Arnsberg. Verzwickte Lage um die Arnsberger Lehrschwimmbecken: Perspektiven, Probleme, Hoffnungen und Leidtragende. So ist die Lage um die Wasserflächen.

Drastischer kann ein Hilferuf wohl kaum formuliert werden. „Arnsberg wird eine Stadt der Nichtschwimmer“, warnt Holger Haupt, Vorsitzender des Schwimmvereins SV Neptun Neheim-Hüsten, mit Blick auf das Dilemma um die Lehrschwimmbecken der Stadt. Das Gesundheitsamt kündigte an, die Lehrschwimmbecken in Voßwinkel und an der Sauerschule in Arnsberg zum 1. Oktober 2023 stillzulegen. Bei der beantragten Bundesförderung der Sanierungen des seit Jahren geschlossenen Bades in Herdringen und des Voßwinkeler Beckens ging Voßwinkel leer aus. Mit der Fertigstellung in Herdringen ist frühestens 2026 zu rechnen.

So sieht der Förderbescheid des Bundes für Herdringen aus>>>

Was droht in Voßwinkel?

Das 1973 gebaute Bad in Voßwinkel hat vom Gesundheitsamt nur noch eine befristete Betriebserlaubnis bis zum 1. Oktober 2023. „Einem weiteren Betrieb wird nicht zugestimmt“, sagt die Stadt. Alter, schlechte Bausubstanz und defekter Hubboden und auch hygienische Mängel sind die Gründe. Instandsetzungen und Mängelbehebungen zum Erhalt des Bades waren am Ende nicht mehr als Flickschusterei. Jetzt gibt es, so teilte die Stadt bereits der Politik mit, „keine Chance auf kurzfristige Reparaturen“. Die Stilllegung scheint unausweichlich.

Darum erhöht das Freizeitbad Nass die Preise>>>

Was droht an Sauerstraße?

Auch an der Sauerstraße gilt die Betriebserlaubnis durch das Gesundheitsamt nur bis zum 1. Oktober 2023. Bei dem 1974 gebauten Bad soll aber noch versucht werden, den Hubboden zu reparieren. Nur wenn das gelingt, gibt es Chancen auf eine Verlängerung der Betriebserlaubnis durch das Gesundheitsamt.

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Hoffnung geweckt

Dabei hatte zunächst doch ein Ratsbeschluss der schwarz-grünen Mehrheit bei den Vereinen und Schulen Hoffnungen geweckt, als die Ratsmehrheit forderte, dass Herdringen und Voßwinkel schnell saniert und perspektivisch ein 25-Meter-Becken in Arnsberg gebaut werden solle. Die Stadtverwaltung hatte einen Neubau eines dezentralen Lehrschwimmbeckens am Berliner Platz in Hüsten favorisiert, sich aber nicht durchsetzen können. Seitdem gibt es gegenseitige Schuldzuweisungen, wer nun was verzögert oder auch erreicht hat.

Das kommentierte die WP nach dem Ratsbeschluss>>>

Der Förderantrag

Gemäß des Ratsbeschlusses hatte sich die Stadt um Bundesmittel aus einem Förderprogramm für die Sanierung der Lehrschwimmbecken in Herdringen und Voßwinkel bemüht. Eingereicht wurde das Projekt Herdringen mit Kosten von 15 Millionen und einem Fördermittelbedarf von 6,7 Mio. Euro und das Projekt Voßwinkel mit Projektausgaben in Höhe von 13,8 Mio. Euro und einem Fördermittelbedarf in Höhe von 6,2 Mio. Euro. Im Dezember gab es aus dem stark überzeichneten Förderprogramm am Ende eine Förderung allein für das Herdringer Projekt in Höhe von 6 Millionen Euro.

Die Finanzierung

Während CDU und Grüne die Förderungen als einen ersten Schritt zu den von ihnen geforderten Sanierungen feierten, drückt die Verwaltung mit Blick auf die Finanzierung auf die Euphoriebremse. Hintergrund: Im gesamten Haushalt stehen Mittel in Höhe von 15,3 Mio. Euro für alle Lehrschwimmbecken der Stadt bei einer angenommenen Förderung in Höhe von 8 Millionen Euro. „Entsprechend des Ratsbeschlusses müssten nun alle bereitgestellten Mittel für die Sanierung in Herdringen ausgegeben werden“, teilt die Stadt auf Nachfrage mit. Zusätzlich müssten 1,7 Millionen Euro durch den Rat freigegeben werden. In Zeiten einer neuen Finanz- und Haushaltskrise dürfte das politisch noch einiges an Streitpotenzial über die nun richtige Vorgehensweise beinhalten.

In Herdringen wird seit mehr als zwei Jahren nicht mehr geschwommen.
In Herdringen wird seit mehr als zwei Jahren nicht mehr geschwommen. © privat

Pläne für Herdringen

Aufgrund der massiven Mängel und des technisch wie baulichen Sanierungsbedarfes in Herdringen soll das Lehrschwimmbecken bis auf den Rohbau zurückgebaut und komplett erneuert werden. Eine große Herausforderung wird die Herstellung der Barrierefreiheit sein. Die Gebäudehülle soll energetisch saniert, die Innenbereich auch technisch komplett erneuert werden. Die technische Gebäudeausrüstung soll den Verzicht auf fossile Brennstoffe berücksichtigen. Die Ausführung der Maßnahme wurde im Förderantrag auf den Zeitraum Ende 2024 bis Frühjahr 2027 festgelegt. Der Politik wurde mitgeteilt, dass nicht vor 2026 mit einer Fertigstellung zu rechnen sei.

Pläne für Voßwinkel

Die Planungen für Voßwinkel (ebenfalls Rückbau bis zum Rohbaustatus) liegen ohne Fördermittel vorerst auf Eis. Allerdings wurde die Auflage einer neuer Förderrunde aus dem Bundesprogramm angekündigt. Ob das dann noch greift, bleibt aber abzuwarten.

Wasserflächen

In Arnsberg gab es mit den drei funktionsfähigen Lehrschwimmbecken für Vereine und Schulen mit zusammen 400 Quadratmeter Wasserfläche - neben der Nutzung des Freizeitbades Nass - ausreichend Kapazitäten. Doch schon die beiden verbliebenen Lehrschwimmbecken an der Sauerstraße und in Voßwinkel reichten, so die Stadt, „in keiner Weise aus“.

Ziel der Stadt sei es grundsätzlich gewesen, die ursprüngliche vorhandene Schwimmfläche für Schulen und Vereine bereitzustellen, wie es auch der Masterplan Sport gefordert hat. Darauf sei auch die Überlegung eines zentralen Standortes am Berliner Platz abgestimmt gewesen. Die Ratsmehrheit wählte dafür einen anderen Weg.

Die Leidtragenden

„Eine Schließung der verbliebenen Lehrschwimmbecken würde den Schwimmunterricht der Grundschulen als auch das Vereinsschwimmen in einem hohen Maße beeinträchtigen“, weiß die Stadtverwaltung und teilt das auch offen gegenüber der Politik mit. Die Stadt Arnsberg als Schulträger ist verpflichtet, den Schwimmunterricht in Grundschule und Sekundarstufe I sicher zu stellen. Eine Pflicht eines Schwimmbadbaus ist daraus nicht abzuleiten. In der Pflicht ist die Stadt aber, Lösungen für den Schwimmunterricht zu finden.

Leidtragender ist aber auch ganz stark der Vereinssport: Den Schwimmvereinen droht durch Wegfall von Wasserflächen und damit verbunden auch von Schwimmausbildungsangeboten ein massiver Mitgliederrückgang. Dieser lag zuletzt bei den Arnsberger Vereinen SV Neptun, SV Aegir und der Schwimmabteilung des TuS Oeventrop mit 17,1 Prozent zwischen 2020 und 2022 über dem coronabedingten Landesniveau.

Lösungsideen und Alternativen

Verschiedene Alternativen zum Gewinn von Wasserflächen wurden von der Verwaltung bereits geprüft. In den Nachbarkommunen können demnach keine Wasserflächen für Arnsberger Schulen und Vereine bereitgestellt werden. Sondierungen mit der Sportschule Hachen blieben erfolglos, auch das Therapiebecken der Sauerlandklinik Hachen steht nicht mehr zur Verfügung. Im Gespräch ist die Stadt mit dem Hotel Dorint in Neheim, wobei hier organisatorisch aufgrund Hotelbedarfe viel zu klären wäre.

Wie kann das Nass helfen?

Weiterführende Schulen nutzen das Nass bereits. Es wird nun geprüft, inwiefern auch Grundschulen das Nass nutzen könnten (wobei für Schulunterricht eine Wassertiefe von 1,35 Meter nicht überschritten werden darf/Nichtschwimmer 90 Zentimeter). Problem ist nach Angaben der Stadt, dass Gruppenumkleiden schon jetzt ausgelastet seien. Zudem würde es Einschränkungen für den Rehasport und andere Gästegruppen des Nass geben.

Wie können Vereine helfen?

Ausfallenden Schwimmunterricht in Schulen können außerhalb der Lehrschwimmbecken nur Vereine kompensieren, da diese Nichtschwimmer auch in Becken mit größerer Wassertiefe unterrichten dürfen. Über den Stadtsportverband könnten Kurse organisiert werden (z.B. in Ferien oder in Abstimmung mit Unterrichtszeiten). „Ohne die Vereine und den Stadtsportverband ist derzeit keine sinnvolle Lösung für den Schwimmunterricht der Kinder denkbar“, weiß auch die Stadtverwaltung. Am Ende braucht es aber auch hierfür ausreichend Wasserflächen, Übungsleiterinnen und Übungsleiter und engagierte Mitglieder.