Arnsberg/Möhnesee/HSK. Hans Joachim Bexkens ist Notfallseelsorger im HSK. Wie er Menschen nach einem Schicksalsschlag hilft – und warum schweigen wichtig ist.
Hans Joachim Bexkens ist erfahren mit Extremsituationen. Seit fast 20 Jahren ist der 68-Jährige mit derzeit etwa 95 anderen Helfern ehrenamtlich in der Notfallseelsorge im Hochsauerlandkreis aktiv. Gibt es beispielsweise einen Verkehrsunfall mit Todesfolge in der Region, kann die Leitstelle des Rettungswesens Bexkens oder einen Kollegen zum Einsatzort rufen.
Im vergangenen Jahr 2020 hat die Polizei im Hochsauerlandkreis elf Verkehrsunfälle mit einem tödlichen Ausgang verzeichnet. Elf Menschen sind dabei gestorben – darunter fünf Motorradfahrer. Das geht aus dem aktuellen Verkehrsbericht der Polizei HSK hervor. In drei Fällen war überhöhte Geschwindigkeit die Ursache.
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Was aber, wenn man durch einen Schicksalsschlag zu einem Unfallfahrer wird? So ist es einem jungen Arnsberger (21) am vergangenen Donnerstag passiert: Ein 65 Jahre alter Motorradfahrer aus Menden ist nach einem Zusammenstoß mit Wagen des 21-Jährigen gestorben. Nach Angaben der Polizei war der Arnsberger dabei schuldlos.
Notfallseelsorge: Unterschiedliche Reaktionen auf Schicksalsschläge
Beide waren am Nachmittag auf der Bundesstraße 516 in der Nachbargemeinde Möhnesee unterwegs. Laut Polizei hatte der Kradfahrer trotz doppelt durchgezogener Linie zum Überholen angesetzt. In diesem Augenblick bog der Autofahrer nach links in Richtung des Ortsteils Günne ab.
Die Strecken rund um den Möhnesee sind bei Bikern beliebt, zugleich gelten sie als unfallträchtig. Die Polizei im Nachbarkreis Soest zählte im Jahr 2020 neun Verkehrsunfälle mit einem tödlichen Ausgang. Dabei sind neun Menschen gestorben – darunter zwei Motorradfahrer.
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Wie gehen Menschen, die ein solches Schicksal erleiden, damit um? Die Reaktionen seien sehr unterschiedlich, meint Notfallseelsorger Hans Joachim Bexkens. Es gebe Menschen, die seien nervlich strapaziert und aufgebracht, die man „erst wieder einholen“ müsse, so Bexkens. „Für mich sind die Reaktionen total verständlich. Wer das nicht gewohnt ist, für den sind die Bilder und Töne vor Ort extrem“, sagt er. Und wenn jemand schweigsam am Straßenrand sitzt? Dann schweigt Hans Joachim Bexkens mit. „In 90 Prozent der Fälle geht es einfach darum, da zu sein, zuzuhören und in das Schweigen hineinzuhören.“ Bis die Person in der Lage sei, etwas zu sagen.
Unfall mit Todesfolge: Das sind die Hilfsmittel von Notfallseelsorger Bexkens
Kleine Hilfsmittel hat der erfahrene 68-Jährige aber auch: Die Hand auf die Schulter legen und langsam anfangen zu fragen, so beschreibt er er. „Das sind kleine Gesten, die aber entscheidend sind. Die Menschen merken, dass jemand da ist, der sich um sie kümmert.“
Wie er seine Arbeit selbst beschreiben würde? „Ich leiste Erste Hilfe für die Seele“, so Bexkens. In der Regel bedeutet das akute Betreuung für zwei bis vier Stunden nach dem Ereignis. Die Schuldfrage kann und möchte er nicht beantworten: „An einem Unfall ist für mich zunächst niemand schuld.“
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Nach einem Verkehrsunfall folgen polizeiliche Ermittlungen und in einigen Fällen auch juristische Verfahren. Wer danach noch weitere Hilfe benötigt, für den ist die Notfallseelsorge weiterhin erreichbar. Sie wollten sich aber niemanden aufzwingen, so Bexkens. „Die Personen sollen selbstständig bleiben und selbst entscheiden, ob sie Hilfe benötigen.“ Nach weiteren Gesprächen könne der „Opferschutz HSK“ auch eine weitere Anlaufstelle sein.
Notfallseelsorger warnt vor psychischen Belastungen nach Unfall mit Todesfolge
Notfallseelsorger Hans Joachim Bexkens warnt vor psychischen Belastungen als Folge – auch für die Beamten im Dienst, die er als Polizeiseelsorger und Mitbegründer des Teams der „Psychosozialen Unterstützung“ (PSU) im HSK ebenfalls betreut. Er selbst ist seit fast 20 Jahren in diesem Bereich aktiv. „Es ist kein Beruf, sondern eine Berufung für mich. Anders kann man das nicht leisten“, sagt er.
Die Einsätze bei Verkehrsunfällen sind für ihn aber nur ein kleiner Teil seiner Betreuungsarbeit. Die Hauptaufgaben liegen vor allem im häuslichen Bereich: „Wir sind 24 Stunden an 365 Tagen im Jahr für die Leitstellen erreichbar.“