Neheim. Weil ihre Stammkneipe in Neheim schließt, gründen Jutta Ludwig, Stephanie Neuhaus und Haimo Hieronymus ihr eigenes Lokal. Ein Einblick ins Golem.

Die Holzplatte des Tresens im Golem musste der Schreiner besonders dick schneiden. Stabil, trittsicher und am besten rutschfest sollte sie werden. Denn wenn es mal später wird in der Neheimer Kneipe, dann stehen nicht nur die leeren Biergläser auf dem Tresen, sondern gerne auch mal die tanzenden Gäste des Lokals, wie Haimo Hieronymus, einer der Mitgründer des gleichnamigen Vereins, erzählt.

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Angefangen hat alles vor etwa drei Jahren am 2. November 2018: Weil ihre Stammkneipe, die „Blutige Axt“ in Neheim, schließt, verliert das Trio Jutta Ludwig, Stephanie Neuhaus und Haimo Hieronymus ihren gemeinsamen Treffpunkt nach dem Feierabend. „Am Anfang war es nur ein Bauchgefühl“, berichtet Stephanie Neuhaus.

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Doch schnell wurde daraus Realität, als die Räume im sogenannten „Pengel Anton“ in Neheim vermietet wurden. Die drei gründen den gemeinnützigen Verein „Der Golem“, der Kulturschaffenden, Musikerinnen und Künstlern eine Plattform bieten möchte – und richten in den freien Räumen eine Ehrenamtskneipe ein. „Andere schauen gemeinsam einen Film und wir betreiben halt eine Kneipe“, so Stephanie Neuhaus weiter.

„Der Golem“ in Neheim: Pure Kneipenkultur auf 92 Quadratmetern

Und der Start Anfang November 2018 wird ein Erfolg: Schon vor dem offiziellen Beginn um 19 Uhr warteten die Menschen vor dem Golem in einer Schlange. „Es war proppenvoll“, erinnert sich Jutta Ludwig, „das war schon irre“. In der Nacht reist sogar extra DJ Dwarf (deutsch: Zwerg) aus den Niederlanden nach Neheim, um in der Kulturkneipe aufzulegen. Er ist Dozent für Popgeschichte an einer Akademie in Enschede. „Für die Holländer sind wir Party-City“, betont Stephanie Neuhaus.

Ein junges Jazz-Trio probt seinen Auftritt an diesem Freitagabend in der Neheimer Kulturkneipe „Der Golem“.
Ein junges Jazz-Trio probt seinen Auftritt an diesem Freitagabend in der Neheimer Kulturkneipe „Der Golem“. © Westfalenpost | Nicolas Stange

Der Golem“ entwickelt sich im ersten Jahr zu einem beliebten Treffpunkt für Künstler und Kultur-Interessierte. Weil das Trio die Kneipe ehrenamtlich betreibt, öffnen sie jeweils nur freitags für ihre Gäste. Die Zahl der Mitglieder wächst beständig auf aktuell 200 Menschen. Das Besondere: „Der Golem“ ist analog. Internet gibt es nicht – oder wenn nur mit einem sehr schlechten Empfang. Die Gäste müssen also miteinander sprechen. „Hier wurden schon Wohnungen getauscht, Jobs vermittelt oder die Liebe gefunden“, sagt Haimo Hieronymus.

Feste im Golem

Die drei Betreiber der Neheimer Ehrenamtskneipe „Der Golem“ möchten den Menschen einen Begegnungsort mit Kunst, Literatur, Musik und Theater bieten. Jeden Freitag öffnet das Lokal in der Straße Lange Wende 30 für die Gäste. Derzeit ist der Zutritt nur für Menschen erlaubt, die vollständig geimpft oder genesen sind. Für die Monate Oktober und November bieten sie folgendes Programm an:

Oktober

1. Oktober: Manuel Quero mit Vanya und Silas Eifler spielen ihre Lieblingslieder.

8. Oktober: Thomas Duarte liest aus seinem Debüt „Was der Fall ist“. Sein Werk wurde für das beste unveröffentlichte Manuskript mit dem Studer-Ganz-Preis aus der Schweiz ausgezeichnet.

15. Oktober: Weinprobe im Golem.

22. Oktober: Haimo Hieronymus liest aus dem „Nippiversum“. Begleitet durch Gitarrenmusik.

29. Oktober: Überraschungsabend im Golem.

November

5. November: Dicht & dichter – junge Poeten lesen ihre Texte.

12. November: Das weltberühmte, unvergleichliche, absolut einmalige Kneipenquiz.

19. November: Ausstellung Peter Meilchen.

26. November: Vinylabend mit Turntablenoise mit Toto und Raule.

Mehr Informationen gibt es im Internet unter www.dergolem.de.

Also pure Kneipenkultur auf 92 Quadratmetern: Ein Wasser kostet ein Euro und ein Bier maximal drei Euro. Jede Woche bieten sie im Golem eine andere Sorte an. Das Veranstaltungsprogramm geht von einer Jazz-Nacht, über Weinproben bis hin zu einem Kneipenquiz. „Wir gestalten den Golem nach unseren eigenen Interessen und wussten zunächst nicht, ob es auch andere Menschen anspricht“, sagt Stephanie Neuhaus.

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Ein zentraler Aspekt des Konzepts seien spontane Treffen. Die Rolle einer Kneipe in der Stadtgesellschaft wird laut Haimo Hieronymus mittlerweile häufig unterschätzt. „Hier kommen Menschen jeden Alters und sozialen Milieus zusammen“, sagt er.

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Doch wegen der Corona-Pandemie war das alles auf einen Schlag nicht mehr möglich. Sie müssen den Betrieb für etwa anderthalb Jahre einstellen – die Auflagen sind zu hoch. „Es ist klein, es ist gemütlich und man muss eng beisammen sitzen“, sagt Jutta Ludwig über das Konzept der Neheimer Ehrenamtskneipe.

Räumlichkeiten werden durch Galerie erweitert

Angrenzend an die Kneipe „Der Golem“ entsteht eine Galerie in der Straße Lange Wende 30. Hier möchte der Verein künftig unter anderem Ausstellungen mit Werken von Künstlern aus Deutschland, Italien oder den Niederlanden präsentieren sowie Lesungen veranstalten. „Alle Künste sollen gleichwertig behandelt werden“, sagt Stephanie Neuhaus. Der Neheimer Kulturverein Golem bezahlt den Kulturschaffenden ebenfalls ein Honorar.

Die Firma Fischer Immobilien, Vermieter des Gebäudes, in dem „Der Golem“ seine Räume hat, unterstützt das Projekt mit einer Spende in Höhe von 1000 Euro.

Das Gründer-Trio hat sich trotzdem jeden Freitag getroffen. „Wir haben Fritten gegessen und verschiedene Biersorten ausprobiert“, sagt Stephanie Neuhaus. Und im Hinterkopf träumten sie von der Rückkehr an den Tresen im Golem.