. Ausschlaggebend sei hierbei aber nicht nur die Konzentration der PCB-Partikel, sondern auch wie lange ein Betroffener ihnen täglich ausgesetzt sei.

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„Ich kann die Sorge vieler Betroffener, die hier an der Schule arbeiten oder ihre Kinder in den Klassen sitzen haben, grundsätzlich verstehen. Allerdings warne ich vor Panikmache! Die Werte, die das Ingenieurbüro gemessen hat, befinden sich deutlich unterhalb der kritischen Grenzwerte“, betont Thomas Kraus. Räumlichkeiten und Arbeitsplätze, an denen 3000 Nanogramm pro Kubikmeter in der Luft nachgewiesen werden konnten, müssen umgehend aus der Nutzung genommen werden. Die in Sundern ermittelten Werte befinden sich deutlich darunter.

Er halte zwar die PCB-Richtlinie des Landes NRW aus dem Jahr 1996, an denen sich bis heute sämtliche Untersuchungen orientieren, für überholt und nicht mehr zeitgemäß. Trotzdem seien die gefundenen PCB-Partikel in der Luft nicht so zahlreich, dass man von einer unmittelbaren Gefahr für Schüler und Lehrer ausgehen muss.

Der Aachener Wissenschaftler Thomas Kraus hört sich im Nachklang an seinen Vortrag die Fragen aus dem Plenum an und beantwortet diese.
Der Aachener Wissenschaftler Thomas Kraus hört sich im Nachklang an seinen Vortrag die Fragen aus dem Plenum an und beantwortet diese. © Eric Claßen | Eric Claßen

Thomas Kraus schränkte allerdings ein, dass es in der Tat Schwachstellen in der Analyse gebe. So könne man die Gefahren für Kinder sowie das ungeborene Leben nur seriös über spezielle Blutuntersuchungen - dem sogenannten Humanbiomonitoring - ausschließen. Hier gelte die magische Marke von 3,5 Mikrogramm pro Liter Blut. Deshalb empfehle er auch Blutuntersuchungen für betroffene Personen durch das Kreisgesundheitsamt, um auf Nummer Sicher zu gehen. Dies betreffe in erster Linie Schwangere sowie Frauen, die schwanger werden wollen, aber auch Schülerinnen und Schüler.

„Ich kann an dieser Stelle allerdings auch vorab alle Personen beruhigen. Die Erkenntnisse aus früheren Analysen ergeben, dass es bei den ermittelten Luftwerten wie hier in Sundern äußerst unwahrscheinlich ist, dass die Blutwerte die 3,5 Mikrogramm-Grenze überschreiten. Das Humanbiomonitoring dient zur Absicherung.“

Stadt Sundern bietet Hilfe für Blutuntersuchung an

Im Zuge des sogenannten Humanbiomonitoring bietet die Stadt Sundern besondere Hilfe an. Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schülerder Realschule Sundern, die ihr Blut auf PCB-Rückstände untersuchen lassen möchten, können dies tun. Hierzu wird um Kontaktaufnahme mit Jennifer Salzmann-Vogt gebeten. Sie leitet den Fachbereich für Familie und Jugend im Sunderner Rathaus.

Jennifer Salzmann-Vogt ist per E-Mail an j.salzmann-vogt@stadt-sundern.de oder per Telefon unter 02933/81 132 erreichbar und steht für Rückfragen zur Blutuntersuchung zur Verfügung. Nach Eingang der Anmeldungen wird ein Termin koordiniert. Außerdem liegt der Fachbereichsleiterin auch die arbeitsmedizinische Stellungnahme von Professor Dr. med. Thomas Kraus vor. Nach Absprache kann diese auch eingesehen werden.

Sunderns Beigeordnete Dr. Jacqueline Bila, die ebenfalls an der Informationsveranstaltung teilnahm, versicherte, dass man die Einschätzungen von Professor Kraus sehr ernst nehme und den Handlungsanweisungen folgen werde. Kraus hatte sich noch einmal, wie auch im Vorabgespräch mit unserer Zeitung für ein intensives Stoßlüften und eine Grundreinigung durch eine Spezialfirma ausgesprochen. „Damit kann man sehr gute Effekte in der Reduzierung der PCB in der Raumluft erzielen“, versprach der RWTH-Professor.

„Wir haben eine Spezialfirma bereits beauftragt und sprechen in den nächsten Tagen noch einmal mit der Schulleitung, um im Lehrerkollegium für ein regelmäßiges und intensives Lüften in den Klassenräumen zu werben“, sagte Bila. Außerdem nehme man Kontakt mit dem Gesundheitsamt auf, um das angesprochene Humanbiomonitoring allen Betroffenen anzubieten.