Brilon. Ein Briloner Handwerksmeister soll seine Auszubildende sexuell belästigt haben. Ein Gutachten wirft nun ein ganz neues Licht auf ihn.
Ein Briloner Handwerksmeister soll seine Auszubildende sexuell belästigt haben – auch, indem er das Abhängigkeitsverhältnis der jungen Frau ausgenutzt habe. Ein Strafbefehl hatte gegen ihn vorgelegen, gegen diesen hatte er Einspruch eingelegt, ließ es auf einen Prozess ankommen. Seit dem ersten Verhandlungstag bestreitet er die Vorwürfe vehement. Nun hat der Handwerksmeister Recht bekommen. Das Verfahren ist eingestellt worden, dies teilt sein Anwalt Oliver Brock auf Nachfrage der Westfalenpost mit. Grund ist ein Gutachten, das über die junge Frau angefertigt worden ist und ein neues Licht auf ihre Vorwürfe wirft.
Im August 2018 beginnt eine damals 20-jährige Olsbergerin ein Praktikum
In seinem Briloner Handwerksbetrieb bildet der am ersten Verhandlungstag noch 58-Jährige seit Jahrzehnten Azubis aus. Nie ist er auffällig geworden. Im August 2018 beginnt eine damals 20-jährige Olsbergerin ein Praktikum, später eine Ausbildung. Erst läuft es gut, die Olsbergerin strengt sich an. Doch bald sollen sich Vorfälle ereignet haben, die an sexuelle Belästigung grenzen. Vor Gericht werden vier angeklagt. Alle sollen zwischen August 2018 und Juli 2019 stattgefunden haben. Der Handwerksmeister soll seine Auszubildende von hinten am Innenoberschenkel angefasst haben, während er ihr Handgriffe an der Maschine zeigte. Er soll sie im Lager in der Werkstatt geschubst, ihre Knöchel gegriffen und sie zu sich herangezogen, dabei ihre Beine gespreizt haben. Er soll ihr in die Hose gegriffen, ihre Unterwäsche berührt haben. Letzter Anklagepunkt: Ein Vorfall im Juni 2019 bei einem Kunden Zuhause. Der Briloner soll seiner Auszubildenden an das Gesäß gefasst haben.
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Vor Gericht sagt er damals: „Das stimmt absolut nicht.“
Ein Strafbefehl, der eine Geldstrafe vorgesehen hatte, lehnt der Handwerksmeister ab und lässt es auf eine Verhandlung ankommen, denn er beteuert stets seine Unschuld. Vor Gericht sagt er damals: „Das stimmt absolut nicht. In einem Handwerksbetrieb muss man anleiten und es kommt zu Berührungen, aber es war nichts sexuelles. Natürlich habe ich mal ihre Hand geführt, aber ich habe sie zuvor immer gefragt.“ Die Auszubildende habe ihn manipuliert, weiter zu gehen, als üblich sei. Er wirft ihr eine Borderline-Störung vor und betont, dass sie ihn zu Suizidgedanken gebracht habe.
Die Richterin fordert den Angeklagten auf, diese Passagen zu erklären
Chatverläufe und eine Tonaufnahme der Olsbergerin bringen den Handwerksmeister vor Gericht in Bedrängnis. Zu hören ist die Auszubildende, wie sie deutlich zu ihrem Vorgesetzten sagt: „Ich möchte nicht, dass Sie mich anfassen.“ Seine Antwort: „Was möchten Sie nicht?“ „Dass Sie mich anfassen.“ „Das hat mir auch nicht geschmeckt“, erwidert er. Wenige Sätze später sagt er: „Ich weiß auch nicht, was mich geritten hat.“ Und: „Tun Sie mir einen Gefallen, bleibt das unter uns?“ Die Richterin fordert den Angeklagten auf, diese Passagen zu erklären. Der 58-Jährige behauptet, die Aufnahme sei aus dem Kontext gerissen. Warum er das Arbeitsverhältnis nicht beendet habe, sie auf Verleumdung verklagt habe nach derartigen „Unterstellungen“ will der Staatsanwalt wissen. Der Angeklagte wiederholt seine Anschuldigungen. Manipulation, Mitleid. Auch die Chatnachrichten, in denen er der Auszubildenden intime Sätze schreibt, begründet er so.
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Psychologisches Gutachten über die Glaubwürdigkeit der Aussagen
Bevor am zweiten Verhandlungstag die Zeugenvernehmung startet, beantragt Oliver Brock, Verteidiger des Angeklagten, damals ein psychologisches Gutachten über die Glaubwürdigkeit der Aussagen des mutmaßlichen Opfers anfertigen zu lassen. Schon am vorhergehenden Verhandlungstag wurde eine mögliche Borderline-Erkrankung der Olsbergerin erwähnt, die allerdings in den offiziellen Untersuchungsberichten nur angedeutet wurde. Diesem Antrag ist nach der Befragung der Zeugen stattgegeben worden.
Die Tonbandaufnahme ist nicht weiter ausgewertet worden
Das Gutachten sorgt nun dafür, dass das Verfahren eingestellt wird. Das Gutachten, das durch das Gerichtspsychologische Institut Bielefeld erstellt wurde, kommt zu dem Ergebnis, dass ein nicht umfänglicher Erlebnisbezug vorliegt. Nur zwei von acht untersuchten Tatvorwürfen weisen einen hinlänglichen Erlebnisbezug auf. „Mit dem Mädchen wurde eine Exploration durchgeführt“, erklärt Oliver Brock gegenüber der WP. „Die Aktenlage wurde hinzugezogen und Gutachter haben sich mit ihr in zwei Untersuchungsterminen zusammengesetzt. Das Ergebnis hat gezeigt, dass hier nicht immer ein Erlebnishintergrund zu den Taten besteht.“ Detaillierter kann Brock zu den Hintergründen keine Auskunft geben, aber Staatsanwaltschaft, Verteidigung und Gericht seien gemeinsam überein gekommen, das Verfahren einzustellen. Die Tonbandaufnahme, die zuvor noch belastend auf den Briloner gewirkt hatte, ist nicht weiter ausgewertet worden.
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