Hochsauerland. In Frankfurt ist Buchmesse. 32 Jahre war der Briloner Podszun- Verlag dort präsent. Wie sich die Branche verändert und warum Lesen so wichtig ist
Sie ist die größte Buchmesse der Welt. 4000 Aussteller kamen 2022 nach Frankfurt, wo am Ende 180.000 Besucher gezählt wurden. Das ist eine enorme Zahl, wenngleich 2019 auch schon mal gut und gerne 120.000 Gäste mehr und 6900 Aussteller präsent waren. Welche Bedeutung hat das Buch heute noch, wie wichtig ist das Lesen in unseren Tagen? Und welche Strahlkraft hat so eine Messe?
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Lange Zeit regelmäßig mit einem Stand in Frankfurt vertreten war der Briloner Podszun Verlag. „Die Buchmesse ist nach wie vor ein unvergleichbares Event. Heute ist die Messe vor allem ein Fest des Buches, für die Leserinnen und Leser. Wir waren 32 Jahre dort, als bei der Messe das Fachliche noch im Vordergrund stand. Das hat sich sehr gewandelt, das ist auch völlig in Ordnung. Unser Verlag ist in einer Nische tätig, die auf der Buchmesse einfach untergeht“, erklärt Walter Podszun. Sein Verlag macht nach wie vor Bücher zu allem, was auf Rädern unterwegs ist: Motorliteratur.
„Die Bestseller sind unsere Jahrbücher zu Feuerwehrfahrzeugen, Traktoren, Baumaschinen und Lastwagen. In diesem Herbst bringen wir zum Beispiel neue Bücher über Mercedes Omnibusse und Münchener Feuerwehren heraus.“ Die Liebhaber solcher Bücher sind vermutlich eher auf Auto-, als auf Buchmessen zu finden.
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Birgit Karnatz, die erst im September in Olsberg die Buchhandlung „Käpt’n Book“ übernommen hat, erreichen wir gerade noch am Telefon, vor ihrer Abreise nach Frankfurt. Inwieweit eine Buchmesse Auswirkungen auf ihr Geschäft hat, vermag sie nicht zu beurteilen. Noch nicht. „Es ist ja mein erstes Jahr als Buchhändlerin; ich bin Quereinsteigerin, habe zwischendurch eine Bücherei geleitet und andere Dinge gemacht. Meine Erfahrung: Literaturnobelpreise und Kinderbuchpreise werden bewusst wahrgenommen und spiegeln sich auch in der Nachfrage wider.“
Messe als Inspiration
Die großen Messen wie Frankfurt und Leipzig habe sie aber immer schon genutzt und gern besucht, um sich inspirieren und die Welt der Bücher haptisch auf sich wirken zu lassen, so Karnatz. Jetzt will sie sich direkt in Frankfurt mit Verlagsmitarbeitern treffen und sich inspirieren lassen: „Ich bin kein Freund des E-Books; ich mag es, das Buch in der Hand zu halten und es zu durchblättern. Ich freue mich auf die vielen Neuerscheinungen und auf die Atmosphäre.“
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Bucheinkauf als Erlebnis
Diesen Trend, dass Menschen wieder ganz bewusst stöbern und den Buchkauf zu einem kleinen Erlebnis machen, hat auch Walter Podszun festgestellt, der neben dem Verlag auch Buchhandlungen in Brilon, Marsberg und Warburg betreibt: „Es gibt wieder eine Lust auf große Stoffe, auf Erzählungen voller Phantasie. Darüber reden unsere Buchhändlerinnen mit den Kunden. Die Stimmung ist gut! Das kann eine Website beim Online-Einkauf nicht leisten. Es macht vielen wieder Spaß, in die Stadt zu gehen, einen Kaffee zu trinken, in der Buchhandlung zu stöbern, Leute zu treffen. Vor den Bildschirmen hängen wir ja oft genug. Das hat sich im Buchhandel jetzt wieder recht stabil eingependelt.“
Ums Lesen an sich sei ihm nicht bange. Nicht mehr: „Vor einigen Jahren war ich pessimistischer. Jetzt stelle ich fest: Junge Leute entdecken das Lesen wieder! Wir beobachten gerade mit großen Augen zum Beispiel den Trend, dass junge Frauen die Bücher von Emily Henry oder Colleen Hoover verschlingen. Angeblich soll es sogar ,in‘ sein, sich großartige Sätze aus Büchern tätowieren zu lassen.“ Auch dem Trend „booktok“ - hier drehen Nutzer kleine Videos mit Buchtipps und Rezensionen und posten sie in ihrer Community - steht Podszun sehr offen gegenüber: „Wenn man hinterher bei TikTok seine Erfahrungen mit anderen teilt und etwas über seine Lieblingsbücher postet, ist das doch wunderbar. Mein Eindruck ist: Für viele sind die digitalen Hilfsmittel, so schön und wichtig sie sind, aber auch ein Stress-Faktor. Was gibt es Schöneres, als sich mit einem Buch in eine andere Welt zu träumen?“
Sorge um Lesekompetenz bei Kindern
Aber die Welt der Träume und des Lesens hat auch Probleme: Podszun: „Was mir vor allem Sorgen macht: Wenn Kinder nicht mehr richtig lesen können. Gerade in sozial schwächeren Schichten wird das leider ein Riesenproblem. Eltern müssen da Vorbilder sein. Wie soll ein Kind verstehen, wie schön es ist, sich mal auf ein Buch zu konzentrieren, wenn die Eltern selbst dauernd am Handy oder Tablet sind? Extrem wichtig ist das Vorlesen. Kinder lieben Bilderbücher, Erzählbücher. Hinreißende Kinderbücher gibt es zuhauf.“
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Das kann auch Petra Böhler-Winterberg, Leiterin der Stadtbücherei Olsberg nur unterschreiben: „Studien belegen: Wer früh liest, wird später schlau! Kinder, denen regelmäßig vorgelesen wird, zeigen bessere schulische Leistungen. Vorlesen hat auch einen positiven Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung. Kinder, denen vorgelesen wird, erwerben in besonderem Maße soziale Kompetenzen wie Empathie, Verantwortungsgefühl und Gerechtigkeitssinn. Deshalb liegt uns die Lesefrühförderung sehr am Herzen.“
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Die Stadtbücherei Olsberg bietet daher regelmäßig für Kinder im Vor- und Grundschulalter Kamishibai-Theater-Vorstellungen an. Das Kamishibai ist ein großer Holzrahmen mit Flügeltüren und sieht aus wie eine kleine Bühne. Bildkarten im Format A3 werden in den Rahmen eingelegt und während die Kinder die schönen Bilder betrachten, liest Werner Schwering dazu die entsprechende Geschichte. Böhler-Winterberg: „Das Kamishibai kommt inzwischen auch in vielen Kindergärten und Kitas zum Einsatz. Gerne können sich Institutionen oder Privatleute Bildkartensets bei uns ausleihen. Über 86 dieser Sets haben wir inzwischen im Bestand!“ Die anderen Bibliotheken im HSK haben ähnliche Angebote. Ein Anruf lohnt sich.