Winterberg, Medebach, Hallenberg. Grundsteuer-Dilemma: Kommunen wie Winterberg, Hallenberg und Medebach sehen den „schwarzen Peter“ bei sich. Wird es für HSK-Hausbesitzer teurer?

Die Bundesregierung wird die reformierte Grundsteuer nicht nachbessern. Das hatte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) laut Medienberichten seinen Amtskollegen aus Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz mitgeteilt. Die hatten ihn angeschrieben und darum gebeten, der Bund möge das Gesetz so anpassen, dass Kommunen wie Winterberg, Medebach oder Hallenberg das Erheben unterschiedlicher Hebesätze für Wohn- beziehungsweise Gewerbegrundstücke erlaubt wird. Die Kommunen haben zudem die Idee von NRW-Finanzminister Optendrenk (CDU), für differenzierte Hebesätze, von Anfang an kritisiert. Der Minister plant, den Gemeinden mehr Spielräume zu lassen.

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Rückblick in die Historie

Der Präsident des Städte- und Gemeindebundes NRW, Christoph Landscheidt (SPD) sagte jetzt gegenüber Medien: „In den meisten Städten und Gemeinden wird es allein technisch nicht möglich sein, bis 2025 ein neues System mit differenzierten Hebesätzen ans Laufen zu bringen.“ Für die Berechnung seien die Kommunen nämlich auf zertifizierte Programme angewiesen, die nicht auf Knopfdruck zu bekommen seien, stellte Landscheidt fest.

Für eine Bewertung sei zunächst ein Blick in die Historie wichtig, erklärt der Bürgermeister von Medebach, Thomas Grosche (CDU). NRW wende bei der Grundsteuerreform das Bundesmodell an. „Dieses Modell wird auch ‚Scholz-Modell‘ genannt, da es von unserem jetzigen Kanzler mit entworfen wurde, als er noch Finanzminister war. In der Praxis zeigt sich anhand der nun vorliegenden Einheitswertbescheide, dass Gewerbeimmobilien teilweise deutlich geringer bewertet sind, Wohnimmobilien dafür deutlich höher“, meint Grosche. Dies führe, laut seiner Lesart, zu einer Verschiebung der Steuerlast von Gewerbetreibenden hin zu Wohnhausbesitzern.

Thomas Grosche ist der Bürgermeister von Medebach.
Thomas Grosche ist der Bürgermeister von Medebach. © Brilon | Benedikt Schülter

Eine „Ungerechtigekit“

„Die Forderung der Kommunen war, dass das Land NRW diese Ungerechtigkeit im Bundesmodell durch eine einheitliche Landesregelung behebt. Der Landesfinanzminister sieht hierzu aber leider keine praktikable Möglichkeit. Das nun geplante Vorgehen hat etwas von Abgeben des Schwarzen Peters an die Städte und Gemeinden. Das sehe ich, wie der Städte und Gemeindebund, kritisch“, sagt er. Er habe Sorge, dass ein „Flickenteppich“ entstehe, da die Kommunen den angekündigten gesetzlichen Spielraum unterschiedlich anwenden könnten. Das wäre, laut Grosche, schwer vermittelbar.

Die Medebacher müssten sich aber keine Sorgen machen, dass die Hebesätze steigen: „Wir haben eine klare politische Beschlusslage, dass die Grundsteuerreform nicht zu Mehreinnahmen der Kommune ‚missbraucht‘ werden soll“, sagt der Bürgermeister. Man werde nach der Reform somit nicht mehr Grundsteuereinnahmen haben, als es 2024 der Fall sei. Dass es wegen der neuen Einheitswertbescheide aber zu „Gewinnern“ und „Verlierern“ der Reform komme, sei nicht vermeidbar.

„Aufgrund des verbleibenden knappen Zeitfensters von nur noch neun Monaten, sehe ich derzeit auch keine andere Möglichkeit, als den Weg über die Schaffung differenzierter Hebesätze auf Gemeindeebene“, sagt der Bürgermeister von Hallenberg, Enrico Eppner. Wie Grosche spricht auch er vom „schwarzen Peter“ der den Kommunen zugeschoben werde. „Ich hoffe, dass den Bürgerinnen und Bürgern bewusst wird, das die Kommunalverwaltungen aus dieses Vorgehen keine Einflussmöglichkeit haben“, sagt Eppner.

Hallenbergs Bürgermeister Enrico Eppner sieht den schwarzen Peter bei den Kommunen.
Hallenbergs Bürgermeister Enrico Eppner sieht den schwarzen Peter bei den Kommunen. © FUNKE Foto Serivces | Patricia Geisler

Viel zu spät reagiert

Es sei aus seiner Sicht nicht nachvollziehbar, warum bei diesem Thema viel zu spät reagiert worden sei, zumal, laut Eppner, die absehbaren Werteverschiebungen doch bereits seit Januar 2022 bekannt und hätten somit gegebenenfalls auch andere rechtliche Möglichkeiten eröffnet. „Mit Blick auch die Zeitschiene scheint eine verträgliche Lösung immer unwahrscheinlicher“, sagt er.

Wie hoch dann die differenzierten Hebesätze für Wohngrundstücke einerseits und Nichtwohngrundstücke andererseits ausfallen werden, könne er zum derzeitigen Zeitpunkt nicht sagen. Fest stehe, dass in Hallenberg, wie auch landesweit, die Grundsteuer-Messbeträge für Nichtwohngrundstücke ab 2025 deutlich zurückgehen werden. Es sei bisher seitens des Landes geplant, dass durch die Finanzverwaltung im Sommer 2024 den einzelnen Städten und Gemeinden die aufkommensneutralen Hebesätze mitgeteilt werden. Gleiches müsste dann nach einer gesetzlichen Änderung auch für die neu einzuführenden differenzierten Hebesätze gelten.

Nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens wäre vor dem Jahresende noch der Erlass einer Hebesatzsatzung durch den Rat erforderlich, damit die dann feststehenden Hebesätze entsprechend auf den Grundbesitzabgaben-Bescheiden 2025 ausgewiesen werden können. In Bezug zu einer Anhebung der Sätze betont Eppner, dass die Stadt Hallenberg zunächst abwarten müsse, wie sich die finanzielle Entwicklung im laufenden des Haushaltsjahrs 2024 darstelle. „Gerade im Hinblick auf die finanziellen Auswirkungen der Grundsteuerreform bestehen immer noch große Verunsicherungen bei weiten Teilen der Grundsteuerpflichtigen“, sagt er.

Rabea Kappen ist der Pressesprecherin und Projektkoordinatorin der Stadt Winterberg
Rabea Kappen ist der Pressesprecherin und Projektkoordinatorin der Stadt Winterberg © Jutta Klute | Unbekannt

Es wird nicht an der Preisschraube gedreht

Die Pressesprecherin der Stadt Winterberg, Rabea Kappen, beruhigt: „Es wird nicht an der Preisschraube gedreht, vielmehr bekommt jede Stadt im Sommer vom NRW-Finanzministerium einen aufkommensneutralen Hebesatz mitgeteilt. Nach den derzeitigen Berechnungen müsste die Grundsteuer B von 490 auf 595 angehoben. Dieser Messbetrag wird sich im Laufe des Jahres aber nochmal ändern, da einige Grundstücke noch nicht veranlagt wurden. Unter dem Strich nehmen wir daher aber nicht mehr ein, sondern wir haben einfach eine Verlagerung zwischen Wohngebäuden und Nicht-Wohngebäude“, so die Sprecherin.

Die Neufestsetzung der Grundsteuermessbeträge sei Ausfluss des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes. Bei der Neufestsetzung habe sich herausgestellt, dass Wohngebäude höher besteuert würden als Nicht-Wohngebäude. Auf dieses „Ungleichgewicht“ hätten die Bürgermeister des HSK das Finanzministerium schon im November 2023 mit zwei möglichen Alternativen, wie diese Spreizung der Belastungsverteilung abgefedert werden könnte, hingewiesen.

„Bis zum heutigen Tag gibt es nur Willenserklärung des NRW-Finanzministers, dass das Land NRW einen differenzierten gemeindlichen Hebesatz für die Grundsteuer B umsetzen will. Die gesetzliche Regelung fehlt allerdings noch. Wir hätten uns allerdings eine Entscheidung deutlich eher gewünscht, denn schlussendlich müssen wir diese rechtssicher umsetzen“, sagt Kappen. Und je mehr Zeit bis zur endgültigen Entscheidung verstreiche, je unwahrscheinlicher sei eine rechtssichere Umsetzung in den Kommunen.