Brilon-Madfeld. Die Pläne für einen weiteren Schlachthof machten Hans-Jörg Scharfenbaum, Betreiber des Schlachthofs in Madfeld sorgen. Nun darf er aufatmen.

Der Neubau eines Schlachthofes in Mengeringhausen (Bad Arolsen) ist vorerst vom Tisch. Während das Aus der Schlachtstätte bei Kommunalpolitikern, Metzgern, Bauern und Verbänden im Kreis Waldeck-Frankenberg Bedauern ausgelöst hat, ist Hans-Jörg Scharfenbaum erleichtert. Er betreibt den Schlachthof in Brilon-Madfeld, in dem auch mehrere Fleischer aus Waldeck-Frankenberg schlachten lassen.

Es sind weniger als elf Kilometer und zwölf Minuten von der Landesgrenze bis zum Schlachthof von Hans-Jörg Scharfenbaum. „Luftlinie sind es sogar nur fünf Kilometer“, sagt der 55-Jähriger, der unsere Zeitung in seinen Betrieb nach Brilon-Madfeld eingeladen hat. Er hält kurz inne und stellt eine rhetorische Frage: „Ist das hier etwa nicht regional?“

Im Umkreis von 100 Kilometern der einzige Schlachthof

Der Briloner Ortsteil Madfeld zählt etwas mehr als 1200 Einwohner. Hans-Jörg Scharfenbaum ist hier geboren und aufgewachsen. Im elterlichen Milchviehbetrieb, in dem es auch Rinder und Schweine gab, kam er früh mit der Hausschlachtung in Berührung. Nach der Fleischerausbildung und der bestandenen Meisterprüfung arbeitete er in mehr als zehn Schlachthöfen in Deutschland und der Schweiz. 1997 legte er in seinem Heimatdorf den Grundstein für den eigenen Schlacht- und Metzgereibetrieb. In den mehr als 25 Jahren danach ist auf dem über 2000 Quadratmeter großen Areal ein imposanter Betrieb entstanden. „Im Umkreis von 100 Kilometern sind wir der einzige noch verbliebene Schlachthof“, sagt der 55-Jährige mit gewissem Stolz.

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Er macht keinen Hehl daraus, dass er darüber erleichtert ist, dass die Schlachthof-Pläne gescheitert sind. Er habe schließlich zahlreiche Kunden aus Waldeck-Frankenberg. „Die Metzgerei Bernhard Tent, Schneiders aus Vöhl, die Fleischerei Figge aus Willingen, Köhler Renner aus Arolsen, die Fleischerei Burk aus Volkmarsen und noch weitere Metzger aus dem Nachbarkreis lassen bei mir schlachten. Sie holen ihre Tiere vorher meist von Landwirten aus Waldeck-Frankenberg. Anschließend werden die Tiere bei mir geschlachtet. Die Schweine- und Rinderhälften oder zerlegte Teilstücke bekommen die Metzger und Fleischer dann wieder zurück und verarbeiten diese in ihrem Betrieb für die heimische Kundschaft. Regionaler geht es doch gar nicht“, sagt Scharfenbaum. Auch für die Fürstlich Waldeckische Wildkammer schlachte und zerlege er Tiere, um daraus Wildspezialitäten zuzubereiten.

Dass geplant war, mit Fördergeld einen neuen Schlachthof in Mengeringhausen aufzubauen, der sich womöglich gar nicht gerechnet und der einen anderen kaputtgemacht hätte, hab ich nie verstanden.
Hans-Jörg Scharfenbaum - Betreiber des Schlachthofes in Madfeld

„Wenn ich alle diese Kunden an einen Schlachthof in Mengeringhausen verlieren würde, kann ich hier zusperren“, sagt der 55-Jährige. Die geschäftlichen und freundschaftlichen Beziehungen nach Waldeck-Frankenberg seien eng und hätten sich über Jahre fest etabliert. „Dass geplant war, mit Fördergeld einen neuen Schlachthof in Mengeringhausen aufzubauen, der sich womöglich gar nicht gerechnet und der einen anderen kaputtgemacht hätte, hab ich nie verstanden“, sagt der Madfelder.

Im vergangenen Geschäftsjahr habe er in seinem Unternehmen den Umsatz zwar um 20 Prozent und damit um 1,1 Millionen Euro gesteigert. Unterm Strich seien aber nur knapp 60 000 Euro Gewinn geblieben. „Das ist eine schwarze Null, mehr ist das nicht. Alleine das zeigt schon, wie eng alles kalkuliert ist. Bedeutet: Wer einen mittelständischen Schlachthof betreibt, wird nicht reich. Ich fahre kein dickes Autos. Alles, was ich in den vergangenen Jahren an Gewinn erwirtschaftet habe, ist wieder in die Firma geflossen“, berichtet Hans-Jörg Scharfenbaum. Das Geschäft sei auch angesichts steigender Energiepreise und sinkender Nachfrage nach Fleischprodukten schwerer geworden. Hinzu kämen immer mehr Auflagen, die beim Betrieb eines Schlachthofes zu erfüllen seien. „Trotzdem sind wir mit viel Engagement und Liebe dabei“, betont der 55-jährige Schlachthofbetreiber.

200 Schweine pro Woche geschlachtet

Zur Belegschaft gehört auch Jannik Brieden, der vor eineinhalb Monaten seine Gesellenprüfung erfolgreich absolviert hat. „Hier im Betrieb habe ich alles gelernt: schlachten, zerlegen, Wurst machen und verpacken“, sagt er. Eigentlich habe er auch mal vorgehabt, einen eigenen Schlachthof zu betreiben. Die Idee sei zwar immer noch im Kopf. „Ich weiß aber, dass dies heute aus vielerlei Gründen sehr schwer ist“, sagt Jannik Brieden,

Bei Scharfenbaums in Madfeld wird längst nicht mehr nur geschlachtet und zerlegt. Der Betriebsgründer hat sich im vergangenen Vierteljahrhundert mehrere Standbeine aufgebaut. „Von der Schlachtung alleine kann ich das Unternehmen nicht wirtschaftlich betreiben. Das ist völlig ausgeschlossen“, betont Hans-Jörg Scharfenbaum. Würde die Schlachtung seine einzige Einnahmequelle sein, bräuchte er in der Woche mindestens 1000 Schweine, die geschlachtet werden. Derzeit seien es etwa 200. Auch die Zahl der Rinder müsste sich deutlich erhöhen.

Ein neuer Schlachthof in Mengeringhausen, der sogar noch kleiner wäre als der Madfelder Schlachtbetrieb, würde sich aus Sicht des 55-Jährigen daher niemals rechnen. Es sei schon nachvollziehbar, dass der potenzielle Investor einen Rückzieher gemacht habe. „Einen Schlachthof zu betreiben, bedeutet sehr, sehr viel Arbeit. Eine 40-Stunden-Woche kenne ich nicht. Ich stand heute Nacht schon wieder um 2 Uhr im Betrieb. Ich lebe das hier, anders geht es nicht“, sagt Hans-Jörg Scharfenbaum.

Im Unternehmen arbeiten insgesamt 100 Menschen

Hinzu kämen hohe Investitionen. „Wir haben in den zurückliegenden Jahrzehnten Millionen für Maschinen ausgegeben, die natürlich auch immer wieder gewartet werden müssen. Außerdem haben wir den Betrieb immer wieder erweitert, um wirtschaftlich bleiben zu können“, sagt Scharfenbaum.

Ob im Auftrag von Metzgereien oder für den eigenen Hofladen: Bauern können ihre Schweine, Schafe oder Rinder zu Scharfenbaums bringen oder abholen lassen. Die geschlachteten Tiere werden anschließend im Schlachthof in Madfeld in Einzelteile zerlegt. „Jeder bekommt genau das Tier zurück, was er zuvor gebracht hat“, sagt Hans-Jörg Scharfenbaum. „Mal ehrlich: Ein Metzger aus Willingen, der sich seine Schweine von Bauern aus der Umgebung besorgt und zum Schlachten zu uns nach Brilon-Madfeld bringt, legt doch eine kürzere Strecke zurück, als wenn er zu einem neuen Schlachthof nach Mengeringhausen fahren würde“, sagt der 55-Jährige. Ähnlich stelle sich die Situation derzeit beispielsweise auch für Fleischer aus Diemelsee dar. Die Wege von Korbach aus seien ebenfalls vertretbar. „Ich habe mit all meinen Kunden aus Waldeck-Frankenberg ein gutes Verhältnis. Wenn es Probleme gibt, reden wir vernünftig drüber und lösen sie“, sagt Hans-Jörg Scharfenbaum.

Dass eine Schlachtung alleine nicht ausreicht, um einen Betrieb wirtschaftlich am Laufen zu halten, war dem Madfelder schnell klar. Bei Scharfenbaums werden daher auch Fleischprodukte aller Art hergestellt und im Werkverkauf sowie in fünf firmeneigenen Geschäften an der Frische-Theke angeboten. Außerdem werden Fleisch- und Wurstwaren des Madfelder Familienunternehmens in den SB-Bereichen von mehr als 30 Läden verkauft. „Wir verwerten im Schlachthof alles, was möglich ist und machen aus Knochen auch Suppen“, sagt Scharfenbaum. In seinem Unternehmen arbeiten insgesamt 100 Menschen.

Wer sich auf dem Betriebsgelände in Madfeld umschaut, stellt fest: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter legen oft selbst Hand an. In der großen Werkstatt wurden schon kleine Tore für die Tier-Ställe sowie Boxen, Regale und Schränke gefertigt. Auch Reparaturen finden hier statt. „Bei uns muss jeder alles können. Wenn ich solche Arbeiten an Fremdfirmen vergeben würde, könnte ich das gar nicht bezahlen“, sagt Hans-Jörg Scharfenbaum.

Er sei außerdem „mit Herzblut Ausbilder für den Fleischer-Nachwuchs“. Nur leider werde es immer schwieriger, junge Menschen für das Handwerk zu finden. Umso glücklicher sei er, dass seine älteste Tochter und sein Sohn ihre Zukunft im elterlichen Betrieb sehen. „Unsere jüngere Tochter hat dagegen andere Pläne, aber das ist auch völlig okay. Auch sie wird ihren Weg gehen“, sagt der 55-Jährige.