Brilon. Weil die Glaubwürdigkeit der Zeugin von der Verteidigung angezweifelt wird, soll sie nun von einem Gutachter untersucht werden.
In der Strafsache gegen einen Briloner Unternehmer, der seine Auszubildende sexuell bedrängt haben soll, kam es am Dienstag, 15. November, zum zweiten Verhandlungstag. Mehrere Zeugen wurden vorgeladen, darunter auch der Ex-Freund des mutmaßlichen Opfers. Die Ehefrau des Angeklagten macht hingegen von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch.
Lesen Sie auch: So viele anonyme Hinweise bekommt das Jugendamt im HSK
Bevor der Prozess unter dem Vorsitz von Richterin Carina Lücke-von Rüden in die Zeugenvernehmung startete, beantragte der Verteidiger des Angeklagten, ein psychologisches Gutachten über die Glaubwürdigkeit der Aussagen des mutmaßlichen Opfers anfertigen zu lassen. Schon am vorhergehenden Verhandlungstag wurde eine mögliche Borderline-Erkrankung des mutmaßlichen Opfers erwähnt, die allerdings in den offiziellen Untersuchungsberichten nur angedeutet wurde. Diesem Antrag ist nach der Befragung der Zeugen stattgegeben worden.
Der Angeklagte habe sich gut um seine Auszubildende gekümmert
Als erster Zeuge steht eine Kundin des Unternehmers auf dem Zeugenstand. Gemeinsam mit der Klägerin hatte der Unternehmer an mehreren Tagen im Haus der Zeugin Arbeiten ausgeführt. Ob ihr in diesem Zusammenhang etwas aufgefallen sei, etwa unangemessene Berührungen oder unangemessene Antworten will die Richterin wissen. Nichts dergleichen sei ihr aufgefallen sagt die Zeugin. Sie habe hingegen den Eindruck gehabt, dass sich der Angeklagte gut um seine Auszubildende gekümmert, ihr viel erklärt habe.
Lesen Sie auch: Weihnachtsbaum-Aktion Marsberg: Hilfe für bedürftige Kinder
Auch der zweite Zeuge, der den Angeklagten schon seit 30 Jahren kennt, kann sich an keine unangemessene Situation erinnern. Das mutmaßliche Opfer habe er als „forsch und frech“ erlebt. Den Angeklagten beschreibt er als verlässlichen Kumpeltyp, der sehr viel Wert auf seine Familie lege. Im Umgang mit Frauen sei er eher zurückhaltend gewesen. Dass der Angeklagte Fäkalsprache benutzt habe, könne er sich nicht vorstellen.
Wie eine Vater-Tochter Beziehung
Eine aktuelle Mitarbeiterin des Unternehmers, die das mutmaßliche Opfer noch als Kollegin kennengelernt hatte, kann ebenfalls keine Übergriffe bestätigen. Sie habe das Verhältnis des mutmaßlichen Opfers und des Angeklagten als Vater-Tochter Beziehung erlebt, die sich aber zum Ende der Arbeitsbeziehung hin verschlechterte. Als Grund nahm sie an, dass sich das mutmaßliche Opfer durch eine weitere weibliche Person im Betrieb zurückgedrängt gefühlt hätte. Den Aufenthalt der Auszubildenden in einer psychiatrischen Einrichtung erklärte sich die Zeugin mit den zahlreichen privaten Problemen der Klägerin. So sei die Mutter Alkoholikerin und der Vater, bei dem sie mit ihren Geschwistern zum fraglichen Zeitpunkt lebte, hätte sich wohl eher wenig um seine Tochter gekümmert. Dies sei im Betrieb bekannt gewesen. Deswegen sei der Auszubildenden auch der Zuspruch des Chefs sehr wichtig gewesen. Auf Zurückweisung hätte sie mit Wut reagiert. Insbesondere als es am Ende zu andauernden fachlichen Problemen im Betrieb kam, die auch die Auszubildende zunehmend belasteten. Vor allem, weil diese sehr bemüht war alles richtig zu machen. Die Atmosphäre im Betrieb sei freundschaftlich, aber stellenweise auch ruppig gewesen. Es hätte eine Art Wettbewerb darum gegeben, wer die besten Sprüche klopft und wer die verbalen Angriffe am besten kontert. Anzüglich seien die Sprüche manchmal gewesen, aber nicht sexistisch. Auffällig sei gewesen, dass die Auszubildende häufig sehr früh im Betrieb war und ihn abends erst spät verließ. Sie nahm daher an, dass der Klägerin ihre Arbeit auch Spaß mache. Dass es während der Arbeit auch zu Berührungen kommen würde, kann sie bestätigen. Dies sei wegen der Nähe in manchen Bereichen jedoch unausweichlich.
Lesen Sie auch: Winterbergerin seit zwei Monaten ohne Internet
Ein befreundeter Kaufmann, der zur Unterstützung seines Freundes im Gerichtssaal saß, wurde ebenfalls zur Sache befragt, nach dem ihn der Staatsanwalt nach dem Grund für seine Anwesenheit im Gerichtssaal fragte. Er hätte die Auszubildende kennengelernt und als provokativ empfunden. Der Angeklagte sei ein engagierter Ausbilder, das Arbeitsverhältnis habe er als Außenstehender als familiär empfunden.
Tonaufnahme nicht manipuliert
Der Ex-Freund der Angeklagten, der schon am vorhergehenden Verhandlungstag vernommen werden sollte, aber nicht erschienen ist, hat keinen Zweifel an der Richtigkeit der Aussagen der Anklage. Zwar wisse er über die Borderline-Erkrankung Bescheid, trotzdem habe er eine Veränderung seiner Freundin bemerkt, die sich immer mehr zurückgezogen habe. Schließlich habe sie ihm von den mutmaßlichen Übergriffen erzählt. Er habe ihr daraufhin empfohlen eine Tonaufnahme zu machen, während sie den mutmaßlichen Täter zur Rede stellt. Damit solle verhindert werden, dass es am Ende Aussage gegen Aussage steht. Tatsächlich verspricht der Unternehmer auf der Tonaufnahme, dass er die Auszubildende nicht mehr berühren werde. Zwar ist der Kontext dieser Aussage immer noch unklar, der Zeuge ist sich aber sicher, dass die Tonaufnahme selbst nicht manipuliert wurde.
Lesen Sie auch: Sauerland: Erste Schneeflocken sind schon bald möglich
Weil die mutmaßlichen Taten im Jahr 2019 stattgefunden haben, berufen sich viele der Zeugen auf Erinnerungslücken, haben die Ereignisse nur noch verschwommen im Kopf. Auch die Polizistin, die vor drei Jahren die Anzeige der Klägerin aufnahm, kann sich daran nicht mehr erinnern. Hinzukommt, dass wesentliche Vorwürfe nicht mehr belegbar sind, weil Chats und Bilder von den Handys gelöscht wurden.
Prozess wird ausgesetzt
Zum Schluss wird auch die Klägerin aus Olsberg selbst in den Zeugenstand gerufen. Sie sei mittlerweile bei einem neuen Arzt in Behandlung. Dieser habe bei ihr eine „generalisierte Angststörung“ diagnostiziert. Eine Borderline-Störung wurde bei ihr nie abschließend festgestellt.
Nach einer kurzen Unterbrechung gab die Richterin daher dem Antrag der Verteidigung statt. Ein Gutachten soll nun die Glaubwürdigkeit des mutmaßlichen Opfers überprüfen. Der Gutachter wird vom Gericht bestellt. Bis zur Fertigstellung der Beurteilung sei der Prozess vorerst ausgesetzt.