Brilon. Pflegebedürftige müssen immer mehr Kosten für einen Heimplatz aufbringen. Der Caritasverband Brilon warnt vor den Folgen.
Viele Pflegebedürftige und Angehörige erleben, dass der Eigenanteil, den sie für einen Heimaufenthalt zahlen müssen, immer weiter steigt. Sie blicken deshalb mit großer Sorge auf diese Entwicklung, zumal es für manch einen aktuell um mehrere Euro pro Monat an Mehrkosten geht – und das, wo die Kosten sowieso schon auf hohem Niveau sind. Wir haben mit dem Caritasverband Brilon über das Problem gesprochen, das natürlich nicht nur diesen Träger, sondern die gesamte Pflegebranche betrifft.
Teilweise mehrere hundert Euro Mehrkosten
Annette Thamm, Fachbereichsleitung für teilstationäre und stationäre Altenhilfe im Caritasverband Brilon, rechnet beispielhaft für die Einrichtungen des Caritasverbandes vor, dass sich der Eigenanteil aktuell je nach Einzelfall um bis zu 594 Euro pro Monat erhöhen kann - und das, obwohl die von den Pflegekassen gezahlten Zuschüsse zum Eigenanteil ab 1. Januar 2024 erhöht wurden. Für Heimbewohner/innen bzw. deren Angehörigen kann das bedeuten, dass der Eigenanteil auf bis zu 3799 Euro pro Monat ansteigt. Das gilt zumindest im ersten Jahr des Aufenthalts, danach sinkend die Kosten schrittweise. Denn: Je länger der Aufenthalt in einer Einrichtung dauert, desto größer wird der Zuschuss, wodurch der Eigenanteil dann wieder verringert wird.
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Die Zuschüsse sind nach Aufenthaltsdauer gestaffelt und liegen zwischen 15 und 75 Prozent. Annette Thamm erklärt, dass sich dementsprechend der Eigenanteil schrittweise um bis zu 1560 Euro reduzieren kann, wenn jemand mehrere Jahre in einer Einrichtung lebt. In den Einrichtungen des Caritasverbandes Brilon liegt der Anteil der Selbstzahler zurzeit bei rund 57 Prozent. Im Umkehrschluss heißt das: 43 Prozent sind auf staatliche Unterstützung angewiesen.
VdK Deutschland spricht von einer „Kostenexplosion“
Der VdK Deutschland spricht angesichts der aktuellen Situation von einer „Kostenexplosion“, durch die Pflege immer mehr zu einem privaten Risiko werde. In einer Pressemitteilung schreibt der Verband: „Die staatlichen Zuschüsse verpuffen, weil immer höhere Personal- und Sachkosten die Preise in die Höhe treiben. Zu spüren bekommen das Pflegebedürftige und ihre Angehörigen. Viele gehen finanziell in die Knie. Trotz der Kostenzuschüsse ab dem zweiten Jahr im Pflegeheim müssen etwa 27 Prozent der Pflegebedürftigen von Hilfe zur Pflege, also Sozialhilfe, leben.“
Caritasverband sieht Entwicklung kritisch
Deshalb befürchtet auch die Fachbereichsleiterin des Caritasverbands Brilon: „Der Anteil von Menschen, die auf soziale Unterstützung angewiesen sind, wird sich erhöhen, da der Eigenanteil aus Eigenmitteln für viele nicht mehr zu stemmen sein wird.“ Deshalb habe der Caritasverband Brilon Bewohner/innen, Angehörige und Betreuer schon frühzeitig über die anstehenden Pflegesatzerhöhungen informiert und eine Beratung und Unterstützung angeboten, um die Finanzierung des Pflegeplatzes sicher zu stellen und sie gegebenenfalls bei Anträgen zu unterstützen.
Annette Thamm erklärt: „Wir sehen die Entwicklung, dass immer mehr Bewohner/innen Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln abrufen müssen, sehr kritisch. Zum einen, weil gerade die Generation von Senioren in Einrichtungen lebt, die Deutschland nach dem Krieg aufgebaut hat und denen es schwerfällt, einen Antrag auf Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln zu stellen. Zum anderen stellen wir fest, dass die Bearbeitung eines solchen Antrags oft mehrere Monate dauert. In dieser Zeit sind die Bewohner/innen in Ungewissheit und der Einrichtung fehlen massiv Einnahmen, die vorfinanziert werden müssen.“
Sorge um die Zukunft der Pflege
Caritas-Vorstand Heinz Georg Eirund erklärt, dass die Situation sowohl für die Betroffenen als auch für die Einrichtungsträger insgesamt immer schwieriger werde: „Immer mehr Pflegeeinrichtungen kommen angesichts der schwierigen Personal- und Kostensituation zunehmend an ihre Grenzen und geraten teilweise in existenziell bedrohliche Situationen. Gleichzeitig kann ich verstehen, dass die steigenden Kosten, die Angehörige für die Pflege im Heim aufbringen müssen, zu einem immer größeren Problem werden. Deshalb möchte ich betonen, dass diese Kosten von uns nicht frei gestaltet werden, sondern zu 100 Prozent gegenüber den Kostenträgern nachgewiesen werden müssen. Es geht für uns nicht darum, Gewinne zu erzielen, sondern nachhaltig zu wirtschaften, um die Einrichtungen für die Zukunft erhalten zu können. Meine große Sorge ist, dass künftig immer mehr Menschen in ihrer Häuslichkeit unterversorgt bleiben, weil sie sich keinen Pflegeplatz im Heim leisten können.“
Als Gründe für die Kostensteigerung in der Pflege nennt er unter anderem die steigenden Personalkosten durch Tarifsteigerungen. Diese finanziellen Verbesserungen seien allerdings dringend notwendig, um angesichts des akuten Personalmangels ausreichend Pflegefachkräfte zu finden. Daneben gebe es aber auch viele Kosten, die zum Beispiel für die Einhaltung von Datenschutzbestimmungen, Digitalisierungs- und Präventionsmaßnahmen notwendig seien. Heinz Georg Eirund kritisiert: „Diese Anforderungen werden aktuell nicht ausreichend durch die Pflegekassen refinanziert.“ Deshalb fordert der Caritasverband Brilon: „Wir fordern die Politik auf, das Pflegesachleistungsbudget zu erhöhen, damit die Pflege bezahlbar bleibt. Auch muss die Bürokratie massiv abgebaut werden. Die Träger müssen gestärkt werden, sonst besteht die Gefahr, dass das gesamte System deutschlandweit zusammenbricht.“
HSK rechnet nicht mit mehr Sozialleistungsempfängern
Der Vorsitzende des Caritasverbandes Brilon geht davon aus, dass künftig immer mehr Menschen auf soziale Leistungen angewiesen sein werden, um sich Pflege überhaupt leisten zu können. Der Hochsauerlandkreis sieht das anders. Auf Anfrage erklärte der HSK, dass er zurzeit nicht mit einer steigenden Zahl an Sozialleistungsempfängern rechne. Denn: „Durch das zum 1. Januar 2024 in Kraft getretene Gesetz zur Unterstützung und Entlastung in der Pflege bekommen die Pflegeheimbewohner auch höhere Leistungen ihrer Pflegeversicherung.“ Diese Einschätzung teilt Heinz-Georg Eirund nicht. Er sagt: „Die Erhöhung der Pflegesachleistung zum 1. Januar 2024 ist keinesfalls ausreichend.“
Aktuell sind im HSK 1.106 Personen auf Hilfe zur Pflege und Pflegewohngeld angewiesen, weil sie ihre Pflegeheimkosten nicht selbst tragen können. Die Zahlen der Vorjahre: 2023 waren es 1.084, 2022: 1.143, 2021: 1.193 und 2020: 1.155 Personen.