Willingen. Deutschlands längste Fußgänger-Hängebrücke entsteht in Willingen. Wie weit die Bauarbeiten am „Skywalk“ sind und wann endlich eröffnet wird.

Aus der Entfernung sehen sie aus wie Bindfäden. Aus der Nähe wird die eigentliche Gewalt aber schnell deutlich. Tonnenschwer sind selbst die dünneren der Stahlseile, die Reto und Sandro (25) Zurbrügg über die Talsohle vor der Mühlenkopf-Schanze in Willingen gespannt haben. „Es war schon harte Arbeit“, sagt Reto Zurbrügg (56).

Seit fünf Wochen arbeitet das Vater-Sohn-Gespann aus der Schweiz an Deutschlands längster Fußgänger-Hängebrücke. 664 Meter lang. Und jeder Zentimeter steckt dem Zwei-Mann-Betrieb in den Knochen. An unrasierten Gesichtern und Matsch getränkten Arbeitshosen ist ihnen das anzusehen.

Der Skywalk in Willingen nimmt Konturen an. Auch hier im Hintergrund die Schanze.
Der Skywalk in Willingen nimmt Konturen an. Auch hier im Hintergrund die Schanze. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Bis Ende des Jahres soll der „Skywalk“ in Willingen fertiggestellt sein. Einer der anspruchsvollsten und wichtigsten Schritte hin zu diesem Ziel ist die Installation der Stahlseile, die die Fußgängerbrücke zwischen Ettelsberg und Musenberg bald schon halten sollen. Firmen, die sich solche Aufgaben zutrauen, gibt es nur wenige. Eine von ihnen ist die Firma „Swissrope“ aus Frutigen im Kanton Bern. „Zurbrügg“ – die Firma von Sandro und Reto – ist ein Subunternehmen. Und zuständig für das Spannen der Stahlseile zwischen Ettels- und Musenberg.

Am Ende sind die Stahlseile 18 Zentimeter dick

Stellt sich die Frage: Wie lassen sich tonnenschwere Stahlseile über eine Talsohle spannen? Reto Zurbrügg klärt auf: „Es beginnt im Prinzip mit einem ganz kleinen Seil, das wir von einem Einstiegspunkt der Brücke zum anderen Einstiegspunkt der Brücke bringen. Das erste Seil haben wir mit einer Drohne auf den anderen Berg hinüber gebracht“, erklärt Reto Zurbrügg.

Nachdem das erste Seil gespannt war, befestigte das Team einen Schlittenwagen – mit dem dann das nächstgrößere Stahlseil gespannt wurde. Und so ging es dann weiter hin und her, bis schlussendlich die vier Stahlseile an den Verankerungen in den Bergen angebracht waren, welche die Brücke halten sollen. 18,4 Zentimeter sind sie dick.

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Luftaufnahme: Der Skywalk in Willingen (oben) neben dem Schanzenturm der Mühlenkopf-Schanze.
Luftaufnahme: Der Skywalk in Willingen (oben) neben dem Schanzenturm der Mühlenkopf-Schanze. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann Funke Foto Services

Heute arbeiten Reto und Sandro Zurbrügg am Rückbau der Stahlseil-Konstruktion, die es ermöglicht hatte, die tragenden Seile zu installieren. Reto Zurbrügg steht an der Seilwinde, deren Motor ordentlich arbeiten muss, um die 664 Meter einzuholen, die vor ihr liegen. Sandro Zurbrügg steht auf einer Querstrebe einer der beiden Portalstützen aus Stahl und passt darauf auf, dass das Stahlseil auch in der vorgesehenen Rolle bleibt. „Es ist schon ein Knochenjob. Aber es macht auch Spaß“, erklärt Reto Zurbrügg, während der Motor der Seilwinde so laut arbeitet, dass man den 56-Jährigen kaum versteht.

„Da ist mir das Adrenalin ins Blut geschossen“

Rückblick: Fast auf den Tag genau fünf Jahre ist es her, da stand Arndt Brüne auf der „Highline 179“ im österreichischen Tirol. Unter ihm: 112 Meter bis zum Boden. An den Seiten ein paar Seile, an denen er sich festhalten konnte. Es war windig. Die Fußgänger-Hängebrücke, auf der er stand, schwankte leicht von links nach rechts. „In dem Moment ist mir das Adrenalin ins Blut geschossen. Man muss schon schwindelfrei sein, um so eine Brücke zu überwinden“, sagt der Mann, der die rekordverdächtige Hängebrücke ins Sauerland bringt.

Reto Zurbrügg arbeitet an einem Stahlseil am Skywalk in Willingen.
Reto Zurbrügg arbeitet an einem Stahlseil am Skywalk in Willingen. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Nun, fünf Jahre später, ist der 36-Jährige guter Dinge, dass er in seinem Heimatort Willingen bald selbst auf einer solchen Brücke stehen kann. Es soll die zweitlängste Fußgänger-Hängebrücke der Welt werden. „Als ich die Hängebrücke damals in Tirol besichtigt habe, habe ich sofort den Entschluss gefasst, dass wir so etwas auch in der Region brauchen“, erinnert sich der Gastronom. Mit vier weiteren Geschäftspartnern gründete Brüne eine GmbH, um das Projekt in die Tat umzusetzen. „Erst hatten wir geplant, am Diemelsee so eine Brücke zu installieren. Nach der ersten Planungsphase gab es aber zu viele Hürden, die dann zu der Entscheidung geführt haben, den Standort zu wechseln.“,

Neben der Skisprungschanze am Mühlenkopf, der größten Skisprungschanze der Welt, ragen nun Verankerungen 24 Meter tief in den Boden. Sie sollen die Stahlseile halten. Genauso auf der anderen Seite am Musenberg. Einige Meter vor den Verankerungen stehen jeweils meterhohe Portalstützen, über welche die tragenden Seile laufen. Zwischen den Trägern sollen bald die Einstiege auf die Brücke möglich sein.

Die Großbaustelle Skywalk Willingen: Sandro Zurbrügg hängt in den Seilen.
Die Großbaustelle Skywalk Willingen: Sandro Zurbrügg hängt in den Seilen. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Noch stehen dort aber Reto und Sandro Zurbrügg. Bis zum Wochenende sind sie noch vor Ort, dann geht es weiter zu einer Seilbahn in einem Skigebiet in den französischen Alpen. „Im Sommer sind wir in der ganzen Welt unterwegs. Gewohnt sind wir etwas höhere Berge“, scherzt Reto Zurbrügg. Im Frühjahr arbeitete er mit seinem Sohn Sandro an einer Seilbahn im Skigebiet „Copper Mountain“ in Colorado. Nun Willingen. „Auch schön“, sagt er und lacht.

Neue Attraktion für die Touristen

Eine Attraktion soll der Skywalk nicht nur für Menschen aus Willingen werden, sondern vor allem für die zahlreichen Touristen, die die Region jedes Jahr besuchen. Insbesondere Wanderer sollen im Sommer durch die Brücke die Möglichkeit haben, ihre Touren zu erweitern und die zahlreichen Wanderhütten in der Umgebung der Mühlenkopfschanze zu besuchen.

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„Auf der einen Seite der Mühlenkopfschanze haben wir nicht weit vom Einstieg entfernt Siggis Hütte und viele weitere Gaststätten, die Wanderer super erreichen können“, so Brüne. Auf der anderen Seite der Brücke ist innerhalb von 30 Gehminuten unter anderem auch die Graf-Stolberg-Hütte zu erreichen, die von Arndt Brüne geleitet wird. „Die Umgebung gibt viel her. Schöne Aussichten, tolle Wanderwege, und auch Fahrradfahrer kommen auf ihre Kosten. Die Brücke wird für Touristen, die in unsere Region kommen, ein tolles Highlight sein“, ist sich der Geschäftsführer sicher.

Arndt Brüne, Geschäftsführer des Skywalk Willingen.
Arndt Brüne, Geschäftsführer des Skywalk Willingen. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann Funke Foto Services

Fertig werden soll der „Skywalk“ bis zum Ende des Jahres. Einen genauen Termin möchten die Geschäftsführer noch nicht nennen. „Wir sind zuversichtlich, dass die Brücke bis Mitte Dezember fertig ist. Die offizielle Eröffnung soll dann aber vermutlich erst zu Anfang des kommenden Jahre stattfinden“, sagt Brüne.

Zum Skisprung-Weltcup fertig

Pünktlich also zum Skisprung-Weltcup auf der angrenzenden Mühlenkopfschanze. Exklusive Plätze auf der Hängebrücke bleiben jedoch Pressevertretern und der Polizei vorenthalten. „Da können wir leider keine Besucher auf die Brücke lassen, weil darunter im Zuschauerraum natürlich viele tausend Menschen stehen. Wenn da etwas von der Brücke – etwa ein Handy – herunterfällt, kann es schnell gefährlich werden“, erklärt der 36-Jährige Brüne.

Bis dahin steht an der Brücke jedoch noch einiges an Arbeit an. In den nächsten Tagen sollen bereits die Gitterroste befestigt werden, auf denen die Besucher das Tal überqueren können. „Wir kommen gut voran. So kann es weitergehen“, sagt Brüne.

>> INFO: 120 Tonnen schwer

  • Der Skywalk Willingen soll zu Anfang des Jahres 2023 eröffnet werden.
  • Mit einer Gesamtlänge von 664 Metern ist das 120 Tonnen schwere Bauwerk die zweitlängste Hängebrücke der Welt. Nur die „Sky Bridge“ in Tschechien ist mit 721 Metern noch länger.
  • Insgesamt umfasst das Bauprojekt ein Investitionsvolumen von rund vier Millionen Euro. Wie viel eine Eintrittskarte für den Skywalk genau kosten soll, steht laut Geschäftsführung noch nicht fest. Veranschlagt werden laut Arndt Brüne jedoch „weniger als zehn Euro“. Gelten soll der Preis für Hin- und Rückweg auf der Brücke.