Hochsauerlandkreis. Die Zutaten werden immer teurer. Und dem Beruf geht der Nachwuchs aus. Warum Bäckermeister Jörg Liese seinen Job trotzdem liebt!

Viertel nach Drei in der Früh. Draußen ist es stockfinster, kein Auto weit und breit. In der Backstube von Bäckerei Liese brennt bereits helles Licht. Der Ofen brummt und stößt eine angenehme Wärme aus. An der Wand steht in verschnörkelten Buchstaben der Spruch „Unser täglich Brot gib uns heute“. Das Radio dudelt und man hört den Teigrührer surren. Es riecht süßlich nach frisch Gebackenem – die ersten Brote und Brötchen sind bereits in Arbeit. Bis Jörg Liese und seine Mitarbeiter um 11 Uhr Feierabend haben, müssen sie noch vier Filialen und ein Krankenhaus mit Brot und Brötchen beliefern.

Lesen Sie auch:Rund um Winterberg: Größtes Flutlicht-Skiparadies Europas

Backen ist Therapie

Jörg Liese trägt die typische schwarz-weiß karierte Bäckerhose und eine weiße Schürze, dazu ein schwarzes T-Shirt mit der Aufschrift „Baking is my therapy“. Er hat eine runde blaue Brille auf der Nase und kurzes schwarzes Haar, das an der ein oder anderen Stelle leicht grau wird. Der Ladeninhaber steht vor dem 220 Grad heißen Ofen und stempelt die Gravur „Paul 1932“ in die noch unfertigen Brot-Rohlinge. Paul – das ist sein Großvater, der vor vielen Jahren das Rezept erfunden hat.

Die ersten Brote und Brötchen sind fertig - der Duft in der Backstube ist betörend.
Die ersten Brote und Brötchen sind fertig - der Duft in der Backstube ist betörend. © wp | Luisa Nieder

Jörg Liese wusste schon früh, dass er eines Tages den Familienbetrieb in dritter Generation übernehmen will. „Es gab für mich nie etwas anderes. Schon als Kind war ich immer mit dabei“, sagt er lächelnd, während er die Brote zum Backen in den Ofen schiebt. Nach seiner Ausbildung zum Bäcker- und Konditormeister absolviert der zweifache Familienvater seinen Betriebswirt und einen Lehrgang zum Kaffeeröster.

Lesen Sie auch:ABC-Einsatz in Essentho: 10.000 Liter Gülle laufen aus

Drei weitere Filialen

Auf einer anderen Schiene am Ofen holt er die ersten Brötchen heraus. Eckige, längliche und runde. Mehrkorn, Kürbiskern, Käsebrötchen und welche mit Pfefferpaste bestrichen. Ihre goldbraune Kruste verrät, dass die Teigwaren fertig sind. Mit dem Gebäck macht sich ein himmlischer Duft in der Backstube breit. „Vorsicht, heiß!“

Jörg Liese schiebt einen Rollwagen mit den fertigen Brötchen vor sich her Richtung Flur. Dort stapeln sich bunte Kisten, die er alle bis halb sechs bepacken und ausliefern muss. „Als ich den Betrieb übernommen habe, hatten wir nur den Standort in Ostwig. Heute gibt es drei weitere Filialen in Brilon, Bigge und Velmede“, erklärt er und schaut konzentriert auf einen Plan für die Brötchen-Verteilung, bevor er sie von einem Blech in die Kiste rutschen lässt.

Lesen Sie auch: Wo es im Sauerland am meisten regnet und wo die meiste Sonne scheint

Als nächstes sind wieder Brote an der Reihe. Gerster soll es diesmal werden – ein Roggenmischbrot aus Sauerteig und Hefezusatz. Jörg Liese holt den Teig mit zwei Schabern aus der großen Rührschüssel, um ihn auf der Waage präzise in mehrere Stücke zu schneiden. Dann verteilt er Mehl mit der Handfläche auf der Arbeitsplatte und beginnt schwungvoll ein Stück Teig zu kneten. Die zähe Masse gibt ein schmatzendes Geräusch von sich.

Rohstoffe werden immer teurer

An der Art, wie routiniert der Bäcker- und Konditormeister den Teig bearbeitet, sieht man sofort: Hier ist er in seinem Element. Es wirkt fast hingebungsvoll. Zugleich sieht er ernst aus. Wegen der Pandemie mussten im Hochsauerlandkreis sechs Bäckereien schließen und auch die Rohstoff-Preise schwanken stetig.

Lesen Sie auch: „Wir empfinden Schmerz und unsere Seele ist bei ihnen“

„2022 sind besonders Kürbiskerne und Zucker teuer geworden. Auch Butter ist fast nicht mehr bezahlbar. Da ist es kein Wunder, dass so viele Bäcker es nicht geschafft haben“, erklärt er und rauft sich die kurzen schwarzen Haare. Zudem würden viele Kunden über die Gebäck-Preise meckern. „Ich sage immer: Wer Brot und Brötchen essen will, muss auch den Bäcker angemessen bezahlen.“

Fachkräftemangel

Fachkräftemangel und fehlender Nachwuchs sind bei Bäckerei Liese immer ein Thema. Nur eine Konditorin bildet Jörg Liese derzeit aus. Von Azubis im Bäckerhandwerk und im Verkauf fehlt jede Spur. Dabei habe der Beruf des Bäckers und Konditors viele Vorteile: „Der Alltag ist total abwechslungsreich; ich mache alle zwanzig Minuten etwas anderes“, verrät Jörg Liese, grinst und klopft sich die mehligen Hände an der Schürze ab. Außerdem habe er immer früh Feierabend und könne den restlichen Tag dann noch nutzen – zum Beispiel für Behördengänge, die Familie und vor allem seine Kinder.

Sechs Uhr in der Früh. Der Ofen brummt; man hört den Teigrührer surren. Die ersten Backwaren sind bereits auf dem Weg in die Filialen. Jörg Liese sieht zufrieden aus und beginnt mit den Vorbereitungen für den nächsten Tag. Er bedient die Brötchenmaschine, die nach und nach vorgeformte Semmeln ausspuckt. Sie kommen nach Feierabend in die Kühlung und werden morgen nur noch in den Ofen geschoben. Um drei Uhr in der Nacht, wenn wieder die Arbeit ruft und Jörg Liese sich sein täglich Brot verdienen muss.