Arnsberg. Ein Schüler aus Arnsberg hat Klage gegen das Land Nordrhein-Westfalen eingereicht. In der Stadt gibt es Sorgen um ganz andere Corona-Verlierer.

Ein Junge aus Arnsberg hat eine Klage gegen die geplante Rückkehr der Viertklässler in die Grundschulen ab frühestens 7. Mai eingereicht. Der Junge ist selbst einer der Viertklässler, die bald als Erste in die Klassenräume zurückkehren sollen.

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Schulleiterin Sonja Roseneck-Ermert sitzt in einem der Klassenräume. Dort wurden die Abstände der Tische genau abgemessen.
Von Flemming Krause, Volker Eberts, Verena Hallermann und Josef Schmidt

In dem Eilantrag beim Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster argumentiert er, es liege eine Ungleichbehandlung vor, wenn nur die Viertklässler zurück in die Schulen geholt würden, erklärt OVG-Sprecherin Dr. Gudrun Dahme. Dadurch sei das Infektionsrisiko für die Schüler und ihre Familien höher als das der Schüler, die weiter von zuhause aus lernen. Der Schüler klagt selbst, wird dabei aber durch seine Eltern und eine Anwaltskanzlei vertreten.

Ein zweiter Eilantrag ist von einer Schülerin aus Gladbeck eingereicht worden. Mit einer Entscheidung ist laut OVG-Sprecherin Dahme nicht in dieser Woche zu rechnen. Zunächst wird das Land Nordrhein-Westfalen als Beklagte Gelegenheit zur Stellungnahme bekommen, dann soll der Senat eine Entscheidung fällen. Eine Verhandlung gibt es im Eilverfahren nicht.

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Noch vor der Entscheidung verkündete das Land am Donnerstag, dass ab dem 11. Mai auch die anderen Jahrgänge tageweise unterrichtet werden sollen. Ministerpräsident Laschet ruderte anschließend zurück: Das Grundschüler ab dem 11. Mai zurückkehren, sei nur eine Option. Nun ist noch offen, ob die Kläger ihre Anträge beim Oberverwaltungsgericht zurückziehen.

Diskussion über ungerechte Bildungschancen

Während sich die Kläger in diesen Fällen dagegen wehren, zuerst wieder in die Schule gehen zu müssen, sehen andere im Gegenteil Nachteile für diejenigen, die länger zuhause lernen sollen. Darüber ist in Arnsberg eine Debatte entbrannt.

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Bildungsungerechtigkeit ist auch das, was Andreas Schauerte nun fürchtet. Der Leiter der Agnes-Wenke-Sekundarschule Neheim gab schon früh mit Beginn des digitalen Unterrichts zu bedenken, dass mit diesem Lernsystem zu viele Kinder nicht erreicht werden würden. Er verwies darauf, dass die Voraussetzungen der Kinder für ein „Home Schooling“ in einer vielfältigen Gesellschaft zu unterschiedlich seien. Schauerte forderte, schnell Lösungen zu finden.

Dass diese darin liegen, dass schnell wieder alle Kinder normal wie noch bis Mitte März zur Schule gehen könnten, glaubt Esther von Kuczkowski, Leiterin des Bildungsbüros der Stadt Arnsberg, momentan nicht. „Ich denke, wir werden uns darauf einrichten müssen, dass bis Ende 2020 noch kein normaler Schulbetrieb möglich sein wird“, sagt sie im Gespräch mit unserer Zeitung.

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Es sei denkbar, dass Schülerinnen und Schüler über einen längeren Zeitraum mit einer Kombination aus Präsenzbeschulung und digitalem Unterricht leben müssten. Auch ihr ist klar, dass dies auf Kosten von Chancengleichheit gehen würde, weshalb sich das Bildungsbüro schon seit Wochen mit verschiedenen Ansprechpartnern austauscht, um möglicherweise neue Lernorte zu schaffen, die begleitend zur schrittweise anlaufenden Schule unter Einhaltung der Hygiene- und Schutzregeln Chancengleichheit anbieten könnte. „In den Schulen geht das vorerst nicht“, weiß Esther von Kuczkowski.

Stadt denkt über neue Lernräume nach

Die Stadt und das Bildungsbüro sitzen mit einer Konzeptidee in den Startlöchern, um genau das Problem der Bildungsungerechtigkeit anzugehen. Das Projekt, so klingt durch, solle zwar mit den Schulen abgesprochen, aber außerschulisch organisiert werden. Es gehe darum, für Schüler, die nun im digitalem Unterricht schlechtere Voraussetzungen haben, Lernräume mit der nötigen Ausstattung zu organisieren. Bürgermeister Ralf Bittner setzt dabei auch auf bürgerschaftliches Engagement und Solidarität.

Einige Arnsberger Eltern, so wird bekannt, haben längst zur Selbsthilfe gegriffen. Dem Bildungsbüro sind Fälle bekannt, in denen direkt nach Schulschließungen auch Privatlehrer für Kinder organisiert worden sind. Auch das können sich die meisten Haushalte nicht leisten.