Bad Laasphe-Weide. Der Landwirt (56) will den Wiederaufbau. Joshua (18) und Luca (20) unterstützen ihn, auch die Menschen im Dorf. Das Unglück schweißt zusammen.

Richtfest bei Familie Hackler, Untere Weide 1: Das neue Stallgebäude hat seine Größe erreicht. Das wird gefeiert, gemeinsam mit rund 180 Nachbarn, Arbeitskollegen, Bekannten, Freunden und Verwandten. „Dazu haben wir alle Leute eingeladen, die uns sehr geholfen haben“, sagt Ernst Hackler (56), Landwirt im Nebenerwerb – zum Dank. Denn „ohne deren Hilfe müsste man an dieser Aufgabe verzweifeln“. Die Aufgabe – das ist der Wiederaufbau eines kompletten Betriebs. Nach einem schrecklichen Brand am Abend des 1. Weihnachtstages 2017, bei dem Stall und angrenzendes Wohnhaus ein Raub der Flammen wurden. Sachschaden: mehrere 100.000 Euro.

Die schreckliche Brand-Nacht

„Das Feuer war da – danach hat sich alles verändert“, sagt Ernst Hackler im Gespräch mit unserer Redaktion. „Das ist einfach so. Über Nacht war alles weg. Da ist man machtlos als Mensch.“ Hackler erinnert sich an jenen Abend, als gegen 20.45 Uhr plötzlich der Stall brennt – und die Flammen auf das Wohnhaus übergreifen. „In der ersten Panik-Reaktion mussten wir zusehen, dass keine Tiere und Menschen zu Schaden kommen“, erinnert sich der Landwirt.

Weide – eine Bad Laaspher Siedlung seit 1706

Die Ortschaft Weide mit seinen rund 135 Einwohnern liegt am Westrand des Stadtgebietes von Bad Laasphe an der Grenze zur Gemeinde Erndtebrück. Westlich erhebt sich die zu den südlichen Bergen des Rothaargebirges gehörige, 659 Meter hohe Birkenhecke. Von der Kernstadt Bad Laasphe ist Weide rund neun Kilometer Luftlinie entfernt.

Das Dorf entstand als Kanon-Siedlung, vermutlich um das Jahr 1706. Sein ursprünglicher Name lautete Stuppenhausen, benannt nach den durch das Roden entstandenen Baumstümpfen (Stuppen). Dieser im Jahre 1720 erstmals urkundlich vermerkte Name konnte sich aber nicht durchsetzen. Aus dem heute noch mundartlich gebräuchlichen „In der Weide“ entstand schließlich der Name „Weide“.

Die zuvor selbstständige Gemeinde gehört seit der Gebietsreform im Jahr 1975 zur Stadt Bad Laasphe.

Er und der Rest der Familie retten sich unverletzt vor dem Feuer. „Mein Sohn Joshua hat dann noch alle Tiere aus dem Stall ins Freie getrieben. Die sind dann einfach ins Dorf gelaufen.“ Ein Tag später: Die Tiere werden wieder eingefangen, auf einer Wiese provisorisch aufgestallt. Hackler: „Die Männer aus dem Dorf haben dabei geholfen, die Frauen haben Kaffee gemacht.“ Aber die Hilfe sei im Grunde noch viel, viel größer.

Das Löschwasser-Problem

Auch interessant

Erst einmal die der alarmierten Bad Laaspher Feuerwehr, die mit rund 120 Mann anrückt. Doch die Einsatzkräfte haben ein Problem. „Die Hauptschwierigkeit bestand darin, die Brandstelle mit ausreichend Löschwasser zu versorgen“, erklärt später Feuerwehr-Chef Dirk Höbener. Das Wasser muss mehrere Hundert Meter aus einem Industriegebiet herangeschafft werden. Bis kurz nach Mitternacht dauern schließlich die Löscharbeiten, ein Feuerwehrmann wird kreislaufbedingt ins Krankenhaus gebracht. Und am Tag danach muss ein Bagger immer wieder verbrannte Gebäudeteile einreißen, damit die Einsatzkräfte weitere Brandnester löschen können. Ein derartiges Unglück schweiße aber auch zusammen, stellt Höbener fest: „Der Zusammenhalt vor Ort ist großartig. Nachbarn, Freunde und Bekannte versorgen die Tiere und stehen der Familie bei.“

Die Unterstützung anderer

Bei dem Brand Ende 2017 sei „der Fall von Anfang an klar“ gewesen, berichtet Ernst Hackler: „Es war ein technischer Defekt.“ Und die Versicherung zahlt. „Sie haben Anspruch auf einen Wiederaufbau nach heutigem Stand.“ So habe es ihm der unabhängige Gutachter erklärt. Und so geschieht es derzeit.

Weitere Mutmacher in der Region:

Bei der Polizei bekommen die Hacklers auch den Hinweis, dass sie sich als Betroffene psychologische Unterstützung holen können. Doch die habe er eigentlich nicht gesucht, auch nicht gebraucht, so der Landwirt, die beiden Söhne ebenso wenig. Vielmehr habe man gemeinsam angepackt. Hilfreich seien allerdings die Tipps mehrerer ihm bekannter Landwirte aus der Umgebung gewesen, die selbst Ähnliches erlebt hätten. Von denen habe zwar „jeder seine ganz eigenen Erfahrungen gemacht“, so Hackler – doch so richtig „verstehen uns auch nur die, die selbst einmal abgebrannt sind“. Oder ungewohnte Gespräche mit der Polizei – „da kann man niemanden drauf vorbereiten“, sagt Hackler.

Die nächste Generation

Der 56-Jährige ist zuversichtlich: „Wir halten das hier zusammen.“ Denn er steht nicht allein, weil seine beiden Söhne Joshua (18) und Luca (20) ihn tatkräftig unterstützen. Auch sie sehen ihre Zukunft wie der Vater als Landwirte im Nebenerwerb. Das heißt: Alle drei haben noch andere Berufe, sind für Unternehmen in der Nähe tätig. Joshua ist im zweiten Lehrjahr, der ältere Bruder arbeitet bereits im Drei-Schicht-Betrieb. Von 6 Uhr früh bis nachmittags um drei im Beruf und von drei bis um sechs für die eigene Landwirtschaft im Einsatz – so sehe der Alltag des Nebenerwerbslandwirts wirklich aus, sagt Joshua. „Ich habe die Söhne immer mitgenommen auf dem Schlepper“, erklärt Ernst Hackler deren Begeisterung heute für die Landwirtschaft. „Ich habe ihnen das ein Stückweit vorgelebt.“

Der Blick nach vorn

Das Richtfest im Mai – es sei „einer der positivsten Tage überhaupt nach dem Brand gewesen“, bekennt Ernst Hackler. „Eine schöne Feier.“ Sensibel dagegen reagiert der 56-Jährige mittlerweile, wenn er in der Zeitung Berichte über Brände liest.

Futter fürs Vieh: Ernst Hackler, Landwirt im Nebenerwerb, an den Boxen im neuen Stallgebäude.
Futter fürs Vieh: Ernst Hackler, Landwirt im Nebenerwerb, an den Boxen im neuen Stallgebäude. © Eberhard Demtröder

Inzwischen hat das Stallgebäude ein Dach, läuft hier der Alltagsbetrieb, zumindest provisorisch. Sechs große Boxen für 40 Stück Fleischrinder und genug Platz für Schlepper sowie Landmaschinen auf der unteren Ebene mit ihren 1000 Quadratmetern, Futtervorräte und Stroh gelagert auf einer oberen. Noch fehlt der Innenausbau, ist das kleine Büro des landwirtschaftlichen Betriebs längst nicht eingerichtet. Immerhin: Das schnelle Internet liegt schon vor der Tür. Eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach erzeugt Strom, hilft Kosten einzusparen. Und die Einspeise-Vergütung des Stromversorgers „ist hoffentlich eine sichere Einnahme-Quelle“, so Hackler.

Das Familien-Team konzentriert sich auf ihre Fleischrinder und deren Züchtung, produzieren keine Milch, verzichten auf den Ackerbau. Und damit die Tiere im Stall gesund bleiben, schaut regelmäßig der Tierarzt aus Netphen vorbei. Heute kommt aus dem Team von Dr. med. vet. Christian Moll Deborah Zink, Tierärztin mit Schwerpunkt Großtier- und Pferdepraxis. Sie impft zwei der Tiere gegen die Blauzungen-Krankheit.

Die Familie auf engstem Raum

Die beiden Söhne und der Vater leben derzeit unter einem Dach mit dessen Eltern, beide inzwischen Mitte 80. Hier hat sich die Familie vorläufig eingerichtet. Aber es ist eng. „Eine Küche für drei Generationen“, bringt es Ernst Hackler auf den Punkt.

Auch die Bauarbeiten für das neue Wohnhaus haben längst begonnen. Es entsteht genau dort, wo der frühere Hof stand. Auf dem brachen Gelände erinnert nichts mehr an damals. Eine gute Basis für den Neuanfang. Bis Ende 2020 soll er geschafft sein, schätzt Ernst Hackler.

Ermutigende Erfolge als Züchter

Viel Erfolg hat Ernst Hackler als Züchter von „Limousin“-Rindern – auch das macht natürlich Mut.
Viel Erfolg hat Ernst Hackler als Züchter von „Limousin“-Rindern – auch das macht natürlich Mut. © Peter Kehrle

Viel Erfolg hat Ernst Hackler als Züchter von „Limousin“-Rindern – auch das macht natürlich Mut. Und es bringt Preise, etwa beim Tierschaufest auf dem Stünzel bei Bad Berleburg. Man könne stolz sein auf die vielen Wittgensteiner Landwirte, die an traditioneller Tierhaltung festhalten, sagt die heimische CDU-Landtagsabgeordnete Anke Fuchs-Dreisbach. Und: „Es ist, trotz der zahlreichen Herausforderungen, sehr erfreulich, dass so viele junge Leute in die Fußstapfen der Eltern treten, um die heimischen Betriebe aufrecht zu erhalten.“ So wie bei den Hacklers aus Weide.

Hilfreiche Kontakte

Opferschutz: Die Opferschutz-Beauftragte der Kreispolizeibehörde Siegen-Wittgenstein ist Kriminalhauptkommissarin Susanne Otto, 0271/7099-4800, E-Mail: susanne.otto@polizei.nrw.de.

Auch interessant

Polizeilicher Opferschutz und Opferhilfe soll dazu beitragen, Menschen, die durch Straftaten oder Unglücksfälle in ihrer Lebensqualität erheblich beeinträchtigt wurden, vor weiteren Gefahren zu schützen und ihnen Hilfen zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes anzubieten bzw. zu vermitteln.

Weißer Ring: Auch der „Weiße Ring“ ist lokaler Ansprechpartner in Sachen Kriminalitätsprävention und Opferhilfe. Für den Kreis Siegen-Wittgenstein betreibt er eine Außenstelle in der Kreisstadt Siegen. Außenstellenleitung: Regina Wagner, 0151/55164768