Oeventrop. Einst Wohnheim soll im Missionshaus Oeventrop nun ein neues Projekt an den Start gehen. Was haben die Muslimbrüder damit zu tun?

Zuhir Halibi hat eine Vision. Wenn es möglich wäre, möchte er zwei Kühe in den Garten stellen, damit die Kinder ihre Milch selbst melken könnten, sagt er. Naturverbundenheit sei es, was er Kinder und Jugendliche lehren möchte.

Der 59-Jährige führt durch das ehemalige Missionshaus in Oeventrop. Das Gebäude, dessen blau-weiße Fassade auf dem Berg in Waldesnähe bereits vom Oeventroper Ortskern aus zu sehen ist, hat eine bewegte Geschichte. Einst diente es dem Orden der „Hiltruper Missionare“ als Alters- und Erholungssitz – nun soll es, geht es nach Zuhir Halibi, der Beherbergung von Schulklassen, Wandergruppen und Vereinen dienen. Doch das Netzwerk hinter dem „Bildungs- und Begegnungszentrum Arnsberg“ nährt den Verdacht einer gewissen Nähe zur Muslimbruderschaft.

Genehmigung der Stadt Arnsberg steht aus

„Wir hätten 30 Zimmer á vier Betten“, schwärmt Halibi, „könnten also rund 120 Personen zeitgleich unterbringen.“ Im Wege steht aktuell der gültige Nutzungsplan, der eine Verwendung des Gebäudes über ein Wohnheim hinaus ausschließt. „Wir haben einen Nutzungsänderungsantrag gestellt“, erläutert Zuhir Halibi, „wir warten auf die Genehmigung.“ Zur Nutzungsänderung des Gebäudes sei durch die Bauordnung der Stadt Arnsberg ein positiver Vorbescheid ausgestellt worden. Auf dieser Grundlage sei ein Bauantrag gestellt worden, der noch nicht abschließend beschieden worden sei, so Stadtsprecherin Ramona Eifert, und weiter: „Aktuell dürfen daher keine Bau- oder Umbaumaßnahmen durchgeführt werden. Unserer Kenntnis nach wurden im Zusammenhang mit der beantragten Nutzungsänderung keine offiziellen Veranstaltungen durchgeführt.“

Aber zurück zum Projekt: Zuhir Halibi stellt sich eine „lehrreiche Baumschule“ am Rande des Waldes vor. Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen seien inbegriffen, genau wie Seminare mit Wald- und Baumexperten sowie ein Gemüsegarten im Innenhof. Angetrieben, so beteuert Zuhir Halibi, würden er und das Projekt durch den Wunsch, mit Jugendlichen zu arbeiten und die Integration zu fördern.

Zuhir Halibi stellt sich einen Gemüsegarten im Innenhof vor.
Zuhir Halibi stellt sich einen Gemüsegarten im Innenhof vor. © WP | Thora Meißner

Skepsis schwingt mit: Ist eine Nähe zur Muslimbruderschaft erkennbar?

Wer sich näher mit der Bildungs- und Begegnungsstätte Arnsberg befasst, stößt auf ein Netzwerk, das mutmaßlich unter dem Deckmantel der interkulturellen und naturverbundenen Arbeit die Ideologie der Muslimbruderschaft unterstützt. Tatsache ist, dass das Innenministerium ein Auge auf den Eigentümer des Gebäudes und Gesellschafter der „Bildungs- und Begegnungsstätte Arnsberg gGmbH“ hat.

„Die Bildungs- und Begegnungsstätte Arnsberg (BBA) wurde vom ‚Verband Interkultureller Zentren‘ (VIZ) erworben. Der VIZ wiederum weist enge, auch personelle Verbindungen zur Deutschen Muslimischen Gemeinschaft (DMG), ehemals Islamische Gemeinschaft in Deutschland (IGD), auf“, so die Sprecherin des Verfassungsschutzes NRW, und weiter: „Die IGD/DMG stellt die wichtigste Organisation von Anhängern der Muslimbruderschaft (MB) in Deutschland dar und findet entsprechende Erwähnung im Verfassungsschutzbericht des Landes NRW über das Jahr 2022.“

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Die Geschäftsführung der BBA hat in den letzten Jahren häufiger gewechselt. Aktuell ist gemäß Auskunft des Amtsgerichtes Arnsberg Mohamad Hajjaj, wohnhaft in Berlin, als alleiniger Geschäftsführer eingetragen. Hajjaj führt den Berliner Landesverband des Zentralrats der Muslime. Durch seine Tätigkeiten in unterschiedlichen Vereinen wird ihm eine Nähe zu Muslimbruderschaft nahen Gruppierungen vorgeworfen. Auf den Webseiten der Bundeszentrale für politische Bildung (Mai 2019) wird er im Zusammenhang mit der Teiba-Moschee in Berlin als Netzwerkpartner der DMG (vormals IGD) in Deutschland genannt. Auf Anfrage dieser Redaktion reagierte Mohamad Hajjaj nicht.

Wenn es möglich wäre, möchte er zwei Kühe in den Garten stellen, damit die Kinder ihre Milch selbst melken könnten, sagt Zuhir Halibi.
Wenn es möglich wäre, möchte er zwei Kühe in den Garten stellen, damit die Kinder ihre Milch selbst melken könnten, sagt Zuhir Halibi. © WP | Thora Meißner

„Ich kümmere mich um dieses Projekt“

Über den Verband interkultureller Zentren (VIZ) e.V., der u.a. alleiniger Gesellschafter der Bildungs- und Begegnungsstätte Arnsberg gGmbH ist, lässt sich wenig finden. Lediglich die Anschrift und eine Telefonnummer, die gleichlautend mit den Kontaktdaten der Neuköllner Begegnungsstätte e.V. (NBS) sind. Dort angerufen, wird der VIZ e.V. verleugnet. Die Pressesprecherin Juanita Villamor spricht zunächst von einem Tippfehler, da es keinen VIZ gebe. Erst unter Hinweis darauf, dass „ihr“ Verein auf seinen Webseiten selbst vom „VIZ“ als Verpächter der dort ansässigen Moschee schreibt, räumt sie ein: „Der VIZ hat das Gebäude an den NBS verpachtet, das ist richtig. Der Verein selbst ist hier aber nicht anzutreffen.“

Einen Kontakt zum VIZ vermittelt sie nicht, sondern verweist auf den Hausverwalter Zuhir Halibi.

Dieser führt die Tätigkeit in der Bildungs- und Begegnungsstätte Arnsberg als Geschäftsführer der Arnsberger Mix GmbH aus, die u.a. für den „Betrieb von Beherbergungsstätten und Errichtung derselben“ gegründet wurde.

Mir ist egal, was die da machen, ich kümmere mich um dieses Projekt.
Zuhir Halibi

Darauf angesprochen, dass der VIZ vom Verfassungsschutz beobachtet wird, reagiert Zuhir Halibi genervt. „Mir ist egal, was die da machen, ich kümmere mich um dieses Projekt.“ Auf Vermittlungsanfrage eines Kontakts zum VIZ e.V. reagiert er nicht.

Ehemaliger Verein mit mutmaßlicher Verbindung zur Hamas erloschen

Zuhir Halibi selbst war seit April 2019 Vorsitzender des Vereins „Die barmherzigen Hände“ in Dortmund. Auch dieser Verein findet Erwähnung im Verfassungsschutzbericht NRW. Bereits 2021 wurde der Verein als „weitere Anlaufstelle für Anhänger der Hamas, die in das Spektrum der Muslimbruderschaft hineinwirkt“, erwähnt. Ein Jahr später heißt es im Bericht, dass „der Verein ‚Die barmherzigen Hände‘, der über ausgeprägte personelle Verbindungen zur PGD (Anm. der Redaktion: Palästinensische Gemeinschaft in Deutschland) verfügt, seine Spendensammelaktivitäten im Berichtszeitraum 2022 unvermindert fortgesetzt“ hat.

Im aktuellen Verfassungsschutzbericht NRW für das Jahr 2023 heißt es: „Ende August 2023 löste sich der Verein ‚Die barmherzigen Hände e.V.‘ auf. Der Spendenverein wies Bezüge zur Hamas auf. Im Berichtszeitraum entfaltete der Verein deshalb kaum noch öffentlichkeitswirksame Aktivitäten.“

Dem Verein „Die barmherzigen Hände“ wurde 2023 letztlich von Amts wegen die Rechtsfähigkeit entzogen. „Der Umstand, dass mit Beschluss vom 17.08.2023 dem Verein die Rechtsfähigkeit entzogen wurde, wurde am 27.09.2023 im Handelsregister des Amtsgerichts Dortmund eingetragen“, bestätigt eine Sprecherin des Amtsgerichts Dortmund, „Der Verein ist damit in dieser Rechtsform nicht mehr existent.“

Auf diesen erloschenen Verein angesprochen reagiert Zuhir Halibi abweisend. „Ist aus seit zwei Jahren“, sagt er. Und was ist mit der vorgeworfenen Nähe zur Hamas? „Mit keiner politischen Organisation haben wir zutun gehabt. Nicht mit Hamas oder einer anderen Organisation.“

In dem ehemaligen Missionarshaus Oeventrop soll gemäß Hausverwalter eine Baumschule etabliert werden. 
In dem ehemaligen Missionarshaus Oeventrop soll gemäß Hausverwalter eine Baumschule etabliert werden.  © WP | Thora Meißner

Zuhir Halibi: Ein Unbekannter?

Doch was ist in Arnsberg über den Mann bekannt? Weder er selbst noch die „Bildungs- und Begegnungsstätte Arnsberg“ ist dem Integrationsrat (IR) der Stadt Arnsberg und dem Islamisch-Arabischen Verein (IAV) bekannt, bestätigt Samawal Karkoutly, Vorsitzender des IR und IAV. Die Recherchelage bereite ihm jedoch Sorge. Sorge, dass sie eine gewisse „negative Stimmung gegen alle Muslime“ auslöse.

Oeventrops Ortsvorsteher, Gerd Stodollick, kennt Zuhir Halibi flüchtig. „Er hat mich vor Jahren (Anm. der Redaktion: vor Gründung der Mix GmbH) mal durch das Gebäude geführt und mir erzählt, dass er dort eine Beherbergung etablieren möchte“, sagt er.

Was geschieht in der Bildungs- und Begegnungsstätte Arnsberg?

Veranstaltungen finden trotz ausstehender Genehmigung sporadisch statt, zum Beispiel mehrere Male ein Mädchencamp des Islamischen Frauenverbands für Bildung und Erziehung (IFBED e.V.), der ausschließlich über Facebook aktiv ist. Mitbegründerin dieses Vereins im Jahr 2002 ist Houaida Taraji – die Frau, die auch den Vorsitz des VIZ innehat und somit Sprecherin des ehemaligen Missionarshauses ist. Von 2006 bis 2010 war sie laut den Webseiten des Zentralrats Vizepräsidentin der Islamischen Gemeinschaft in Deutschland (IGD, heute DMG). Und damit auch Teil des vom Verfassungsschutz NRW als wichtigste Organisation von Anhängern der Muslimbruderschaft (MB) in Deutschland gesehenen Vereins. Auf Anfrage der Redaktion reagierte sie nicht.

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Eine weitere Veranstaltung fand über den Jahreswechsel 2018/19 statt. Khaled Hanafy setzte sich mit 100 Jugendlichen und jungen Erwachsenen in der Bildungs- und Begegnungsstätte Arnsberg mit dem Koran auseinander. Khaled Hanafy ist der Vorsitzende des Rats der Imame und Gelehrten in Deutschland e.V. mit Sitz in Frankfurt am Main (RIGD). Auch dieser Verein findet Erwähnung im Zusammenhang mit dem Netzwerk der Muslimbruderschaft in mehreren Verfassungsschutzberichten, unter anderem im hessischen Bericht 2022.

Aktuell dürfen daher keine Bau- oder Umbaumaßnahmen durchgeführt werden. Unserer Kenntnis nach wurden im Zusammenhang mit der beantragten Nutzungsänderung keine offiziellen Veranstaltungen durchgeführt.
Ramona Eifert - Stadtsprecherin

Oeventropern und Oeventroperinnen fallen die gelegentlichen Treffen „dort oben auf dem Berg“ auf. Heiligabend 2023 soll der Parkplatz gnadenlos überfüllt gewesen sein, die Straßen seien zugeparkt worden. Kennzeichen hauptsächlich aus dem Ruhrgebiet – grundsätzlich „von weiter weg“. Männer.

Offen bleibt, ob sich Zuhir Halibis Vision erfüllt und sich im ehemaligen Missionarshaus tatsächlich eine Baumschule etablieren wird.