Arnsberg. In der Redaktion diskutieren Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft über das Projekt „46sieben“
Die Diskussion über einen möglichen Lückenschluss der A46 zwischen Hemer und Neheim ist in den vergangenen Tagen noch einmal aufgeflammt. Das liegt nicht zuletzt daran, dass am Donnerstag der Rat der Stadt Arnsberg darüber abstimmen lassen möchte, ob man sich öffentlich gegen eine weitere Planung des Autobahnprojekts ausspricht oder ob man die weitere Verkehrsplanung ergebnisoffen betrachtet.
In dieser Woche waren Vertreterinnen und Vertreter der großen Parteien, die im Arnsberger Stadtrat sitzen, sowie aus der Wirtschaft und dem Verkehrswesen zu Gast in unseren Redaktionsräumen in Neheim. In einer gut einstündigen Diskussionsrunde, die von Redaktionsleiter Martin Haselhorst moderiert wurde, tauschten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Argumente für und gegen das Verkehrsprojekt aus. Die angeregte Diskussion blieb dabei stets fair. Es wurde untereinander ein respektvoller Umgang gepflegt, auch wenn man bisweilen in der Sache unterschiedlicher Meinung war.
FDP und IHK befürworten den Lückenschluss
Reinhard Pennekamp, Vorsitzender des FDP-Ortsverbands Arnsberg, machte früh seinen Standpunkt in der Debatte deutlich: „Wir sind als FDP für Lückenschlüsse und wollen, dass man moderne, zügige Verkehrswege findet!“
Auf der Seite der Befürworter eines solchen Autobahnprojekts befindet sich auch Thomas Frye von der IHK Arnsberg Hellweg-Sauerland. Der Geschäftsbereichsleiter Standortpolitik, Innovation und Umwelt misst einem Lückenschluss zwischen Neheim und Hemer eine große Bedeutung bei. „Ein solches Projekt ist für fast alle Wirtschaftszweige hier in der Region wichtig. Neheim hat sich in den letzten Jahren zu einem attraktiven Einzelhandelsstandort entwickelt, weil man einen Autobahnanschluss hat und die Innenstadt entwickeln konnte. Für die Logistik und die Lieferketten sind solche Verkehrswege wichtig, weil der Hochsauerlandkreis und der Märkische Kreis miteinander verbunden werden.“
Verkehrsexperte mit Gegenargumenten
Verkehrsexperte Dr. Johannes Weyer warnt davor, „sich einseitig abhängig zu machen von einer Verkehrsform.“ Der Seniorprofessor für Nachhaltige Mobilität an der Technischen Universität Dortmund prognostiziert, dass sich Verkehrsflüsse in Zukunft verschieben werden. „Ich fürchte, dass die A46 künftig nach einem Lückenschluss für Fahrten zwischen Nord- und Süddeutschland attraktiver wird. Die Autobahn wird dadurch insgesamt voller mit Autos und Lkws und die ohnehin schon geringe Zeitersparnis fällt dann weg.“
Seine Erfahrung zeigt ihm, dass möglichst viele Menschen möglichst schnell vorankommen wollen und dann kalkulieren, was für einen Zeitgewinn die Autobahn überhaupt bringe. Dr. Weyer hatte durch Berechnungen herausgefunden, dass der teure Autobahnbau selbst im Idealfall lediglich einige wenige Minuten Zeitersparnis ermögliche, aber auch nur, wenn das Verkehrsaufkommen nicht weiter steige. Doch davon geht der Verkehrsexperte aus. „Der Lückenschluss ist ein Schritt in die Vergangenheit, nicht in die Zukunft!“
Grüne positionieren sich klar gegen Lückenschluss
Eine entschiedene Gegnerin des Projekts „46sieben“ ist Verena Verspohl von den Arnsberger Grünen. Die Fraktionssprecherin hatte bereits frühzeitig deutlich gemacht, dass ihre Fraktion von der Planung nichts halte und sich öffentlich gegen den Bau des Autobahnabschnitts ausgesprochen. „Wir sprechen über ein Projekt, dass einen langen Planungs- und Umsetzungszeitraum benötigt. Wenn der Lückenschluss fertig ist, hat sich die allgemeine Verkehrssituation geändert. Nicht nur, dass das Gebiet, über das die Autobahn dann geführt wird, durch die Motoren belastet wird. Ich sehe auch ein großes Problem bei der Versiegelung der Flächen.“ Bereits der Bundesverkehrswegeplan sei zum Entschluss gekommen, dass sich das Projekt in einem Konfliktraum befinde.
SPD ohne Fraktionseinigkeit
Während die Grünen geschlossen für die Verwaltungsvorlage und damit gegen die weitere Planung von „46sieben“ stimmen möchten, ist die Situation Im Lager von CDU und SPD deutlich komplexer. Dort herrscht für die Abstimmung am Donnerstagabend kein Fraktionszwang, weil es in beiden Fraktionen Befürworter und Gegner des Projekts gibt. Grundsätzlich tendiert die SPD-Fraktion gegen den Lückenschluss, die CDU begrüßt ihn. Doch beide wollen die parteiinternen Gegenpositionen nicht ausblenden.
„Wenn es so einfach wäre, hier eine Lösung zu finden, mit der alle zufrieden sind, hätten wir die Lücke längst geschlossen. Irgendjemanden werden wir auf die Füße treten, wenn wir das Projekt durchziehen. Außerdem ist es ein Projekt, dass wohl deutlich jenseits von 2050 realisiert wird, wenn man es beschließen sollte“, erklärt Tim Breuner von der SPD Arnsberg. Der Vorsitzende der Sozialdemokraten möchte einen fairen Umgang mit der Situation, auch im Hinblick auf die anderen Orte, die von dem Autobahnprojekt betroffen sein könnten – denn noch ist die Trassenführung nicht geklärt.
„Ich kann nicht zur Entlastung des einen, andere mehr belasten. Außerdem bin ich mir sicher, dass wir 2030 über eine andere Art von Mobilität sprechen.“ Sowohl der nördliche Korridor als auch der südliche Korridor machen aus Sicht von Tim Breuner keinen Sinn für Arnsberg. „Bei allem Respekt vor der Wirtschaft, die Mobilitätswende und das Thema Nachhaltigkeit sind wichtiger geworden.“ Für ihn sei es wichtig, dass die Stadt sich jetzt klar positioniere, auf welcher Seite man bei diesem Autobahnprojekt künftig stehe. Doch eine Einigkeit in dieser Frage innerhalb der SPD-Fraktion ist bislang nicht zu sehen.
Die CDU hat lange mit der Entscheidungsfindung gerungen
Mit ähnlichen Problemen hat auch die CDU im Arnsberger Stadtrat zu kämpfen. Das sieht auch Fraktionsvorsitzender Jochem Hunecke so: „Es gibt in den einzelnen Ortsteilen gewisse Erwartungshaltungen bezüglich des Projekts. Wir haben daher mit uns gerungen, ob wir das am 8. Dezember überhaupt beraten lassen wollen. Man kann herleiten, dass ein Ablehnen der Verwaltungsvorlage einem Befürworten der Autobahn gleichkommt. Das sehe ich allerdings so deutlich nicht.“
Er könne auch derzeit nicht einschätzen, wie das Ergebnis der Abstimmung lauten werde. Aus Huneckes persönlicher Sicht könnte die Umfahrung von Voßwinkel mit dem Anschluss an Haus Füchten über ein Brückenbauwerk eine vernünftige Lösung sein. Er habe aber auch gehört, dass der Bau der nördlichen Trasse erheblich teurer sein soll. Hunecke mahnt bei der Debatte auch das große Ganze nicht aus den Augen zu verlieren, auch im Hinblick auf die Mobilitätswende. „Es gibt bei uns im Sauerland zu bestimmten Zeiten und in bestimmten Bereichen keinen ÖPNV. Man muss das Leben und Arbeiten unter einen Hut kriegen.“
Auswirkungen und Alternativen
Dass der Autobahnbau, ganz gleich über welche Trasse, eine kurzfristige Auswirkung auf die heimische Wirtschaft hat, glaubt Thomas Frye von der IHK nicht. Aus seiner Sicht müsse man das Projekt jedoch anders bewerten.
„Der Blick auf die gesamte Region und die Bedeutung für Gesamtdeutschland ist wichtig. Die Strecke kann für die Logistik auch als Bypass für andere Strecken fungieren.“ Deshalb wünscht sich Frye auch eine Transparenz des Verfahrens und dass man die grundlegende Entscheidung, ob ein solches Projekt Sinn macht, erst dann trifft, wenn alle Fakten zu Kosten und Trassenführung auf dem Tisch liegen.
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Verkehrsexperte Dr. Johannes Weyer sieht in einer Ablehnung des Autobahnprojekts die Chance, eine Vorzeigeregion zu werden. „Es wird künftig mehr Richtung Schiene gehen müssen. Wir sollten uns in der Entwicklung der Verkehrswege an den der Wissenschaft orientieren und den Klimaschutz sowie die Nachhaltigkeit in den Vordergrund stellen.“
Verena Verspohl von den Arnsberger Grünen macht zum Schluss der lebhaften Debatte noch einmal deutlich: „Wir können uns als Stadt am Donnerstag klar positionieren und mitentscheiden, ob solch ein Projekt überhaupt zustande kommt.“ Und ihr Kollege Tim Breuner aus dem SPD-Lager hofft, dass die Entscheider mit Respekt und Rücksicht auf das Votum aus Arnsberg reagieren, ganz gleich, wie es ausfallen wird.