Hochsauerland. Wo ist es im Sauerland am frostigsten und wo scheint die Sonne am häufigsten? Wir blicken in den Klimaatlas, der mit manchem Vorurteil aufräumt.
Keine Frage: Das Jahr 2022 geht im ganzen Hochsauerland als das wärmste in die Geschichte der Wetteraufzeichnungen ein. Das zeigt auch der Klimaatlas, den das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) auf seiner Homepage veröffentlicht hat. Sehr anschaulich und übersichtlich sind mehrere Parameter stadtgenau abrufbar.
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Und bei der Lufttemperatur, deren Entwicklung von 1881 bis 2022 lückenlos dargestellt wird, ist 2022 nicht Medebach – als Toskana des Sauerlandes gerühmt – die wärmste Region gewesen, sondern Marsberg. Im Jahr 2022 kommt die Stadt an der Diemel auf durchschnittlich 9,9 Grad, gefolgt von Brilon (9,6), Olsberg (9,3) Medebach (9,2), Hallenberg (9,1) und Winterberg (8,6).
Wärme-Säulen steigen immer höher
Natürlich sind das alles keine großartigen Temperaturunterschiede unter den einzelnen Kommunen. Aber die Zahlen verdeutlichen, dass es zum Beispiel in Medebach 1881 im Schnitt 6,1 Grad warm war und zuletzt im Jahresdurchschnitt 9,2 Grad. Fairerweise sei gesagt: Die Balkendiagramme zeigen von Jahr zu Jahr Ausschläge nach oben und nach unten. Aber generell werden die Peaks der Säulen doch immer höher. Für alle Altkreiskommunen gilt im Vergleich von 1881 zu jetzt ein Temperatur-Unterschied von rund 3 Grad.
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Bei den Niederschlagsmengen gibt es ein unruhigeres Auf und Ab als bei den Temperaturen. Anno 1882 scheint zum Beispiel mit 696 mm pro Jahr in Marsberg sehr trocken gewesen zu sein; ein Wert der dort nur im vergangenen Jahr mit 687,4 mm unterboten wurde. Zum Vergleich: 2007 war überall im Altkreis eines der feuchtesten Jahre. Marsberg brachte es auf 1084 mm Niederschlag, Medebach auf 1300, Brilon auf 1396, Hallenberg auf 1469 mm, Olsberg auf 1620 und Winterberg auf 1637 mm.
Wer hat die meisten Sonnenstunden?
In puncto Sonnenscheindauer liegt das Jahr 2022 ganz schön weit vorne. Das ist aber alles noch nichts im Vergleich zu 1959: Marsberg kommt jetzt auf 1971 Sonnenstunden (1959 waren es 1983), Brilon schaffte im vergangenen Jahr 1945 Sonnenstunden (1959: waren es 2002), Olsberg 1896 (2008), Medebach 1880 (2002), Hallenberg 1859 (1990) und Winterberg kommt auf 1821 Sonnenstunden. Auch hier lag der Spitzenwert in 1959 bei 2010 Stunden.
Temperaturanstieg, weniger Niederschläge und wenn ja, dann kübelartige Schauer – was macht das mit unserer Umwelt, mit den Tier- und Pflanzenarten? Werner Schubert, Leiter der Biologischen Station des Hochsauerlandkreises erklärt, dass generell kleinere Tierarten wie Insekten oder Spinnen am ehesten auf einen klimatischen Wandel reagieren. „Man kann das trotzdem nicht so pauschal sagen. Die Zusammenhänge sind oft sehr komplex“, so Schubert. Beispiel Insekten: Anhaltende Trockenheit und hohe Temperaturen böten für sie ja zunächst ein Wohlfühlklima par excellence. „Andererseits leiden aber auch genau solche Pflanzenarten unter heißen klimatischen Bedingungen, die wiederum wichtige Nahrungsquelle für Insekten sind.“
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Was das Klima mit den Arten macht
Der Dukatenfeuerfalter - eine Schmetterlingsart – sei inzwischen aus der Medebacher Bucht verschwunden und siedele sich in höheren Lagen in Richtung Winterberg an. „Nun könnte man sagen, er sucht die Kühle. Fakt ist aber, dass die Raupen bei bestimmten Temperaturen anfälliger für Pilzerkrankungen sind. Der Umzug hat also nicht unmittelbar etwas mit dem Falter zu tun.“
Im Marsberger Raum fühlen sich bestimmte, wärmeliebende Orchideenarten wohl. Die Temperaturen des heißen Sommers 2022 müssten ihnen da eigentlich gelegen kommen. Schubert: „Ja, aber wir hatten eine langanhaltende Trockenheit durch zu intensive Sonneneinstrahlung. Letztlich muss auch das Lichtmanagement stimmen.“ Und so ließe sich die Reihe beliebig ergänzen.
Kalamitätsflächen
Mit Skepsis verfolgt Schubert die Entwicklung beim Wiederaufbau der Kalamitätsflächen in den Wäldern. „Vielfach werden alte Buchenbestände stark eingeschlagen und dadurch gelichtet bzw. geöffnet. Damit lasse ich - wie im Sommer durch ein geöffnetes Fenster - Wärme ins Haus. Dadurch verdunstet nach oben mehr Wasser, als die Buche unten aufnehmen kann. Ökologische Waldwirtschaft bedeutet, nicht nur an die Bretter und den Balken von morgen zu denken“, mahnt er. Generell sei es wichtig nicht nur solche Baumarten anzupflanzen, die schnell und gut gedeihen. „In Anbetracht der klimatischen Entwicklung müssen das auch Bäume sein, die grundwasserbildend sind.“
In dem Zusammenhang bietet der LANUV-Klima-Atlas übrigens auch eine Übersicht in Sachen Dürreempfindlichkeit von Waldstandorten – leider sind auch hier bei uns viele Flächen rot.
Den Atlas findet man im Internet unter https://www.klimaatlas.nrw.de/klima-nrw-pluskarte