Neheim. Der ambulante Hospizdienst Sternenweg in Neheim bietet Sterbebegleitung. Wir sprachen mit zweien über das, was dieses Ehrenamt mit einem macht.
Sterbebegleitung ist ein Wort, das vielen Menschen eine Gänsehaut bereitet. Doch für Mirjam Glaser und Annika Herrmann gehört es zum Alltag. Ihr Alltag im Ambulanten Hospizdienst Sternenweg in Neheim. Während Mirjam Glaser den Praxisanteil ihres dualen Studiums der sozialen Arbeit im Sternenweg verbringt, ist Annika Herrmann ehrenamtlich aktiv und begleitet betroffene Menschen und ihre Familien vor Ort. Im Interview sprechen beide über ihre emotionalen Empfindungen und was die Begleitung sterbender Menschen mit ihnen macht.
Wie kamen Sie, Mirjam Glaser, als junge Studentin auf die Idee, Ihre Praxiszeit in einem Hospizdienst zu verbringen?
Mirjam Glaser: Ich war ja vorher schon im Krankenhaus mit Menschen in Kontakt, die im Sterben lagen. Da hat man als Krankenschwester leider nicht so die Möglichkeit, die Menschen zu begleiten. Ich finde die Thematik wichtig - für die sterbenden Menschen, aber auch für die Angehörigen, dass man auf sie eingeht und dass man sich auch Zeit nimmt. Das finde ich im Hospiz schön - da kann man sich für die Menschen die Zeit nehmen.
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Wie haben Sie sich gefühlt, wenn eine Person im Krankenhaus verstarb?
Ja, ich habe eine Frau begleitet - da hatte ich Gott sei Dank etwas Zeit für sie. Das fand ich schön. Aber ich habe es auch anders erlebt. Es sind Menschen plötzlich verstorben und man hat es gar nicht mitbekommen. Ohne Abschied. Dass da niemand sein konnte, der bei ihnen war, das ist traurig.
Was macht die Arbeit im Hospiz mit Ihnen?
Die Arbeit im Hospiz hat mich bereichert. Ich nehme sehr viel für mich selbst mit. Man geht reflektierter ans Leben: Wie gehe ich mit meiner Zeit um? Wie gehe ich mit Menschen um? Wie gehe ich mit meiner Familie um?
Leben Sie dadurch anders?
Ich lebe bewusster, genieße die Zeit mit meiner Familie. Vorher habe ich meine Familie zum Beispiel als selbstverständlich wahrgenommen.
Können Sie mir eine gezielte Situation nennen, in der Sie bewusster leben?
Ich habe gemerkt, dass ich Streit nicht mehr gut aushalten kann, seitdem ich im Hospiz arbeite. Wenn ich mich mit jemandem streite, weiß ich nicht, ob ich mich auch wieder versöhnen kann. Klingt hart, ist aber so. Man sollte seine Zeit nicht in sinnlose Diskussionen stecken und vor allem nicht im Streit auseinandergehen. Es wühlt mich auf - ich bin dann ganz unruhig.
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Sie, Annika Herrmann, arbeiten ehrenamtlich im ambulanten Hospizdienst. Haben Sie nie darüber nachgedacht, hauptberuflich zu agieren?
Annika Herrmann: Nein, denn das bringt auch eine Art Verpflichtung mit sich - und diese Verpflichtung kann ich im Moment familiär nicht tragen. Ich brauche diese Flexibilität, die das Ehrenamt mit sich bringt. Das Ehrenamt möchte ich aber gerne noch 30 Jahre lang machen - wenn ich das tragen kann.
Was ist das Besondere an diesem Ehrenamt?
Ich fand das Thema an sich schon immer faszinierend. Leben, sterben. Die Menschen und ihre Angehörigen in ihren intimsten Momenten begleiten zu dürfen, obwohl ich nie ein Teil ihres Lebens gewesen bin, ist eine besondere Ehre für mich. Ich liebe auch die Biografien der Menschen.
Wie lange begleiten Sie die Menschen durchschnittlich?
Das kann man so pauschal gar nicht sagen. Manchmal drei Wochen, manchmal aber auch nur drei Stunden.
Gibt es auch persönliche Grenzen - gibt es etwas, das Sie sich nicht vorstellen können?
Ja, ich begleite keine Kinder! Da hätte ich die nötige Distanz nicht.
Würden Sie jedem ein Ehrenamt im Hospizdienst empfehlen?
Nein, natürlich nicht. Es sollte keine ad-hoc-Entscheidung sein, sondern gut überlegt. Wer jedoch Interesse hat, kann sich ja absolut unverbindlich beim Sternenweg informieren.
Zu den Personen
Mirjam Glaser ist 26 Jahre alt und studiert dual Soziale Arbeit in Dortmund – ihre Praxiszeit absolviert sie beim Sternenweg Ambulanten Hospizdienst für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Die gelernte Krankenschwester brennt für Soziale Arbeit.
Annika Herrmann ist 38 Jahre alt und die jüngste ehrenamtliche Mitarbeiterin des Sternenwegs in Neheim. Sie kümmert sich hauptberuflich um ihre Familie mit drei Kindern. In ihrer Freizeit begleitet sie Erwachsene und ihre Familien auf dem letzten Weg ihres Lebens.