Hüsten. Zurück in Hüsten: Sandra Murray war 20 Jahre in England - wie sie mit 23 ganz ohne Handy auswanderte und warum sie heute wieder in Arnsberg ist.
- Sandra Murray: In Hüsten geboren, nach England ausgewandert und zurückgekommen
- Schwerer Abschied auf Zeit von der Familie im Alter von 23 Jahren
- Murrays Eindruck von Großbritannien: sehr positiv
Das Abitur bestehen, eine kaufmännische Ausbildung abschließen, die ersten beruflichen Erfahrungen sammeln - und dann von der Neugierde getrieben in aufbruchsbereiter Abenteuerlust nach England ziehen. Die in Hüsten geborene Sandra Murray hat genau diese Erfahrungen gemacht. Im Alter von 23 Jahren verließ sie die Kälberstadt und arbeitete und lebte die folgenden 20 Jahre in zahlreichen Teilen Großbritanniens. Ihre Auswanderung war allerdings alles andere als von langer Hand geplant. Im Gespräch verrät Sandra, was sie auf der Insel erlebt hat, welche Eindrücke sie dort gewinnen konnte und wie sie nach ihrer Heimkehr noch immer einen Fuß in England behält.
„1998 wurde mein damaliger Mann, der in Paderborn als Soldat stationiert war, zurück nach England versetzt“, erklärt Sandra den Impuls, der sie nach Großbritannien brachte, „Und ich war sehr neugierig und wollte unbedingt mitkommen. Anfänglich habe ich meine Heimat dann aber noch sehr vermisst.“
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Auswandern: Ohne Handys, Billigflüge und Freunde
In einer Zeit ohne Handys, ohne Billigflüge, mit denen man für kleines Geld Freunde und Familie am Wochenende besuchen kann, war die Entscheidung auszuwandern keine Kleinigkeit. Die Hüstenerin gab spontan ihr gesamtes sozialen Umfeld auf. Dementsprechend waren auch die Reaktionen von Sandras Familie sehr emotional, als sie sich für die Auswanderung entschied. „Ich habe aber zum Glück schnell einen Job gefunden und habe mich in Vereinen eingebracht. In England ist das lockerer, da spielen die typischen Abschlusszertifikate wie beispielsweise der Bachelor oder Master keine große Rolle. Ich konnte mich initiativ bewerben, und dann einfach arbeiten.“
Wenn man aktiv wird, offen an die Sachen herangeht und vor allem keine Angst hat, kann man sich sehr schnell in England integrieren. „Die Menschen sind dort so herzlich“, schwärmt Sandra retrospektiv. Schwierigkeiten habe es für sie zunächst nur beim Erlernen der infrastrukturellen Organisationen gegeben: „Ich hatte überhaupt keine Hilfe am Anfang, das hat es mir erschwert. Die gesamten sozialen Selbstverständlichkeiten, zum Beispiel Verantwortung und Aufbau von Ämtern oder Kassen, musste ich noch einmal neu lernen.“ Auch sprachlich hat Sandra etwas Eingewöhnungszeit benötigt. Die ersten Male im Supermarkt besuchte sie diesen noch mit Wörterbuch in der Hand.
Nach einer kurzen Zeit in der Nähe der zentral in England gelegenen Stadt Bath zog Sandra unter anderem nach London, Yorkshire, Nordirland, Devon und letztendlich in die Nähe Newcastles im englischen Norden. In dieser Zeit arbeitete die Kauffrau auch für die verschiedensten Firmen und Unternehmen, unter anderem für eine Tochtergesellschaft von Thyssenkrupp und die Bank Barclays. In allen Ecken Großbritanniens ist die geborene Hüstenerin allerdings auf die gleiche Konstante getroffen: „Die Menschen in England sind super entspannt und humorvoll. Sie nehmen sich selber überhaupt nicht ernst. Mein ehemaliger Nachbar Brian ist mit seinen 80 Jahren noch so cool. Ich hoffe, so werde ich auch“, berichtet Sandra und fügt hinzu: „Gemeinschaft wird in Großbritannien super vital gelebt, besonders in den Pubs. Das Leben dort ist nie langweilig - aber manchmal auch herausfordernd.“
Brexit war ausschlaggebend für die Heimkehr
Die staatlichen Behörden und Systeme Englands seien nicht mit den deutschen zu vergleichen: „Wer seinen Job verliert, steckt in großen Schwierigkeiten, selbiges gilt für Krankheitsfälle. Das englische Gesundheitssystem ist überfordert.“ Was Sandra in jungen Jahren nicht gestört hat, wurde mit der Zeit zu einem wichtigeren Faktor ihrer Wohnortswahl, und auch ihr neuer Mann Andrew, der für eine belgische Firma arbeitet, die auch viel in Deutschland agiert, spielte mit dem Gedanken an einen Umzug nach Deutschland. „Ich hätte erst nicht gedacht, dass ich jemals zurück nach Hüsten komme, aber Andrew wollte unbedingt nach Deutschland ziehen. Der Brexit war dann ausschlaggebend für unsere Entscheidung.“
Während Sandra sich die Region rund um Frankfurt mit dem lokalen Flughafen und der damit verbundenen immer nach England offenstehenden Tür ausgeguckt hatte, war für ihren Mann Andrew klar, „dass er unbedingt in eine typische Bierregion ziehen wollte. Und so bin ich dann doch zurück in meiner neuen, alten Heimat gelandet.“
Seit sechs Jahren wieder in Hüsten
Seit 2017 wohnen Sandra und ihr Mann nun wieder in der Kälberstadt, und sind über diese Entscheidung auch zufrieden. So ganz ohne die englische Zweitheimat geht es dann aber nicht. „Ich stehe noch mit einem Fuß auf der Insel“, betont Sandra und verweist auf ihr eigenes Unternehmen, das erfolgreich Chutneys - dabei handelt es sich um pikante, englische Marmeladen - vertreibt. „Der Betrieb ,The Cherry Tree‘ ist eine kleine, englische Chutneyproduktionsstätte, in der jeder Schritt noch per Handarbeit erledigt wird“, erklärt Sandra, „Und ich verkaufe hier in Deutschland eben diese Chutneys, zum Beispiel auf dem Hüstener Käsemarkt, auf dem Design Gipfel in Dortmund oder dem Voßwinkler Weihnachtsmarkt.“
Ihr Ziel dabei ist klar: „Als ich noch in England gelebt habe, haben mich Freunde und Verwandte immer gefragt, ob ich nicht Chutneys mitbringen könnte- die machen wirklich süchtig. Gute Chutneys tanzen auf der Zunge in den Farben Bollywoods! Wenn ich meinen Freunden und der Familie immer welche mitbringen sollte, wieso dann nicht gleich allen Menschen?“ Unterstützt von ihrem hauptberuflichen Arbeitgeber, der Volksbank, bringt Sandra daher seit einigen Jahren ihre Chutneys auch in Deutschland an den Mann, und trägt so ein gutes Stück England in die deutsche Heimat.
Wer interessiert ist, Sandras Chutney zu probieren, kann sich auf der Webseite the-cherry-tree.de weiter informieren.