Hochsauerland. Loriot wäre 100 geworden. Auch heimische Künstler hat der Humorist inspiriert. Vier Frauen erzählen, wie er ihren Humor geprägt hat.

Ach, was! Früher war mehr Lametta! Die Ente bleibt draußen! Der Hund kann überhaupt nicht sprechen! Und mit einem Jodel-Diplom hat man was Eigenes. Kein Zweiter hat unsere Sprache so bereichert wie der legendäre Humorist Bernhard-Viktor „Vicco“ Christoph-Carl von Bülow alias Loriot. Am 12. November wäre er 100 geworden. Aber auch heimische Künstlerinnen – erstaunlicherweise sind uns ganz spontan nur Frauen eingefallen, die auf der Bühne zu Hause sind – hat der Loriot’sche Humor geprägt.

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Ariana Raspe aus Brilon hat in „Loriots dramatischen Werken“ mitgespielt

Da ist zum Beispiel Ariane Raspe, Schauspielerin aus Brilon, die u.a. in der TV-Serie „Stromberg“ mitgewirkt hat. Sie war bei den Schlossfestspielen in Hohenlimburg, im Theater an der Volme in Hagen und bei mehreren Gastspielen in „Loriots dramatische Werke“ zu sehen.“ Dabei übernahm sie überwiegend die Evelyn-Hamann-Rollen. „Mein Lieblingssketch ist und bleibt ,Parkgebühren‘. Die Rolle der Politesse, die sich mit ihrem Beamtendeutsch in den Wahnsinn redet, ist gleichzeitig die Rolle, die mich in meiner bisherigen Theaterlaufbahn - bezogen auf das Textlernen - die meisten Nerven gekostet hat. Ich habe nachts plötzlich senkrecht im Bett gesessen und panisch den Text aufgesagt. Dabei hat sich Loriot keinen Mumpitz zurecht geschrieben. Das hat er ja nie. Der Text ist komplett schlüssig und wenn man ihn einmal drauf hat, macht es riesigen Spaß, die Rolle zu spielen. Und daraus lebt Loriots Humor: Aus dem Ernst des Lebens.“

Die Briloner Schauspielerin Ariane Raspe als Politesse im Loriot-Sketch.
Die Briloner Schauspielerin Ariane Raspe als Politesse im Loriot-Sketch. © WP | WP-BILD,

Nicht nur für Ariane Raspe war Loriot ein grandioser Beobachter. Namen wie Hallmackenreuther, Klöbener Krötenpfuhl oder dass der Papst eine Herren-Boutique ausgerechnet in Wuppertal eröffnen will, sind keine lustigen Wortspielereien von Loriot, sondern mitten aus dem (damaligen) Leben gegriffen. „Bedauerlich finde ich, dass jüngere Generationen über Sketche wie ,Die Parkuhr‘ gar nicht lachen können, da ja auch Parkuhren inzwischen digitalisiert wurden. Übrigens hatte ich mir in der Schlossspielinszenierung erlaubt, im Anschlusssketch ,Skat‘ nochmals als wahnsinnig gewordene Politesse durch die Szenerie zu laufen. Das hat für einen schönen Extralacher gesorgt. Auch, dass wir die „Herren im Bad“ nicht, wie in anderen Theaterinszenierungen üblich, ausschließlich in Badehose haben spielen lassen, sondern sie mit großem Überraschungseffekt am Schluss hautfarbene Höschen mit Attrappen ihres besten Stücks trugen, brachte das Publikum regelmäßig zum Kreischen.“

Wie bei einem klassischen Stück, ist es bei Loriots Texten nicht möglich, zu improvisieren. Die Schauspieler müssen den Text haargenau lernen und das ist nicht einfach.
Ariane Raspe, Schauspielerin aus Brilon

Als erfahrene Theaterschauspielerin weiß Ariane Raspe: „Wie bei einem klassischen Stück, ist es bei Loriots Texten nicht möglich, zu improvisieren. Die Schauspieler müssen den Text haargenau lernen und das ist nicht einfach, da der Humor auch aus der Präzision entsteht, mit der einzelne Sätze und Wörter gesetzt sind. Es wiederholen sich häufig Sätze mit geringfügigen Abänderungen. Es hat schon seinen Grund, warum es mal „Wenn die rote Kontrollscheibe im Sichtfenster sichtbar wird, ist die Parkzeit mindestens um 10 Minuten überschritten…“ oder ein paar Sätze weiter nur „Wenn die rote Kontrollscheibe im Sichtfenster sichtbar wird, ist die Parkzeit überschritten…“ heißt. Diese Unterschiede präzise zu lernen ist auch nicht zuletzt deshalb so wichtig, weil die Schauspielkollegen ihre genauen Stichwörter brauchen.“

Ariane Raspe hat noch ein schönes Beispiel dafür, dass Loriot auch privat ein toller Mensch gewesen sein muss: „Als der Schlossspielleiter Peter Schütze ihn wegen der Aufführungsrechte anschrieb, kam ein persönlicher Brief von Loriot zurück, dass er keine Tantiemen haben wolle. Es sei ihm nur wichtig, dass seine Sketche werkgetreu aufgeführt werden und dabei wünsche er uns viel Spaß und Erfolg.“

Karin Berkenkopf, alias Frieda Braun, liebt „Ödipussi“

Auch Kabarettistin Karin Berkenkopf, alias Frieda Braun aus Winterberg, ist mit Loriot groß geworden: „Loriots Film ,Ödipussi‘ ist für mich das größte Highlight. Diese Dichte an absonderlichen Charakteren und verkorksten Situationen - und dann die scheinbar ungeschickten Bewegungen, gepaart mit umwerfend komischer Mimik! Genial.“ Die Kunst, innere Zerrissenheit, Selbstzweifel und Unsicherheit mit feinsten darstellerischen Mitteln sichtbar zu machen, werde hier auf die Spitze getrieben, schwärmt die Winterbergerin.

Frieda Braun, alias Karin Berkenkopf aus Winterberg, schätzt das Timing bei Loriots Sketchen. 
Frieda Braun, alias Karin Berkenkopf aus Winterberg, schätzt das Timing bei Loriots Sketchen.  © wp | Privat

Loriots Filme leben aber immer auch von der Beherrschung des perfekten Timings. Berkenkopf: „Gerade, wenn mehrere Akteure beteiligt sind, erfordert es akribisches handwerkliches Können, die Dialoge und Handlungen in jeder einzelnen Szene im richtigen Rhythmus aufeinanderfolgen zu lassen. Wartet man auch nur zwei Sekunden zu lang oder ist man zu schnell, kann man die Pointe regelrecht versenken.“ Beim Sketch „Ich will doch nur sitzen“ von Loriot kann man ihrer Meinung nach wunderbar nachvollziehen, welchen Stellenwert präzises Timing hat: „Die Schritte der Ehefrau in der Küche wirken fast wie ein Taktgeber. Der Dialog zwischen Mann und Frau wechselt in Abstimmung mit dem Text immer mal wieder den Rhythmus. Und genau das gibt der Geschichte ihre besondere Spannung und Würze.“

Davina Sauer ist mit den „Hoppenstedts“ groß geworden

Die Olsbergerin Davina Sauer hat sich inzwischen nicht nur als (Bühnen-)Tanzpädagogin einen Namen gemacht. Mit ihren „Landmaus-Flausen“ und dem Poetry-Slam ist sie auf Bühnen in NRW und Hessen erfolgreich: „Bei uns lief früher schon klassischerweise zu Weihnachten Familie Hoppenstedt. Den Humor hinter den Sketchen habe ich erst etwas später als Jugendliche verstanden und ab ,Pappa ante Portas‘ geliebt. Vielleicht fand ich es als Kind nicht witzig, weil ich Leute kannte, die im Prinzip genau so waren wie die Hoppenstedts. Und lustig waren die irgendwie nicht.“

Bühnentanzpädagogin Davina Sauer aus Olsberg ist mit ihren „Landmausflausen“ sehr erfolgreich.
Bühnentanzpädagogin Davina Sauer aus Olsberg ist mit ihren „Landmausflausen“ sehr erfolgreich. © WP

Davina Sauer bewundert, wie genial er uns den Spiegel vorhält, mit welcher Ernsthaftigkeit er unseren spießigen Alltag überspitzt darstellt. Überspitzt, aber trotzdem immer so, dass man denken könnte: „Jau! Exakt so ein absurdes Gespräch habe ich kürzlich auch noch geführt. Loriot zieht uns durch den Kakao, aber tritt nicht nach uns. Für mich ganz großes Kino.“ Ein Klassiker ist für sie das „Jodeldiplom“. Auch hier diese Ernsthaftigkeit der Charaktere, mit der sie üben, ihre selbstbewusste Sicht auf sich selbst. „So mitten aus dem Leben ist für mich aber ,Ich sitze‘. Tolle Kommunikationsstudie. Irre, mit wie wenig Worten er Komik erzeugt. Dieses Wahnsinns-Timing, das sich wahrscheinlich jeder wünscht, der sich darin versucht, irgendwas mit Humor zu machen. Das Verrückte ist, dass man als Comedian direkt merkt, ob das Timing gut oder schlecht war, aber dann ist es ja schon geschehen, verflixt! Je leichter es aussieht, desto mehr Arbeit steckt oft dahinter. Eigentlich ähnlich wie beim Tanzen.“

Beate Ritter, Schauspielerin und Sprecherin
Beate Ritter, Schauspielerin und Sprecherin © WP | WP

Beate Ritter aus Brilon mag den trockenen Loriot-Humor

Beate Ritter aus Brilon ist Schauspielerin, Sprecherin und Regisseurin: Loriots Sketche und Filme haben sie seit ihrer Jugend begleitet. „Sein trockener Humor und die schauspielerisch bis ins kleinste Detail ausgearbeiteten Szenen haben mich immer begeistert. Nicht zu vergessen Evelyn Hamann an seiner Seite, der er ein erstklassiger Partner war. Neben vielen anderen Komikern hat mich sein Humor insofern in meiner Arbeit bestätigt, da er nie die Menschen vorführte oder sich über sie lustig machte. Er zeigte sie ehrlich in all ihren Unzulänglichkeiten und Widersprüchen, die er bis ins Groteske und Absurde wiedergab. Er war nicht schadenfroh. Ich denke, sein Erfolg lag in seinem vielseitigen Talent und in seinem einzigartigen Humor, der den Menschen in all seiner Gegensätzlichkeit perfekt wiedergab.“