Arnsberg. Arnsbergs Bürgermeister spricht im persönlichen Interview über bewegende Momente, Stolz, Erfolg, verfehlte Ziele und Herausforderungen.

Was war rückblickend für Sie als Bürgermeister der Stadt Arnsberg der bewegendste Moment des Jahres 2023?

Ganz besonders bewegt und mitgenommen hat mich der ursprünglich geplante Fassanstich zum bayerischen Abend beim Jägerfest in Neheim. Anstelle eines feucht-fröhlichen Festbeginns waren wir, war ich, unter Schock. Der Tod der Tochter Celine des Jägerkönigspaares Sonja und Ingo hat mich tief berührt und fassungslos zurückgelassen. Es gab aber auch andere Momente: Manchmal melden sich Menschen direkt bei mir mit ihrem Problem. Auch das ist bewegend, weil man merkt, wie schwierig das Leben für manche Menschen in unserer Stadt ist.

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Welche Begegnung in 2023 hat Sie besonders beeindruckt?

Es sind nicht die großen Begegnungen mit wichtigen Personen, sondern vor allem die mit KIndern und Jugendlichen, weil sie ganz besonders positiv auf die Zukunft hinweisen. Die Diskussionen mit der Jugendinitiative „Misch dich ein“ waren Lichtblicke in einem herausfordernden und sonst oft pessimistischen Jahr. Die Ideen und Ansätze machen Mut. Man merkt aber auch, dass bei den Jugendlichen volles Pfund durchschlägt, in was für einer Welt wir leben.

Auf welches Ergebnis Ihrer Arbeit als Bürgermeister in 2023 sind Sie in besonderem Maße stolz?

Dazu zählen auf jeden Fall die Erfolge im Bereich der Kindertagesbetreuung . Vor vier Jahren haben wir festgestellt, dass 500 Betreuungsplätze in der Stadt fehlen. Von da an hatte das Thema Priorität. Wir haben diese Plätze schaffen können, die Elternbeiträge im U3-Bereich senken können und starten weitere Kita-Neubauprojekte in Holzen., Oeventrop und Bachum. Das hat viele Körner gekostet, in der Umsetzung aber hervorragend geklappt. Es geht dabei um Kinder und deren Familien, die so ihr Leben gestalten und ihrem Job nachgehen können. Stolz bin ich auch darauf, dass wir jetzt innerhalb von drei Jahren drei neue Lehrschwimmbecken und Bäder in der Stadt bauen können. Ich freue mich, dass wir zusammen diese Lösung gefunden haben.

Welches Ziel haben Sie nicht erreicht?

Verwaltungsabläufe, Genehmigungen und Abstimmungen müssen generell in Deutschland schneller werden - und da müssen auch wir besser und flexibler werden. Es braucht noch mehr Servicegedanken. Oft sind uns bei Fördermaßnahmen oder durch Landes- oder Bundesvorgaben die Hände gebunden. Was wir aber selber in der Hand haben, müssen wir optimieren und verschlanken. Wir brauchen einen Entbürokratisierungspakt.

Welches Thema bereitet Ihnen mit Blick auf 2024 besonderes Kopfzerbrechen?

Ganz aktuell ist es der Cyberangriff. Ich habe die Sorge, dass wir in unserer IT-Sicherheit immer wieder gefährdet sein werden. Außerdem mache ich mir Gedanken zur Entwicklung der Fluchtbewegungen. Wir wissen nicht, was auf uns zukommt und werden aus humanitärer Verpflichtung flexibel reagieren müssen. Unsere Kapazitäten sind fast ausgereizt. Das bereitet uns viel Arbeit und muss uns an andere Lösungen denken lassen wie Standortreaktivierungen für die Unterbringung. Das geht aber zunehmend mit gesellschaftlichen Verwerfungen einher. Arnsberg darf nicht verlieren, sich weiter offen und positiv geflüchteten Menschen zuzuwenden. Es gilt, rechtsradikalen und auch wieder antisemitischen Entwicklungen entgegenzuwirken.

Hätten Sie sich ein Jahr 2023 mit all seinen Herausforderungen beim Amtsantritt 2018 so vorstellen können?

Das Visionäre bei Amtseinführung ist aufgrund all der Krisen etwas unter der Grasnarbe gelaufen. In meinem 100- und 1000-Tage-Plan war nichts oder nur wenig von Kriegen, Flüchtlingsbewegungen, Energiekrisen mit Black-out-Konzepten und Extremwetterereignissen die Rede. Trotzdem konnten ja Ziele erreicht werden wie die Neuaufstellung in Sachen Gewerbeflächen, die Durchführung von Bürgerbeteiligungsformaten und der Umbau der Verwaltung.

Was werden die größten Herausforderungen für 2024?

Die vergangenen Jahre haben mich gelehrt, dass die wirklich großen Herausforderungen selten oder gar nicht vorher zu sehen sind. Nach Corona, Hochwasser, Kriegen und Cyberattacke hoffe ich, dass wir in Arnsberg mal aus dem Dauerkrisenmodus herauskommen. Wir haben die Krisen allerdings gut bewältigt und können jetzt auf Strukturen zurückgreifen. Eine Herausforderung wird die Haushaltslage sein. Wir hatten uns seit 2018 stückweise aus der Haushaltssicherung herausgearbeitet. Jetzt kommt wieder alles anders. Es ist ein Horrorszenario, dass wir nun bei gestiegenen Herausforderungen wieder an die Haushaltssanierung denken müssen.

Fürchten Sie, dass schon in 2024 der Wahlkampf losgeht und bereiten auch Sie eine Bürgermeisterkandidatur in 2025 vor?

Ich bin bis Oktober 2025 zum Bürgermeister der Stadt Arnsberg gewählt und werde bis dahin meine Aufgabe unbeirrt fortführen. Das erwarten die Menschen auch von mir - und kein Wahlkampfgeplänkel. Es gibt große Aufgaben, die meine volle Konzentration erfordern. Erst ab Mai 2025 stellt sich für mich die Frage nach einer Kandidatur und Wahlkampf.

CDU-Stadtverbandsvorsitzender Marcel Kaiser gab Ihnen kürzlich bei einer Parteiveranstaltung eine wenig prickelnde Schulnote für Ihre Arbeit. Wie würden Sie sich denn selbst bewerten?

Solche Aussagen gehören ein Stück weit zur lokalpolitischen Prosa in Richtung eigener Wählerschaft, dafür habe ich ein gewisses Verständnis. Viele öffentliche Aussagen sind aber auch nicht immer richtig oder gar falsch. Ich verstehe Forderungen nach schnellerem Abarbeiten von Baumaßnahmen, möchte aber betonen, dass wir von 2018 bis 2022 mehr als doppelt so viele Maßnahmen in der Planung hatten als es von 2013 bis 2017 der Fall gewesen ist. Trotz schwerer Rahmenbedingungen haben wir so ein Drittel mehr als in den fünf Jahren zuvor verbaut. Und das alles unter riesiger Last. Ich finde, dass das eine durchaus beachtliche Leistung ist, die nur dank meines Teams in der Stadtverwaltung möglich war.

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Was macht Mut für 2024?

Mut macht mir die Erkenntnis, dass der Zusammenhalt in der Stadt auch in schwierigen Zeiten noch sehr groß ist. Da haben wir eine Struktur, die es so in anderen Landesteilen nicht gibt. Die Bereitschaft zum Engagement und Gemeinsinn ist überdurchschnittlich hoch und auch mein Team in der Stadtverwaltung ist bereit mehr zu leisten als man gemeinhin vom öffentlichen Dienst erwartet.