Arnsberg. Ein Kreis schließt sich: Vom Neheim-Hüstener Programm über Heinrich Lübke zum neuen CDU-Chef Friedrich Merz. Sauerland prägt die CDU Deutschland.

Das Herz der CDU Deutschland schlägt wohl irgendwie doch im sauerländer Takt: Erwartungsgemäß wurde der Arnsberger Friedrich Merz bei einem digitalen Bundesparteitag zum neuen Bundesvorsitzenden der Partei gewählt. 915 von 983 Delegierten stimmten am Samstag für den 66-Jährigen, 16 enthielten sich. Die CDU errechnete daraus eine Zustimmung von 94,62 Prozent. Die Entscheidung muss noch formal zwar per Briefwahl noch bestätigt werden, doch schon jetzt ist klar: Für die CDU schließt sich ein an Ruhr und Röhr begonnener historischer Kreis - vom parteiprägenden Neheim-Hüstener Programm 1946 über den Enkhausener Bundespräsidenten Heinrich Lübke (1959-1969) bis hin zum neuen Bundesvorsitzenden aus Arnsberg-Niedereimer.

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„Die Sauerländer gelten zu Recht als heimatverbunden und weltoffen, als zuverlässig und lebensfroh. Alle diese Eigenschaften braucht auch die CDU“, sagte Friedrich Merz in dieser Woche vor seiner Wahl zum neuen Parteichef unserer Zeitung. Was jetzt immer noch zählt, wurde schon früh zum Programm: Das Sauerland hat die CDU historisch geprägt.

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Das Neheim-Hüstener Programm

Gerade vor dem Hintergrund, dass sich der von der politischen Konkurrenz als Wirtschaftslobbyist kritisierte Merz zuletzt mehrfach zur sozialpolitischen Verantwortung der CDU geäussert hat, gewinnt der Blick auf das Neheim-Hüstener Programm von 1946 besondere Bedeutung. Das nämlich legte einst die Basis zum CDU-Bekenntnis zu einer sozialen Marktwirtschaft.

Das Neheim-Hüstener Programm vom 1. März 1946 war eines der ersten Parteiprogramme der CDU, das im sauerländischen Neheim-Hüsten verabschiedet wurde. Mit ihm wurde die Loslösung vom „christlichen Sozialismus“ formuliert. Hintergrund war eine innerparteiliche Debatte, die nach dem 2. Weltkrieg in der neu gegründeten CDU Eingriffe in die kapitalistische Eigentumsordnung sowie in gewissem Umfang eine Lenkung der Wirtschaft forderte. Bereits die Kölner Leitsätze aus dem Sommer 1945 hatten einen christlichen Sozialismus gefordert und die Befürworter setzten sich damit auch auf der Reichstagung der Partei in Godesberg im Dezember 1945 durch. Konrad Adenauer dagegen lehnte Eingriffe in die Wirtschaft ab. Nicht zuletzt aus taktischen Gründen forderte er auch einen Verzicht auf den Sozialismusbegriff: „Mit dem Wort Sozialismus,“ so Adenauer im Sommer 1946, „gewinnen wir fünf Menschen und zwanzig laufen weg.“

Grundlage der sozialen Marktwirtschaft

Unmittelbar nach seiner Wahl zum Vorsitzenden in der britischen Zone begann er mit der Ausarbeitung eines Parteiprogramms. Zwischen dem 26. Februar und dem 1. März 1946 fand im Karolinen-Hospital in Neheim-Hüsten eine Tagung des Zonenausschusses der Christlich-Demokratischen Union für die britische Zone statt. Dort wurde Adenauer als Vorsitzender der CDU in der britischen Besatzungszone formell bestätigt. Er nutzte die Gelegenheit, um dort unter Umgehung der eigentlich zuständigen rheinisch-westfälischen Programmkommission über seinen Programmentwurf abstimmen zu lassen. Der Begriff des christlichen Sozialismus war in dem Programm nicht mehr vorhanden. Wirtschaftspolitisch wurde zwar von einer Neuordnung der Wirtschaft und Gesellschaft und einer gerechten Verteilung des wirtschaftlichen Ertrages zur Überwindung des Klassenkampfes gesprochen, gleichzeitig wurde die wirtschaftliche Freiheit der Person und Anerkennung des Privateigentums betont. Allerdings hätte dies zu weichen gegenüber einem auch nach ethischen Grundsätzen höheren Recht. Damit war eine Sozialbindung des Eigentums angedeutet. Adenauer meinte später, die Veranstaltung in Neheim-Hüsten sei eine entscheidende Weichenstellung der Partei gewesen, da dort die „Kräfte die eine zu starke Sozialisierung befürworteten“ überwunden wurden. In den folgenden Jahren wurden bis etwa 1949 auch die gemeinwirtschaftlichen Konzepte, insbesondere von Adenauer zu Gunsten der Vorstellung einer sozialen Marktwirtschaft in der CDU zurückgedrängt.

Der Bundespräsident aus dem Sauerland>>>

Ein Bundespräsident aus Sundern

Ruhr und Röhr blieben für die CDU ein Orientierungspunkt: Der 1894 in Enkhausen geborene Heinrich Lübke war von 1959 bis 1969 der zweite Bundespräsident der damals noch jungen Bundesrepublik. Für die CDU prägend war der frühere Zentrumspolitiker Lübke aber schon früher. Im Jahr 1945 trat Lübke in die CDU ein. 1946 war er Abgeordneter des von der britischen Militärregierung ernannten Provinziallandtages von Westfalen, ab Oktober 1946 des ernannten Landtages von Nordrhein-Westfalen. Lübke gehörte ab April 1947 auch dem ersten frei gewählten nordrhein-westfälischen Landtag an, bis er am 6. März 1954 das Mandat niederlegte. Vom 6. Januar 1947 bis zum 1. Januar 1953 amtierte er in den von Rudolf Amelunxen und Karl Arnold geführten Landesregierungen als Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Nordrhein-Westfalen. Von 1949 bis 29. September 1950 war er CDU-Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Arnsberg – Soest - also somit einer der Vorgänger von Friedrich Merz. Nach der Bundestagswahl 1953 wurde er am 20. Oktober 1953 als Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in die von Bundeskanzler Konrad Adenauer geführte Bundesregierung berufen.

Merz ist zurück

Jetzt ist Merz: Der CDU-Bundesvorsitzende ist ein Arnsberger. Nach seinem fulminanten Comeback in die Politik, das nach zwei gescheiterten Anläufen auf das Amt des CDU-Chefs in den vergangenen Jahren nun mit seiner Rückkehr als HSK-Direktkandidat in den Bundestag im Herbst 2021 und der jetzigen Wahl zum Bundesvorsitzenden gekrönt wurde. ist er an der Spitze der Union.

Friedrich Merz (CDU, r), ehemaliger Vorsitzender der Unions-Fraktion im Bundestag, spricht am 17.04.2021 in Arnsberg auf der Tribüne im Stadion Große Wiese. Foto: Bernd Thissen / FUNKE Foto Services
Friedrich Merz (CDU, r), ehemaliger Vorsitzender der Unions-Fraktion im Bundestag, spricht am 17.04.2021 in Arnsberg auf der Tribüne im Stadion Große Wiese. Foto: Bernd Thissen / FUNKE Foto Services © FUNKE Foto Services | Bernd Thissen

Friedrich Merz wurde am 11. November 1955 in Brilon im Hochsauerland geboren, wo er aufwuchs und zur Schule ging. Nach seinem Jura-Studium in Bonn und der anschließenden Arbeit für einen Verband vertrat er den Hochsauerlandkreis von 1989 bis 1994 im Europäischen Parlament und im Anschluss daran bis 2009 im Deutschen Bundestag. Dort war er von 2000 bis 2002 Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. 2009 wechselte er wieder in die freie Wirtschaft, ehe er 2018 zurück auf die politische Bühne trat. Von Juni 2019 bis November 2021 war Friedrich Merz Vizepräsident des Wirtschaftsrates der CDU. Anläufe auf das Amt des CDU-Vorsitz scheiterten an Annegret Kramp-Karrenbauer (2018) und gegen Armin Laschet (2020). Am 26. September 2021 wurde Friedrich Merz mit 40,41 Prozent der Stimmen erneut in den Deutschen Bundestag gewählt. Dort vertritt er wieder als direkt gewählter Abgeordneter den Hochsauerlandkreis. Zuvor hatte es einen spektakulären Kreisparteitag im Stadion Große Wiese gegeben, bei dem er als Direktkandidat nominiert worden war.