Willingen. Deutschlands längste Hängebrücke ist fast fertig. Bis zu 750 Menschen können auf dem Skywalk Willingen laufen. Es steht nur noch die Abnahme an.

Sie ist 664 Meter lang, 100 Meter hoch, hat ein Eigengewicht von 120 Tonnen und wenn sie in Betrieb ist, können zeitgleich bis zu 750 Personen am Himmel entlanglaufen. Die Bauarbeiten am „Skywalk Willingen“, Deutschlands längste Hängebrücke, gehen in die Endphase. Der aus einzelnen Gitterrosten bestehende und an Stahlseilen hängende „Weg“ von der Mühlenkopf-Sprungschanze hinüber zum Musenberg (oder umgekehrt) ist bis auf wenige Feinheiten komplett. „Jetzt hängt es an der Abnahme der Anlage. Und damit sind gleich mehrere Ingenieurbüros und das Kreisbauamt befasst. Es geht u.a. um Geologie, um Statik und um Elektronik. So ein Bauwerk hat in Hessen noch keine Behörde genehmigt und technisch abgenommen. Wenn alles klappt, könnte die Brücke in der zweiten Hälfte der NRW-Sommerferien an den Start gehen. Das wäre Mitte Juli“, sagt Arndt Brüne.

Skywalk Willingen: Das Bauwerk ist fast fertig.
Skywalk Willingen: Das Bauwerk ist fast fertig. © WP | WP

Der 37-Jährige Gastronom, der auch die Graf-Stolberg-Hütte zwischen Usseln und Titmaringhausen betreibt, ist einer von fünf Geschäftsführern der Skywalk Willingen GmbH und Co. KG. Sie setzt sich aus 150 Gesellschaftern zusammen. Das sind Gastronomen, Kaufleute, Hoteliers oder auch Privatpersonen, die mit einer Einlage von mindestens 5000 Euro Teilhaber/in an dem 4,5-Millionen-Euro-Projekt werden konnten. Nicht nur Willinger stehen ideel und finanziell hinter dem Skywalk; auch viele Hochsauerländer oder Bürger rund um den Diemelsee, wo die Brücke ursprünglich realisiert werden sollte. Doch dort gab es Hürden in Sachen Naturschutz oder auch in puncto Zuwegung und Parkmöglichkeiten. Lauter Aspekte, die im Bereich der Sprungschanze zu vernachlässigen sind. Das Gebiet um den Mühlenkopf ist von der Infrastruktur her von vornherein für viele Besucher ausgelegt: Toiletten, Gastronomie, Parkmöglichkeiten – alles ist da. Und aus Naturschutzsicht ist das Gebiet ohnehin „vorgeschädigt“. Der Flächenverbrauch ist phänomenal gering: Gerade mal 100 Quadratmeter für die Stützen. Das Gros des Projektes hängt in der Luft.

Einer der Geschäftsführer ist Arndt Brüne.
Einer der Geschäftsführer ist Arndt Brüne. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann Funke Foto Services

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Kein Luftschloss

Dass die Idee kein Luftschloss war, zeichnete sich sehr schnell ab: Bei einem Gastronomen-Treffen in Willingen stellte Hotelier Gerd Göbel 2016 die Idee vor. Schon eine Woche später saß eine heimische Delegation im Bus in Richtung Tirol, um sich in Reute die Brücke „Highline 179“ anzuschauen. Weitere Hängebrücken im Tibet-Stil u.a. im Harz wurden besichtigt. Schnell war klar: So etwas brauchen wir hier auch. Arndt Brüne: „Es geht gar nicht mal darum, neue Gästeschichten zu erschließen. Willingen ist ohnehin schon sehr vielfältig und breit aufgestellt. Das ist eine sinnvolle Ergänzung für uns und den Tourismus in der Gemeinde. Vielleicht gibt der Skywalk dem Tagestourismus einen Schub.“

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Gigantischer Ausblick auf den Skywalk Willingen.
Gigantischer Ausblick auf den Skywalk Willingen. © WP | Skywalk Willingen

Aktuell werden an beiden Seiten die Kassenautomaten aufgestellt. Geplant ist, dass man sein Ticket dort, aber auch online oder zum Beispiel an der Ettelsbergseilbahn, am K1-Lift oder beim Skiclub Willingen kaufen kann. Elf Euro soll die „Himmelswanderung“ kosten. Dafür kann man – egal auf welcher Seite – einsteigen, das Umland erkunden und auf der Brücke wieder zum Ausgangspunkt zurückgehen. „Es macht auf jeden Fall Sinn, den Skywalk in beide Richtungen zu laufen. Mal geht der Blick in Richtung Stryck und Paradies, mal zum Viadukt oder in Richtung Ettelsberg. Das sind ganz unterschiedliche Facetten“, erklärt der Geschäftsführer. Diverse Kombi-Tickets zum Beispiel in Verbindung mit der Seilbahn sind denkbar; selbst über eine Kombination Skywalk und Lagunenbad wird nachgedacht. Geplante Öffnungszeiten: Ganzjährig von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang.

Noch Im Herbst waren Experten damit beschäftigt, die Drahtseile zwischen den Ankerpunkten zu befestigen. Im Bild: Techniker Reto und Sandro Zubrügg. Inzwischen weht auf der Brückenmitte der Richtkranz.
Noch Im Herbst waren Experten damit beschäftigt, die Drahtseile zwischen den Ankerpunkten zu befestigen. Im Bild: Techniker Reto und Sandro Zubrügg. Inzwischen weht auf der Brückenmitte der Richtkranz. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann Funke Foto Services

Fahrräder auf der Brücke tabu

Kinderwagen und Rollstühle sind nicht erlaubt. Wir wollen niemanden ausschließen; aber bei einer begehbaren Breite von 1,30 Meter wäre das im Begegnungsverkehr zu eng und zu gefährlich. Wir überlegen aber, spezielle Öffnungszeiten im Einbahnstraßenverkehr für Rollstuhlfahrer anzubieten. Mit Fahrrad oder mit einem Haustier lassen wir allerdings niemanden rüber.“

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Die Anfangsphase des laufenden Betriebs wird spannend. „Das ist Neuland. Wir müssen die Brücke kennenlernen. Erfahrungsgemäß kommt es an Drehkreuzen immer wieder zu Schwierigkeiten beim Ein- oder Ausstieg. Brauchen wir dort Personal, wenn ja, wie viel? Was ist im Winter? Muss die Brücke vom Schnee befreit werden? Wir sind daher froh, dass die Gesellschaft auf vielen Schultern verteilt ist und dass wir dadurch schnell reagieren können“, erklärt Arndt Brüne, der ganz vorsichtig mit jährlich 100.000 Brückengehern rechnet. Eine sehr verhaltene Prognose, denn ähnliche Anlagen locken auch locker das Doppelte in die Luft.

Unbefugtes Betreten verboten

Damit niemand unbefugt das Brückenbauwerk betritt, haben die Betreiber vorgesorgt. Brüne: „Die Anlage ist gesichert, sie wird ständig kameraüberwacht – auch jetzt in der Bauphase. Sobald sich jemand dort aufhält, der dort nichts zu suchen hat, wird er per Lautsprecher angesprochen.“

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Schon beim Bau wird größter Wert auf Sicherheit gelegt. „Generalunternehmerin ist die Firma Swiss Rope aus der Schweiz, die aber auch wiederum Betriebe hier aus der Region beschäftigt. Wenn die Schweizer sagen, diese und jene Schraube muss verbaut werden, dann kommt auch nur das Material in Frage“, erklärt der 37-Jährige. Man glaubt gar nicht, wie viel Technik in so einer Brücke steckt. Die Seile sind bis zu 20 Meter tief verankert. Es wurde gebohrt, um alle möglichen Gesteinsschichten zu durchleuchten und um festzustellen, wie tragbar das Ganze tatsächlich ist. „Im Normalfall schwingt die Brücke ein bis zwei Meter. Das merkt man nicht. Bei einem Orkan wie Kyrill könnte sie aber auch acht Meter schwingen. Dann sollte dort niemand mehr unterwegs sein. Für einen solchen Ernstfall gibt es ein ausgeklügeltes Hydrauliksystem, das die Brücke absenken würde. Würden diese Hydraulikzylinder aber wirklich ausgefahren, dann müssten die Schweizer kommen, um die Brücke quasi wieder neu zu starten.“

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Doch von solch einem Worst-Case geht natürlich niemand aus. Wir reden schließlich von einem Himmelsspaziergang mit traumhafter Aussicht und einem Hauch Nervenkitzel inklusive.