Neheim. Die Grimme-Hauptschule zeigt, wie man Vielfalt als Stärke begreifen kann. Bei der Demo gegen Ausgrenzung am Freitag ist sie dabei.
Von den nackten Zahlen her hat die Schule Potenzial, um in die klischeehafte Brennpunkt-Schublade gesteckt zu werden: 250 lernende Kinder und Jugendliche aus 23 Nationen, aktuell 28 Schüler aus der Ukraine in der Erstförderung Deutsch und jährlich 40 bis 50 Zugänge „abgeschulter“ Kinder, die nach Misserfolg in der Realschule aufgefangen werden - das ist die Grimme-Hauptschule Neheim. Integration und schulisches Miteinander aber gelingen hier dennoch. Schule und Eltern erklären, warum in Arnsberg Vielfalt funktioniert, was in anderen Schulen im Land für Probleme sorgt.
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Klar ist: Arnsberg ist nicht Berlin-Neukölln und somit nicht vergleichbar. Wichtiger aber noch ist die Herangehensweise. „Wir haben den Vorteil kleiner Gruppen und denken Integration und Miteinander systemisch“, erklärt Sonderpädagoge Thomas Bohé. Das Prinzip „Übergänge und Ankommen gestalten“ ist konzeptionell erarbeitet und festgeschrieben und wurde kürzlich bei der Qualitätsanalyse mit Bestbewertungen versehen. „Vielfalt zu leben an der Grimmeschule, ist uns wichtig“, sagt Schulleiter Matthias Mörstedt. Da überrascht es nicht, dass es aller Wunsch war, den eigentlich für den kommenden Freitag angesetzten Tag der offenen Tür abzusagen, um sich an der Neheimer Demo gegen Rechtsextremismus zu beteiligen. „Wir positionieren uns da als Schule“, so Mörstedt, „es ist uns allen wichtig, Gesicht zu zeigen.“
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Die Schülerschaft habe besorgt auf die Meldungen vom „Remigrations-Treffen“ rechter Gruppierungen reagiert. „Das war sogar in den unteren Klassen Thema“, erzählt Thomas Bohé, „die Kinder haben gefragt, was da passiert.“ Widersprechen solche rechten Ideen doch komplett dem, was die Schüler an der Grimmeschule leben und erleben. „Hier interessiert es niemanden, wo du herkommst“, sagt Elternsprecherin Samia Mohammad, „jeder darf sich und seine Kultur einbringen!“ Die 48-Jährige ist Muslima und trägt Kopftuch, zwei ihrer Kinder hat sie an der Grimmeschule angemeldet. „Hier hat man nie das Gefühl, dass man nicht dazugehört“, sagt sie.
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Natürlich gibt es auch an der Grimmeschule Konflikte. „Wir haben hier aber keine Gruppenbildung nach Herkunft“, versichert Mörstedt. Daran arbeite die Schule aktiv. Die Schülerschaft mische sich ein und trage das gemeinsame Erziehungskonzept mit. Der „Klassenrat“ tage, wenn es zu Streit oder Regelverstößen kommt. Die Schüler würden Konflikte so strukturiert untereinander lösen. „Uns geht es ja nicht ums Sanktionären, sondern um das Fitmachen für die Zukunft“, so Mörstedt.
Das gilt für alle Schüler, wobei individuelle Situationen im Blick gehalten werden müssen. Handelt es sich um Kinder mit einer Biografie des empfundenen Versagens oder Kriegsflüchtling? „Beides ist ein Trauma“, weiß Bohé. Die Schule will das auffangen und die Schüler zurück auf einen guten Weg bringen. Dazu gehöre auch das Einhalten von Regeln. „Wir begreifen uns als erziehende Schule“, sagt Bohé. Wert werde auf Pünktlichkeit und Disziplin gelegt. Bohé: „So ein Rahmen gibt auch den Schülern Sicherheit“. Der Erfolg des Konzepts hänge auch von einer guten Zusammenarbeit mit den Eltern ab.
Enge Verzahnung in die Berufswelt
Am Ende sollen die Grimmeschüler auch außerhalb des Schulsystems bestehen können - losgelöst von ihrer Herkunft und Biografie. Die Grimmeschule arbeite bei Praktika - Kurz- und Langzeit - eng und erfolgreich mit Betrieben zusammen. Mörstedt spricht von einer „engen Verzahnung in die heimische Berufswelt“. Der hohe Anteil an erreichten Q-Vermerken als Qualifikation für Fachabitur und die gymnasiale Oberstufe widerspreche nicht dem Ziel, die Schüler auch unmittelbar in Ausbildung und Beruf zu bringen.
Nein, Arnsberg ist nicht Neukölln. „Aber das Image-Problem haben wir als Hauptschule trotzdem“, beklagt Bohé. Zumindest stehe nun die Unterstützung aus Politik und Verwaltung. Im Sommer 2026 soll ein Umzug in eine „neue Schule“, in die umgestalteten Räume der ehemaligen Realschule an der Goethestraße, erfolgen können - gut zehn Jahre nach den ersten Ideen dazu. Matthias Mörstedt betont erneut die Bedeutung dieses Schrittes. „Unsere jetzigen Räume entsprechen nicht dem pädagogischen Konzept“, sagt der Schullleiter. Fakt ist: Die Schule ist baulich in einem kaum haltbaren Zustand.
Konzeptionell arbeitet die Schule aber schon jetzt an weiteren Entwicklungen. „Ich würde mir mehr Zeit für Angebote im AG-Bereich, zum Beispiel für Theater wünschen“, sagt Mörstedt. Hierfür brauche es aber mehr Personal. Fest eingeführt werden sollen an der Grimmeschule Methodentage. Fortbildungen absolvieren Lehrkräfte gerade für einen „sprachsensiblen Fachunterricht“ - fachliches und sprachliches Lernen sollen besser miteinander verknüpft werden. Ab dem Schuljahr 2025/26 soll ein Schwerpunkt auf das Themenfeld „Demokratie leben und gestalten“ gesetzt werden. „Da können und wollen wir mehr machen“, sagt Matthias Mörstedt.