Arnsberg. Der Sunderner Jörg Rohe arbeitet ehrenamtlich nah am sterbenden Menschen. Im „Sternenweg“ ist er ein Begleiter auf den letzten Metern des Lebens.

Das Abschiednehmen gehört dazu. Jörg Rohe weiß, dass er ein Alltagsbegleiter auf Zeit ist. Der 47-jährige Sunderner ist ehrenamtlicher Mitarbeiter des ambulanten Hospizdienstes „Sternenweg“. Er steht schwerst- und todkranken erwachsenen Menschen zur Seite, die wissen, dass sie sterben werden. Er macht ihnen und ihrer Familie Mut für das Beschreiten des letzten Weges.

Innere Stimme

Eine „innere Stimme“ habe ihn dazu gebracht. Jörg Rohe ist kein Mann, der Ehrenämter sammelt, aber für diese eine Aufgabe fühlt er sich berufen. „Ich wollte so etwas immer schon einmal machen“, erzählt er, „ich hatte schon den Eindruck, dass ich mit Menschen umgehen kann“. Den Anstoß zur Bewerbung auf einen Aufruf des „Sternenweges“ gab ihm aber erst seine Frau. Das war vor mehr als fünf Jahren.

Tod des Vaters

Erfahrungen mit Hospizdiensten hatte er bis dahin nicht. Sehr wohl aber mit dem Tod. Sein Vater war plötzlich und unerwartet verstorben. Erstmalig und unvorbereitet musste sich Jörg Rohe mit dem Tabuthema auseinandersetzen. „Auf einmal war der Tod nicht mehr so etwas Distanziertes“, erzählt er. Auch deshalb war er bereit für diese Aufgabe.

120 Stunden im Ausbildungskurs

Der ambulante Hospizdienst „Sternenweg“ in Neheim hat aktuell 61 ehrenamtliche Mitarbeiter, davon sind 29 im Erwachsenenbereich und 32 im Kinder- und Jugendbereich tätig.

Der Ausbildungskurs umfasst 120 Stunden nach den anerkannten Curricular. Die Themen dieser Vorbereitung umfassen u.a. Grundlagen der Hospizarbeit, Distanz und Nähe, Systemische Familienbegleitung, Sterbebegleitung, Kinderhospizarbeit, Umgang mit Demenz oder Menschen mit Assistenzbedarf, Rechtsgrundlagen und Dokumentation des Mitarbeitereinsatzes.

Interessenten können sich gerne beim Sternenweg (02932 8055590) oder unter sternenweg@caritas-arnsberg.de melden.

Langeweile hat der Mann eigentlich nicht. Beim Arnsberger Lichttechnik-Unternehmen Trilux ist er Kaufmännischer Angestellter mit Verantwortung. Auch eine Familie mit zwei zehn- und 14-jährigen Kindern lastet ihn aus. Und doch kümmert er sich einmal wöchentlich für zwei bis vier Stunden um Menschen, die wissen, dass ihre Lebensuhr abläuft. „Ich bin einfach da“, erzählt er. Er übernimmt keine Pflegeaufgaben, gibt keine Medikamente, aber entlastet die Familie, gibt Gesellschaft oder hält einfach mal nur die Hand. „Man redet viel, spielt etwas und verbringt Zeit miteinander“, so Jörg Rohe. Bei seiner ersten der inzwischen rund zehn Betreuungen spielte er mit einem todkranken Griechen viel Backgammon, aß Oliven und Schafskäse. „Man spürt so viel Dankbarkeit“, sagt er.

Nähe statt Distanz

Die ehrenamtlichen Mitarbeiter des „Sternenwegs“ müssen keine professionelle Distanz halten. „Nähe ist durchaus erwünscht“, sagt Jörg Rohe, „denn wenn die Empathie fehlt, erreicht man den Menschen nicht“. Jörg Rohe wird für seine „Betreuten“ ein wichtiger Gesprächspartner. „Der Tod ist immer wieder ein Thema“, sagt er. Sterbende würden manchmal lieber einer Vertrauensperson von Außen ihre Ängste mitteilen als damit ihre Angehörigen zu belasten. Jörg Rohe ist ein gläubiger Mensch. Er macht das Angebot, mit ihm über das Sterben und das Danach zu sprechen.

Jörg Rohe.
Jörg Rohe. © WP | Thomas Nitsche

Wichtig ist Jörg Rohe bei den fast ausschließlich in den persönlichen Umfeldern der Betreuten stattfindenden Begleitungen die unvoreingenommene Begegnung. „Ich lasse mich auf das Gegenüber ein und raster es nicht sofort, wenn ich in den Raum komme“, erzählt er. Bisher habe „die Chemie immer gepasst“. Tatsächlich überlegt die Teamleitung des „Sternenwegs“ genau, wer für welche Betreuung eingesetzt wird. Es muss passen und darf für niemanden zur Qual werden.

Umgang mit Erlebnissen

Die Zeit, die bleibt, ist nicht immer vorhersehbar. Jörg Rohe erlebte Betreuungen, die nach einem Tag mit dem Tod endeten. Andere Begleitungen liefen über ein Dreivierteljahr. „Mit der Zeit baut sich natürlich eine Beziehung auf. Das geht ans Herz“, weiß Jörg Rohe, „am Ende können dann auch Tränen fließen“. Begleitet und aufgefangen werden die Ehrenamtlichen des „Sternenwegs“ dann vom immer erreichbaren Koordinationsteam. Super-Visionen und Praxistreffen sowie die gründliche Qualifizierung vorweg helfen, mit dem Erlebten umzugehen.

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Genau vor diesen Erfahrungen mit der Nähe am Tod haben viele Menschen Angst. Jörg Rohe macht Mut, sich auch dieser Herausforderung zu stellen. „Ich kann die Arbeit im Sternenweg von meinem sonstigen Leben gut trennen“, sagt er, „aber natürlich bleibt das immer im Hinterkopf“. Seine Familie trägt sein Engagement mit, weiß, was er da tut. „Es ist mir wichtig, dass meine Kinder mitbekommen, wie einfach es ist, Menschen zu bereichern und ihnen eine Freude zu machen“, sagt Jörg Rohe. Und doch legt er Wert darauf, dass seine Familie bei der Betreuung komplett außen vor bleibt.

Männer sind die Ausnahme

Engagement ist eine Männer-Tugend im Sauerland. Schützen, Fußballverein und Dorf-Arbeitskreis - da packen alle mit an. Die Arbeit ganz nah am Menschen aber ist nicht unbedingt die Kernkompetenz des männlichen Sauerländers. Viele Männer haben sie im Team des „Sternenwegs“ nicht. Gebraucht werden sie. „So ein Gespräch unter Männer in der Begleitung kann schon mal einfacher sein“, sagt Jörg Rohe, „ansonsten habe ich bei dieser Arbeit aber schon gemerkt, dass Frauen mehr emotionalen Tiefgang haben als jeder Kerl“.

Zur Person

Jörg Rohe ist gebürtiger Sunderner und stammt aus dem Dorf Hagen.

Der 47-jährige ist verheiratet und hat zwei Kinder im Alter von 10 und 14 Jahren

Beruflich ist er beim Unternehmen Trilux als kaufmännischer Angestellter tätig.

Beim ambulanten Hospizdienst „Sternenweg“ ist er seit fünf Jahren als ehrenamtlicher Begleiter von todkranken Menschen tätig.

Und doch will er Männer zur Arbeit nah am Thema Tod, Sterben und Vergänglichkeit ermutigen. Bei den Gesprächen mit Bekannten erfährt er viel positives Feedback. „Alle sagen, dass sie es toll finden, was ich mache, aber auch, dass es nichts für sie wäre“, erzählt Jörg Rohe. Für ihn aber ist es etwas. Der Mann, der sich im Beruf erfolgreich mit nüchternen Zahlen, trockenen Bilanzen und kalkulierten Umsatzergebnissen herumschlägt und alles so logisch sieht, hat im Sternenweg-Engagement einen zutiefst menschlichen und unberechenbaren Gegenpol gefunden. „Mir hilft es, die Bodenhaftung zu behalten“, sagt Jörg Rohe, „ich bekomme den Blick für das, was wirklich wichtig ist im Leben“. Das Sterben, das weiß er, gehört dazu.