Sundern. Dienstwaffe, Taser oder Pfefferspray? Wann darf ein Polizist oder eine Polizistin sich wehren? Und wie? Das sagen Einsatztrainer.

Im Zuge unserer Serie „Was uns Angst macht“ sprach diese Redaktion mit dem Sunderner Polizisten Stanislaus Balzer. Hat er als Polizist Angst oder Sorge vor dem Gebrauch seiner Dienstwaffe? Wie geht er mit der Situation um, wenn er sie nutzen muss?

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Wie die Polizei als Behörde damit umgeht und wie die einzelnen Polizisten und Polizistinnen auf den „schlimmsten Fall“ vorbereitet werden, erklären die Einsatztrainer und Einsatztrainerinnen der Fortbildungsstelle, die aus dienstlichen Gründen nicht namentlich genannt werden möchten.

Wie werden Polizistinnen und Polizisten auf den „schlimmsten Fall“, von der Schusswaffe Gebrauch zu machen, trainiert?

Vom ersten Tag des dualen Studiums an werden Polizistinnen und Polizisten sowohl rechtlich als auch praktisch im Umgang mit ihrer Waffe geschult. Das Studium ist in drei Teile gegliedert: die Theorie, das Training und die Praxis. Das Training findet in speziellen Ausbildungsstätten statt. Hier lernen die Anwärter und Anwärterinnen in Übungssequenzen mit Einsatzszenarien, welche die Realität so nah wie möglich widerspiegeln sollen, umzugehen. Hier findet auch das Schießtraining statt. Im dritten Teil, dem Praktikum in Polizeidienststellen, dürfen die Anwärterinnen und Anwärter ihre Waffe bereits im öffentlichen Raum führen. Nach erfolgreichem Bestehen des Studiums werden sie weiterhin regelmäßig durch die örtlichen Fortbilder trainiert


Welche Präventions- oder Deeskalationstrainings werden geboten?

Auch nach dem Studium trainieren Polizisten und Polizistinnen regelmäßig Gefahren- und Eskalationssituationen. Dabei müssen sie lebensnahe Sachverhalte in sogenannten „Lagetrainings“ lösen. Hierbei werden auch deeskalierende Einschreit- und Kommunikationsmethoden trainiert. Sofern die rechtlichen Voraussetzungen für den Gebrauch der Schusswaffe vorliegen, wird unter Androhung des möglichen Schusswaffengebrauchs nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehandelt. Wenn möglich, unter Einhaltung der Eigensicherung, versucht man das Gegenüber kommunikativ zur Aufgabe zu bewegen. Führt dies bei einer akuten Gefahr für Leib und Leben eines Opfers oder für die Beamten selbst nicht zum Erfolg, kommt als letztes Mittel auch der Schusswaffeneinsatz in Betracht.

Welche Richtlinien/Gesetze sind dabei zu beachten?

Es sind die Vorschriften des Polizeigesetzes NRW zu beachten. Bezogen auf den Schusswaffengebrauch handelt es sich um die rechtlichen Regelungen zur Anwendung von polizeilichen Zwangsmaßnahmen mittels Schusswaffen. Demnach dürfen Polizistinnen und Polizisten die Schusswaffe dann gegen Personen einsetzen, wenn der Schusswaffengebrauch das einzige geeignete Mittel zur Abwehr einer gegenwärtigen Lebensgefahr oder der Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der körperlichen Unversehrtheit ist. Liegt beispielsweise ein Angriff mit einem Messer vor, müssen die sie oftmals innerhalb von Sekundenbruchteilen entscheiden, welches Zwangsmittel sie zur Abwehr dieser akuten Gefahr einsetzen. Innerhalb einer Sekunde kann jedoch ein hochgefährlicher Angreifer einige Meter laufen und mehrfach tödlich wirkende Stiche gegen mögliche Opfer oder die Beamten ausführen. Bei einem Messerangriff sind daher andere polizeiliche Zwangsmaßnahmen, wie zum Beispiel der Einsatz von Pfefferspray oder des sogenannten Tasers, im Regelfall nicht Erfolg versprechend, weil diese Mittel viel zu unpräzise und nicht hinreichend sicher wirken, um einen hochgefährlichen Angreifer unmittelbar zu stoppen. Der Einsatz der Schusswaffe ist in diesen Fällen grundsätzlich alternativlos.

Welche Gedanken schießen einem Polizisten/einer Polizistin (nach Ihrer Erfahrung) durch den Kopf, wenn er/sie kurz vor einem Schuss steht?

Das ist persönlich, individuell, dazu können wir keine allgemeingültige Antwort geben. Aber es handelt sich ganz sicher um eine Einsatzsituation, die sich kein Polizeibeamter wünscht.

Wenn es dann doch passiert: Wie wird weiter verfahren? Meines Wissens erfolgt dann immer auch eine Prüfung, ob das rechtens war, richtig?

Nach einem Schusswaffengebrauch durch Polizeibeamte übernimmt eine andere Polizeibehörde die Ermittlungen in dem Fall. Damit soll eine unabhängige Aufklärung gewährleistet werden. Es wird meistens ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet. Wie in jedem anderen Ermittlungsverfahren auch, wird die Situation aufbereitet und die Rechtmäßigkeit des Schusswaffengebrauches- letztlich durch die Justiz- geprüft.

Liegt beispielsweise ein Angriff mit einem Messer vor, müssen die sie oftmals innerhalb von Sekundenbruchteilen entscheiden, welches Zwangsmittel sie zur Abwehr dieser akuten Gefahr einsetzen.
Einsatztrainer der Fortbildungsstelle

Welche Unterstützung erhalten sie durch die Polizei?

Innerhalb der Polizei gibt es verschiedene Betreuungsangebote. Die Polizei hat ein eigenes PSU-Team (PSU= Psychosoziale Unterstützung), das nach herausragenden und besonders belastenden Einsatzsituationen, wie einem Schusswaffengebrauch gegen Menschen, zur Betreuung der Beamten eingesetzt werden kann. Zusätzlich gibt es in jeder Polizeibehörde „soziale Ansprechpartner“, die bei der Bewältigung von Problemen im dienstlichen aber auch im privaten Bereich unterstützen können

Nachdem der Schuss gefallen ist, wird ein*e Polizist*in auch Ersthelfer*in. Wie geht man vor Ort damit um?

Nach dem Gesetz sind die Polizeibeamten nach Zwangsanwendungen mit körperlichen Folgen für den Betroffenen grundsätzlich verpflichtet, Erste Hilfe zu leisten, sofern die Umstände dies zulassen. Solange von einem Angreifer weiterhin eine Gefahr ausgeht, dürfte eine Hilfeleistung zunächst nicht möglich sein. Zudem muss der Polizeibeamte nach erfolgtem Schusswaffengebrauch gegen Menschen beurteilen, ob er sich physisch und psychisch in der überhaupt Lage sieht, der verletzten Person zu helfen oder ob er selbst aufgrund der hohen psychischen Belastung der Betreuung bedarf. Alle Polizeibeamten sind generell durch „Erste Hilfe“- Beschulungen mit notwendigen lebensrettenden Erstmaßnahmen vertraut. Darüber hinaus gehenden Kenntnisse erfordern das Hinzuziehen von Rettungskräften.

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