Brilon. Pandemie, Inflation, Reformen: Kliniken stehen vor Herausforderungen. Der Geschäftsführer vom Maria Hilf Brilon spricht nun Klartext zur Lage.

Was tun, wenn sich das Kind am Wochenende beim Fußballspiel den Fuß bricht? Der erste Weg vieler Eltern wird sie in die Notaufnahme viele Krankenhäuser führen, die im dünnen Ärztenetz auch in Brilon vermehrt Aufgaben der Grundversorgung lösen muss. Aber die Kliniken stehen immer weiter unter Druck, viele sind von Insolvenz bedroht oder betreiben bereits ein Konkursverfahren, wie das benachbarte Vinzenzkrankenhaus in Paderborn. „Die Gründe für die wirtschaftliche Not der Krankenhäuser liegen in den Folgen der Corona-Krise mit einem deutlichen Rückgang der Fallzahlen (2022= 13,4 Prozent im Vergleich zum Vor-Corona-Niveau), in Personalkostensteigerungen in Höhe von ca. zehn Prozent durch die aktuell neuen Tarifabschlüsse sowie in den immens gestiegenen Sachkosten bedingt durch den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine und der daraus resultierenden hohen Inflationsraten“, so Krankenhaus-Geschäftsführer René Thiemann.

Krankenhaus wird von Stadt unterstützt

Auch Brilon ist von der Unterfinanzierung der Krankenhäuser betroffen: ,,Gemeinsam haben wir mit der Stadt einen Plan aufgestellt, wie wir das Krankenhaus unter diesen schwierigen Bedingungen in den nächsten Jahren aufstellen wollen“, sagt René Thiemann, Geschäftsführer des Krankenhauses.

Der Geschäftsführer des St. Maria Hilf Krankenhauses René Thiemann sowie Pflegedirektor Thomas Pape (von links)
Der Geschäftsführer des St. Maria Hilf Krankenhauses René Thiemann sowie Pflegedirektor Thomas Pape (von links) © WP | Franz Köster

Das erlaubt uns, das Krankenhaus in aller Ruhe zukunftsfähig aufzubauen und in wichtige Kernbereiche zu investieren.
Krankenhaus-Geschäftsführer René Thiemann

Die Stadt habe sich dann in nicht öffentlicher Sitzung bereit erklärt, das Krankenhaus in den nächsten Jahren bei Bedarf wirtschaftlich zu unterstützen: „Das erlaubt uns, das Krankenhaus in aller Ruhe zukunftsfähig aufzubauen und in wichtige Kernbereiche zu investieren.“

80 Prozent der Häuser sind defizitär

Aktuell seien 80 Prozent der Krankenhäuser defizitär, weiß der Experte. Die Krankenkassen und Krankenhäuser verhandeln zwei Hauptkostenpunkte: die sogenannten Fallpauschalen und die Personalkosten für die Patientenpflege. Die Fallpauschalen decken ärztliche Dienstleistungen, Sachkosten wie Medikamente und Verbandsmaterialien, sowie Kosten für Infrastruktur und Verwaltung ab. Diese Pauschalen werden jährlich vom Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus auf Basis der Durchschnittskosten von Modellkliniken berechnet und dann für alle festgelegt. Die Pflegekosten hingegen werden individuell zwischen den Krankenkassen und den Kliniken ausgehandelt, basierend auf den tatsächlichen Ausgaben der jeweiligen Einrichtungen.

Aktuell wird teilweise auch noch über die Budgets der Jahre 2020 bis 2022 verhandelt. „Das nimmt uns Kliniken die notwendige Liquidität und auch die Planungsmöglichkeiten“, so Thiemann. „,Wir brauchen dringend ein Vorschaltgesetz zur angedachten Reform der Krankenhausfinanzierung. Ansonsten wird es für die Häuser schwer, Ihren Auftrag zur medizinischen Versorgung der Bevölkerung nachzukommen.“ Die krankenhausspezifischen durchschnittlichen Sach- und Personalkostensteigerungen müssen jährlich abgebildet und refinanziert werden.

Allianz für die Krankenhäuser in NRW

In NRW hat sich deswegen eine Allianz gebildet. Die NRW-Allianz für die Krankenhäuser stuft die wirtschaftliche Entwicklung der nordrhein-westfälischen Krankenhäuser als Folge der anhaltenden Inflation und einer finanziell noch ungedeckten Tarifsteigerung im Jahr 2024 als sehr besorgniserregend ein, heißt es in einer Pressemitteilung. Sie fordert von der Bundesregierung eine nachhaltige Sicherung der Krankenhäuser. Das setze sowohl einen ausreichenden Inflationsausgleich als auch die vollständige Finanzierung der vereinbarten Tarifsteigerungen im Jahr 2024 von rund zehn Prozent voraus. Die Krankenhäuser müssten wirtschaftlich stabil sein, damit eine notwendige Krankenhausreform überhaupt funktionieren kann.

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Einer der Kernbereiche, die das Krankenhaus Brilon ausbauen will, ist das kardiologische Zentrum der Klinik. „Wir investieren in den weiteren Auf- und Ausbau der Kardiologie“, erzählt Thiemann. Des Weiteren soll auch die Zahl der Intensivplätze steigen, sodass das Krankenhaus deutlich mehr Patienten versorgen kann als bisher. Leider ist die Investitionskostenfinanzierung der Länder nur unzureichend. Eine Querfinanzierung aus dem Topf der Betriebskosten ist angesichts der wirtschaftlichen Lage der Häuser kaum mehr möglich. Hier bedarf es umso mehr eines Schulterschlusses. Auch Kooperationen, wie beispielsweise die jüngste Vereinbarung mit dem Hamburger Campus der Universitätsmedizin Neumarkt, sollen ebenfalls zur Stabilisierung des Standortes beitragen: „Ziel ist es, ein Krankenhaus der Versorgungsstufe (Level) 2 Kategorie zu werden, wie es die neue Krankenhausreform vorsieht“, so Thiemann.

Transparenzübersicht für Krankenhäuser

So werde der Bund eine Transparenzübersicht gestalten, die als Deutschlandkarte Patientinnen und Patienten zeigen soll, welche Kliniken welche Leistungsgruppen anbieten können, kündigte Minister Lauterbach im Ärzteblatt an. „Wir werden als Bund Qualitätsunterschiede von Klinik zu Klinik transparent machen“, so der Minister. Diese Übersicht soll die Kliniken auch in die drei geplanten Levels einstufen, auch wenn die Bundesländer nach der Reform nicht von diesen sprechen oder die Stufen anders benennen sollten, so der Bundesminister auf Kritik aus den Reihen der Länder an der Kategorisierung. Geschäftsführer Thiemann hat ebenfalls die weitere Vernetzung mit Kliniken zur Verbesserung der medizinischen und auch telemedizinischen Versorgung fest im Blick. Dazu gehört auch die gemeinsame Aus- und Weiterbildung von Ärztinnen und Ärzten oder die Nachwuchsgewinnung in der Pflege.