Brilon. Im Chat gab er sich als „Hannah“ aus: Ein Olsberger wollte Kinder zu Nacktaufnahmen überreden. Der 46-Jährige wird wegen Missbrauch angeklagt

Die Ketten seiner Fußfessel klirren leise, während der Angeklagte von zwei Justizvollzugsbeamten der JVA Hamm auf seinen Platz neben dem Richterpult geführt wird. Dunkle Ringe liegen unter den Augen des Mannes aus Olsberg, als er auf dem Anklagestuhl neben seinem Verteidiger Oliver Brock im Briloner Amtsgericht Platz nimmt.

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„Kannst du ein Video für mich machen, auf dem du ganz langsam die Zunge herausstreckst?“ - Die Staatsanwältin zitiert eine Chatnachricht, die der 46-Jährige über den Messengerdienst Whatsapp an ein zehnjähriges Mädchen geschickt haben soll. Diese und weitere Nachrichten seien laut Anklage vom Handy des Mannes im Zeitraum vom Februar 2021 bis Dezember 2022 an drei Mädchen im Alter zwischen acht und zehn Jahren gesendet worden. Der Mann habe zunächst über einen Gruppenchat mit Unter-14-Jährigen, in dem er sich selbst als Minderjährige ausgab, Kontakt zu den Mädchen aufgenommen. Als 13-jährige „Hannah“, als „Maik“ und als „Luna“ habe er die Opfer in separaten Chats aufgefordert, sich bei verschiedenen Handlungen zu filmen und ihm diese Aufnahmen zu schicken. In einem Fall habe er dem Kind im Gegenzug für die Aufnahmen 15 Euro Handyguthaben versprochen. Anfangs seien die Handlungsanweisungen noch unverfänglich gewesen, wie das Öffnen und Schließen der Jalousien im Kinderzimmer oder das Umlegen eines Gürtels. Dann habe er die Mädchen jedoch aufgefordert, sich vor laufender Kamera zu entkleiden und sexuelle Handlungen an sich selbst vorzunehmen. Deshalb wird der 46-Jährige wegen versuchten sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei Fällen angeklagt. „Dass keines der Kinder seinen Aufforderungen nachgekommen ist, ist ein großes Glück“, so Richter Dietmar Härtel. Dadurch sei ihnen zumindest das Leid erspart geblieben, dass eine solche Tat im Nachgang hervorrufe. Trotzdem wiege jede einzelne Tat des Mannes, der bereits einschlägig vorbestraft ist und mit den Taten gegen eine laufende Bewährung verstoßen hat, sehr schwer.

Der Prozess im Briloner Amtsgericht ist kompliziert: Die Taten des Olsbergers sind nicht eindeutig zuzuordnen.
Der Prozess im Briloner Amtsgericht ist kompliziert: Die Taten des Olsbergers sind nicht eindeutig zuzuordnen. © WP | Franz Köster

Vierter Anklagepunkt: Die Polizei fand bei dem Olsberger kinderpornografisches Material

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Zu den drei Anklagepunkten gegen den Olsberger kommt noch ein vierter: Auf dem Smartphone des Angeklagten, mit dem er den Kontakt zu den Kindern hielt, seien zwei kinderpornografische Dateien gefunden worden, die Szenen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern zeigten. Auch diese Bilder werden zum Gegenstand der Verhandlung gemacht. Die Brutalität der Darstellungen habe ihn schockiert, so Richter Härtel: „Diese Bilder sind einfach entsetzlich, sie sind grauenvoll.“

Der Angeklagte räumte die Taten vollumfänglich ein, ohne zu zögern. Er bereue seine Taten und wolle sich in therapeutische Behandlung begeben, wie sein Verteidiger Brock betont. Dieses frühe Geständnis wirke sich laut Richter Härtel zu Gunsten des Angeklagten aus. So bleibe den Kindern dadurch eine Aussage vor Gericht und ein belastender langwieriger Prozess erspart. Strafverschärfend dagegen sei die strafrechtliche Vorgeschichte des 46-Jährigen zu werten, der wegen Besitz und Verbreitung von Kinderpornografie, diversen Diebstahl- und Sachbeschädigungsdelikten sowie Nötigung bereits mehrfach vorbestraft ist. Weiter habe der Olsberger zwei der aktuellen Taten während einer laufenden Bewährung begangen. Auch die Tatsache, dass er sich durch Vorstrafen und Wohnungsdurchsuchungen in der Vergangenheit nicht vom Besitz kinderpornografischer Inhalte habe abbringen lassen, wirke strafverschärfend. Aufgrund seiner einschlägigen Vorgeschichte und des Verstoßes gegen die Bewährungsauflagen verurteilt das Amtsgericht Brilon den Angeklagten wegen versuchten sexuellen Kindesmissbrauchs in einem Fall, wegen Besitz kinderpornografischer Dateien in einem weiteren und wegen versuchten sexuellen Missbrauchs von Kindern ohne Körperkontakt in zwei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von insgesamt einem Jahr und sechs Monaten. Die Strafe kann nicht zur Bewährung ausgesetzt werden. „Die Vergangenheit hat gezeigt, dass der Angeklagte nicht zu einer straffreien Bewährung in der Lage ist“, so Richter Härtel. In Haft könne er sich einer Therapie unterziehen, weiter habe er die Kosten für das Verfahren zu tragen.

Kompliziertes Urteil: Tatzeitpunkt entscheidet über das Strafmaß

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Die Einordnung der Taten sei in diesem Fall nicht einfach, erläutert Rechtsanwalt Brock nach der Verhandlung. Grund dafür sei eine Gesetzesänderung vom Juli 2021, nach welcher §176 „Sexueller Mißbrauch von Kindern“ überarbeitet und um §176a „Sexueller Missbrauch von Kindern ohne Körperkontakt mit dem Kind“ erweitert wurde. „Diese Neuerung war notwendig, da sich durch die Sozialen Medien und Messengerdienste das Vorgehen von Missbrauchstätern verändert hat“, erklärt Brock. „Nach der alten Gesetzeslage war es schwierig, Taten wie den versuchten Missbrauch über Chats mit Minderjährigen einzuordnen.“ Mit der Neuerung habe man Tatbestände, bei denen Täter keinen körperlichen Kontakt zu den Kindern haben, strafrechtlich auffangen wollen. Im aktuellen Verfahren habe das Gericht die erste Tat aber noch nach der alten Gesetzesfassung einstufen müssen, da sie vor der Änderung des Paragraphen begangen wurde. Nach der alten Fassung liegt das Strafmaß für den Versuch, ein Kind zum Vornehmen sexuellen Handlungen zu bestimmen, bei einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren. Für die Taten, die aufgrund des Tatzeitpunkts nach §176a als versuchter Kindesmissbrauch ohne Körperkontakt eingestuft werden, liege das Strafmaß mit einer Haftstrafe von 6 Monaten bis zu 10 Jahren wesentlich höher.