Neheim. Mit einem Protest vor der St. Johannes Kirche in Neheim äußern Kirchenmitglieder ihren Unmut. Einige denken über einen Austritt nach. Die Gründe.
Aufgeben kommt für Gaby Kaufhold im Moment noch nicht in Frage. Während derzeit täglich bis zu 25 Anträge für einen Kirchenaustritt beim zuständigen Amtsgericht Arnsberg gestellt werden, hat sie zum aktiven Protest gegen die neuen Vertuschungsvorwürfe im Missbrauchskomplex der Katholischen Kirche im bayrischen Erzbistum München-Freising aufgerufen.
Auf Einladung des hiesigen Bezirksvorstandes Neheim-Hüsten der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschland (kfd) versammelten sich an diesem Freitagabend, 28. Januar, mehrere Männer und Frauen im Rahmen einer bundesweiten Aktion „Macht Licht an“ vor dem Hauptportal der St. Johannes Kirche in Neheim. „Unmut und Empörung“ über den Umgang und die Haltung der Katholischen Kirche mit dem Missbrauchsskandal sollten dabei zum Ausdruck gebracht werden, wie es in dem Aufruf heißt.
Gute Gründe nicht aus der Kirche auszutreten>>>
Protest vor dem Neheimer Dom: „Kirchenaustritte werden zunehmen.“
„Mit dieser Aktion wollen wir unsere Botschaft zu dem Thema darstellen“, erklärt Gaby Kaufhold, geistliche Begleiterin des Bezirksvorstandes, vorab im Gespräch mit dieser Redaktion. „Bei der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle identifizieren wir uns nicht mit der Haltung der Amtskirche“, betont sie. Und als Christinnen und Christen könne man das nicht kommentarlos hinnehmen.
Doch viele Gläubige kehren der Katholischen Kirche still und leise den Rücken zu. Das verdeutlichen die Austrittszahlen aus den vergangenen Tagen. Das Amtsgericht unterscheidet in der Statistik nicht nach Konfessionen, aber im urkatholischen Sauerland dürfte der Schwerpunkt klar sein. „Die Kirchenaustritte dürften künftig weiter zunehmen“, vermutet auch Gaby Kaufhold. Warum geht sie nicht?
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Dafür sei sie schon zu lange in der Katholischen Frauengemeinschaft aktiv. „Wenn ich die nicht hätte, sehe das bei mir vielleicht auch anders aus“, erzählt sie. Außerdem findet sie nicht alles an der Kirche schlecht und betont dabei die Gemeindearbeit der kfd in Neheim und Hüsten. Schon seit Jahren setze man sich hier beispielsweise für die Gleichstellung von Frauen ein. Auch mit vielen anderen Themen möchte man nah an den Menschen vor Ort sein.
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Dass man aber dabei immerzu auf Widerstand trifft, weiß Barbara Noltsch. Die Mitarbeiterin der Katholischen Frauengemeinschaft kritisiert, dass die lokalen Kirchen zu wenig Gesprächsbereitschaft signalisierten, um Veränderungen anzustoßen. „Damit stößt man vielen Katholiken vor den Kopf“, sagt sie im Gespräch mit dieser Redaktion. Ein Grund, warum viele über einen Austritt nachdenken. Sogar eine Frau wie Barbara Noltsch, die über sich selbst sagt, dass sie „sehr stark katholisch sozialisiert“ sei und seit mehr als 40 Jahren in der Gemeindearbeit aktiv ist. „Wir mir geht es auch vielen Bekannten. Sie sehen einfach keinen anderen Ausweg mehr“, berichtet sie.
Über den Umgang mit dem Missbrauchskomplex und von den Reaktionen auf das neue Gutachten zeigt sie sich enttäuscht. „Es ist unglaubliches Unrecht und das darf nicht in unserem Namen passieren“, betont sie. Mit der Aktion „Macht Licht an“ vor der St. Johannes Kirche in Neheim wollte man nun ein Zeichen setzen. Darauf scheint auch Barbara Noltsch stolz zu sein: „Wenn wir gehen, dann gehen wir wenigstens laut.“