Arnsberg/Winterberg. Das Landgericht Arnsberg verhängt ein hartes Urteil: Der Ex-Leiter der Außenstelle in Winterberg wird wegen Vergewaltigung schuldig gesprochen.
Ohne eine Gefühlsregung nimmt der Angeklagte am vergangenen Dienstag (2. April) sein Urteil entgegen: eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten. So lautet die Entscheidung der vierten Strafkammer des Landgerichtes Arnsberg gegen den ehemaligen Leiter der HSK-Außenstelle der Opferschutzorganisation Weißer Ring in Winterberg. Die Kammer sieht es als erwiesen an, dass der pensionierte 74-jährige Polizist eine Frau im Rahmen seiner Tätigkeit in deren Haus vergewaltigt hatte. Der Vorsitzende Richter Petja Pagel erklärt bei der Begründung, dass die Kammer unter anderem aufgrund der überzeugenden und konstanten Aussagen des Opfers zu dem Urteilsspruch gekommen sei.
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Dem Gericht hatte unter anderem ein sogenanntes aussagepsychologisches Gutachten der Frau vorgelegen. Dabei untersucht eine Psychologin oder ein Psychologe, ob eine Aussage auf erlebnisbasierten Fakten beruht, also ob das Geschilderte tatsächlich erlebt wurde. Zudem hatte eine weitere Psychologin die Frau begutachtet.
Deutliche Worte an den Angeklagten
Dagegen richtet Pagel ein paar deutliche Worte an den Angeklagten: „Ich mache diesen Job schon seit ein paar Jahren und ihre Einlassungen waren durchaus originell, aber wenig glaubhaft“, sagt er mit ernster Stimme. Während des gesamten Prozesses, der zum großen Teil unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand, hatte der ehemalige Polizeibeamte stets seine Unschuld beteuert. Sein Verteidiger Kay Hofheinz hatte zudem auf Freispruch plädiert.
Der Schuldspruch seines Mandanten erfolgte neben der Aussagen des Opfers auch aufgrund eines Videos, das die Frau heimlich während der Tat aufgezeichnet hatte. Laut Pagel bestätige die Tonaufnahmen, dass der Angeklagte unter dem Vorwand, Entspannungsübungen mit der Frau durchzuführen, die Tat begangen habe. Während der Urteilsverkündigung bleibt der Angeklagte ruhig und konzentriert, obwohl die Konsequenzen für ihn nicht nur die Haftstrafe nach sich ziehen wird. So droht ihm auch der Verlust seiner Pension. Zudem muss er an sein Opfer 8.000 Euro Strafe zahlen. Verteidiger Hofheinz erklärt gegenüber der WP, dass man über einen Revisionsantrag nachdenke. Er könne die Urteilsbegründung in Teilen nicht nachvollziehen. Zudem betont er, dass weitere Vorwürfe gegen seinen Mandanten fallen gelassen worden seien.
Nebenklage ist erleichtert
Obwohl das Urteil unter ihrer Forderung von vier Jahren und sechs Monaten Freiheitsentzug geblieben war, zeigt sich Nebenklagevertreterin Julia Artmann-Eichler erfreut: „Ich bin wirklich erleichtert“, sagt sie. Staatsanwältin Nicole Kuni hatte eine Freiheitsstrafe von vier Jahren und vier Monaten gefordert.
Der Fall, der im Februar 2021 für Aufsehen gesorgt hatte, schlägt nach wie vor hohe Wellen. Zu dieser Zeit wurden öffentliche Missbrauchsvorwürfe gegen den nun verurteilten Mitarbeiter des Weißen Rings erhoben. Ins Rollen brachte den Fall die Münsteraner Rechtsanwältin Julia Artmann-Eichler, die auch selbst bei der Opferschutzorganisation aktiv ist. An sie hatte sich eines der Opfer gewandt. Sie sei von den Aussagen der Frau schockiert gewesen, berichtet Artmann-Eichler gegenüber der WP. Ursprünglich hätte die Frau, die sie im Verfahren als Nebenklagevertreterin vertrat, nicht die Absicht gehabt, rechtliche Schritte gegen den Mann einzuleiten, sondern lediglich um eine andere Betreuung durch den Weißen Ring gebeten.
Die Organisation hatte die Schilderungen der Frau als glaubhaft eingestuft und den Mitarbeiter von seinen Aufgaben entbunden. Um den Vorfall aufzuarbeiten, richtete der Weiße Ring eine Taskforce ein und stellte die Informationen zu dem Fall selbst ins Netz, um weiteren potenziellen Opfern die Möglichkeit zu geben, sich zu melden. In den Wochen darauf gingen tatsächlich weitere Berichte mutmaßlicher Opfer beim Weißen Ring ein.
Übergriffig und unangemessen
Insgesamt neun Frauen stellten in der Folge Anzeige gegen den früheren Leiter der HSK-Außenstelle in Winterberg. Zwei der Fälle wurden daraufhin verhandelt. Einige der angezeigten Taten seien als übergriffig und unangemessen zu werten, aber nicht straffähig, so die Meinung der Staatsanwaltschaft. Die Frauen waren zuvor Opfer von Straftaten geworden und hatten sich hilfesuchend an den Weißen Ring gewandt.
Als Reaktion auf die Vorfälle hat der Verein, der sich ursprünglich als Unterstützung für Kriminalitätsopfer und zur Verhütung von Straftaten gegründet hatte, seine internen Richtlinien für die Betreuung weiblicher Kriminalitätsopfer verschärft. Laut diesen neuen Regeln dürfen Frauen, die Opfer von Sexualdelikten, häuslicher Gewalt oder Stalking wurden, nur noch von Mitarbeiterinnen oder hilfsweise nach dem sogenannten Sechs-Augen-Prinzip, also von zwei Mitarbeitern, betreut werden.