Marsberg/Bad Arolsen. Das weltgrößte Archiv zu Opfern und Überlebenden des Nationalsozialismus in Bad Arolsen bekommt ein neues Gebäude. Kostenpunkt: 17,3 Mio. Euro.
Mal ist es nur eine Karteikarte. Auf ihr steht der Name, der Geburtsort und der Tag, an dem die Person in eines der Konzentrationslager gebracht wurde. Mal ist es ein Ring, eine Brille, eine Armbanduhr. Könnten die Gegenstände reden, wüssten sie Geschichten zu erzählen. Schaurige, menschenverachtende Geschichten. Aber deren Besitzer leben nicht mehr. Ermordet in Buchenwald, Dachau oder Auschwitz.
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Die Arolsen Archives sind das weltweit größte Archiv zu den Opfern und Überlebenden des Nationalsozialismus. Die Sammlung mit Hinweisen zu rund 17,5 Millionen Menschen (!) gehört zum UNESCO-Weltdokumentenerbe. Sie ist eine wichtige Wissensquelle für die heutige Gesellschaft. Heute vielleicht wichtiger denn je. Aber die Gebäude in Bad Arolsen sind in die Jahre gekommen und brauchen mehr Platz.
„Herausfordernde Bauaufgabe“
Die Sammlung der Arolsen Archives soll nun ein neues Archivgebäude bekommen, in dem das zeitgeschichtliche Erbe sicher und repräsentativ aufbewahrt wird. Nach Abschluss eines Architekturwettbewerbs steht nun fest: Das Architekturbüro Riehle Koeth aus Stuttgart gewinnt mit seinem Entwurf den ersten Preis für diesen Neubau. Gemeinsam mit dem Düsseldorfer Landschaftsarchitekturbüro „kraft.raum“ gelingt dem Büro „eine bewundernswert klare und schlüssige Bearbeitung der herausfordernden Bauaufgabe“, so die Jury in ihrer Begründung. „Bewahren und Erinnern“ – das seien die zwei wesentlichen Aufgaben des neuen Archivgebäudes, heißt es in einer Presse-Info der Arolsen Archives. Die Stuttgarter Architekten hätten dafür einen spannungsvollen Kontrast gefunden von einem schweren, geschlossenen Kubus, umgeben von einem leichten, transparenten Baukörper im Pavillonstil, der zum Erinnern einlädt. Der Archiv-Neubau soll laut Planung 2028 fertiggestellt sein und ist mit rund 17,3 Millionen Euro veranschlagt.
Bei der Auswahl der besten Konzepte orientierte sich die 13-köpfige Jury unter Vorsitz von Prof. Gesine Weinmiller an Kriterien wie zeitgenössische Architektur, Funktionalität, Energieeffizienz sowie an baurechtlichen Vorgaben und Freiflächengestaltung. Besonderes Augenmerk lag zudem auf dem Dialog zwischen dem historischen Stadtpark am geplanten Standort in Bad Arolsen und dem Neubau sowie der Symbolträchtigkeit von Außen- und Innenwirkung. „Die Arolsen Archives bekommen endlich nach 80 Jahren die bauliche Hülle, die der Bedeutung dieses Archivs entspricht. 30 Millionen Dokumente über NS-Verfolgte werden hier für die Nachwelt erstmals unter perfekten konservatorischen Bedingungen untergebracht. Das Archiv ist gleichermaßen Forschungsstätte und Mahnmal. Aus einer Vielzahl an hervorragenden Entwürfen sei es gelungen, drei außergewöhnlich gute Arbeiten zu prämieren.
Floriane Azoulay, Direktorin der Arolsen Archives ergänzt: „Das Gebäude wird auch ein Ort des Gedenkens sein und muss Raum bieten für emotionale Momente, die im Umgang mit den persönlichen Schicksalen entstehen. Die eingereichten Entwürfe zeigen, dass sich anspruchsvolle Aufgaben wie diese mit Funktionalität und einer optimalen Arbeitsatmosphäre für unsere Mitarbeitenden vereinen lassen.“
Für den Wettbewerb zeichnete die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben verantwortlich, unterstützt von der Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main (OFD), dem Landesbetrieb Bau und Immobilien Hessen sowie den Arolsen Archives als Nutzer. Über 50 nationale und internationale Planungs- und Architekturbüros hatten sich für die Teilnahme beworben, 15 Büros wurden für den Architekturwettbewerb mit einem Preisgeld von 131.000 Euro ausgewählt. Das Preisgericht begutachtete die Entwürfe Ende Oktober 2023. Der Neubau soll ab 2028 nicht nur die Dokumente der Arolsen Archives schützen, sondern auch das UNESCO-Weltdokumentenerbe nach außen hin repräsentieren.
Wanderausstellung in Olsberg
Die Arolsen Archives waren im März in die Schlagzeilen geraten. Damals hatten die Mitglieder des IA – das ist der Internationale Ausschuss,der als Kontrollgremium des Archivs gilt - sowie Kulturstaatsministerin Claudia Roth einen Brief erhalten, in dem Beschäftigte und ehemalige Beschäftigte Vorwürfe gegen die Direktion der Institution erhoben hatten. Die Anschuldigungen wurden anonym vorgebracht und klagten verschiedene Fehlverhalten der Direktion gegenüber der Belegschaft an. Der umfassende Abschlussbericht, den die Rechtsanwaltskanzlei Göhmann dem Internationalen Ausschuss vorgelegt hat, entlastet die Direktion, da es keinerlei Hinweise auf arbeitsrechtlich oder strafrechtlich relevante Pflichtverletzungen gegeben habe.
Noch bis zum 6. Dezember läuft im Olsberger Rathaus eine Wanderausstellung mit dem Titel „Stolen Memory“. Die Arolsen Archives zeigen dort anhand persönlicher Gegenstände ehemaliger KZ-Häftlingen deren Lebens- und Verfolgungsgeschichte.