Arnsberg. Dr. Christoph Bauer spricht von mittlerer Katastrophe. Für die Kassenärztliche Vereinigung liegt die Schuld beim Bundesgesundheitsministerium.

„Das ist eine mittlere Katastrophe!“ Der Arnsberger Arzt Dr. Christoph Bauer ist schwer verärgert:

Statt der für die kommende Woche bestellten 236 Impfdosen des Vakzins Astrazeneca werden nun nur 58 geliefert. Diese desaströse Nachricht flatterte der Praxis im Ärztehaus am Neumarkt am Freitag ins Haus und warf damit alle organisatorischen Vorbereitungen über den Haufen. Kein Einzelfall. Schuld an der Misere ist laut Kassenärztlicher Vereinigung Westfalen-Lippe das Bundesgesundheitsministerium.

Dr. Christoph Bauer: „Ich muss meiner Empörung einfach Luft machen“

In den vergangenen Tagen, schimpft Dr. Christoph Bauer („Ich muss meiner Empörung einfach Luft machen“), sei noch vollmundig verkündet worden, dass die niedergelassenen Ärzte für die Woche ab 17. Mai unbegrenzt den Covid-19-Impfstoff Astrazeneca bestellen können. Doch das habe sich nun als Fiktion herausgestellt – und die Praxen stehen damit vor einem großen Problem.

„Wir alle hier arbeiten völlig am Limit, weil wir vielen der für kommenden Dienstag, unserem Impftag, zur Impfung einbestellten Patienten und Patientinnen nun wieder absagen müssen,“ schildert Bauer die Situation. Vor allem müssen sich der Arzt und dessen Mitarbeiterstab am Telefon so einiges anhören. „Denn verständlicherweise reagieren die Patienten verärgert und vor allem auch mit Unverständnis.“

Kürzung der Astrazeneca-Zuteilung kann sich auf Infektionsgeschehen auswirken

Was der Arnsberger Mediziner gut nachvollziehen kann. „Schließlich hängen an der Frage, ob Impfung jetzt oder nicht, auch Schicksale. Das dürfen wir nicht vergessen.“ Und was besonders schlimm ist: Eine Reduzierung der geplanten Impfungen habe auch immer negative Auswirkungen auf das Infektionsgeschehen und die Belastung der intensivmedizischen Einrichtungen in den Krankenhäusern.

„Außerdem haben wir niedergelassene Ärzte in Sachen Impfungen überhaupt keine Planungssicherheit mehr.“

KVWL: „Ursache ist eine Fehlkalkulation des Bundesgesundheitsministeriums“

Diese überraschende Kürzung an Astrazeneca-Impfdosen betrifft laut Kassenärztlicher Vereinigung (KVWL) alle Praxen. „Das ist eine sehr ärgerliche Situation“, sagt Andreas Daniel als Sprecher des KVWL. „Ursache dafür ist eine Fehlkalkulation des Bundesgesundheitsministeriums.“

Denn das gebe wöchentlich die jeweilige Impfstoffmenge für die Praxen der niedergelassenen Ärzte frei – und von Ministeriums-Seite sei dazu aufgefordert worden, „für die kommende Woche unbegrenzt Astrazeneca zu bestellen.“ Also ohne Mengen-Vorgabe.

KVWL: „Ministerium hat die große Nachfrage nicht einkalkuliert“

Zwar hätten dafür bundesweit 1,6 Millionen Dosen zur Verfügung gestanden, aber im Ministerium habe man dabei nicht einkalkuliert, so der KVWL-Sprecher, „dass die Nachfrage in der Bevölkerung nach einer Impfung in den Hausarztpraxen groß ist und immer größer wird.“

Und entsprechend hätten die niedergelassenen Medizinerinnen und Mediziner Impfstoff geordert. Impfstoff, der dann letztlich in dieser Menge überhaupt nicht greifbar sei.

Großer Frust und große Verärgerung bei den niedergelassenen Ärzten

Damit, sagt Andreas Daniel, habe das Ministerium den Praxen ein organisatorisches Dilemma beschert und zugleich bezüglich der Corona-Schutzimpfungen die - wie auch von Dr. Christoph Bauer moniert - Planungssicherheit genommen. Hinzu komme: „Der zur Verfügung stehende Biontech-Impfstoff wird jetzt überwiegend für die Zweitimpfung benötigt und steht damit nicht mehr in großer Zahl für Erstimpfungen zur Verfügung.“

Und diese Fehlkalkulation des Ministeriums müssten nun, so Daniel, die niedergelassenen Ärzte wie Dr. Christoph Bauer ausbaden - auch durch eine unnötige Mehrbelastung durch die erforderlichen Termin-Absagen. Was, weiß Bauer, für großen Frust bei den Kolleginnen und Kollegen sorge. „Manche haben schon gesagt, dass sie unter dieser Voraussetzung überhaupt nicht mehr impfen möchten.“