Hochsauerland. Er hat ein Buch über Freude für die Seele geschrieben. Ullrich Auffenberg erklärt im Interview, warum Winter ohne Weihnachten unerträglich wäre.
„Freut Euch - Weihnachtsgedanken für die Seele“. So heißt ein Buch, das der frühere langjährige Leiter der St.-Bonifatius-Bildungsstätte Elkeringhausen, Ullrich Auffenberg, geschrieben hat. Es geht um Alltagsgeschichten und um eine andere, tiefere Form der Freude, die nichts mit oberflächlichem Spaß und Vergnügen zu tun hat. Auf sehr warmherzige und empathische Weise versucht Auffenberg zu erklären, warum wir auch in heutiger Zeit noch Grund zur Freude haben und warum Weihnachten so wichtig ist.
Lesen Sie auch: Fehler in Mescheder Klinik: Briloner wird nie mehr laufen
Botschaft der Freude
„Freut Euch!“ ist ja die Botschaft der Weihnachtszeit, aber kann einem in Anbetracht der weltpolitischen Lage die Freude nicht im Hals stecken bleiben?
Ja, die Frage ist berechtigt. Ich stelle sie auch in einem Kapitel meines Buches. Aber die Antwort darauf hängt stark davon ab, was man unter Freude versteht. Wenn man darunter Spaß und Vergnügen versteht, dann kann einem das Lachen schon im Hals stecken bleiben. In der Bibel ist von einer anderen Freude die Rede. Es gibt viele Menschen, die schwere Schicksalsschläge hinter sich haben, aber trotzdem die Möglichkeit finden, sich zu erfreuen, sich irgendwo zu verankern, sich berühren zu lassen. Das kann Musik sein, das kann ein tröstender Mensch sein, eine Begegnung. In meinem Buch schildere ich das Beispiel von Johann Sebastian Bach, der sehr viele Schicksalsschläge hinnehmen musste – die Eltern starben, als er zehn Jahre alt war, er hat viele seiner eigenen Kinder beerdigen müssen – und trotzdem hat er das Weihnachtsoratorium geschrieben, wo es nur so jubelt und singt.
Meinen Sie mit Freude vielmehr die Bereitschaft, die Offenheit, in kleinen Dingen Großes zu sehen und sich innerlich anrühren, ansprechen zu lassen?
Genau darum geht es. Bei all den tragischen Nachrichten, die kommen – egal, ob aus der Ukraine oder auch in der Pandemie – all das sind Horrornachrichten. Und mir geht es darum, den Blick dafür zu schärfen, dass die Welt bei all dem auch noch Anlässe bietet, die Seele derart zu berühren, dass sie sich ein Stück weit erheben kann und nicht immer nur niedergedrückt wird.
Was hat Sie bewogen dieses Buch zu schreiben?
Ich hatte vorher bereits ein Buch geschrieben, das heißt „Kopf hoch, sonst siehst Du die Sterne nicht“. Das kam gut an. Der Bonifatiusverlag hat daraufhin bei mir angefragt, ob ich nicht ein weiteres Buch schreiben könnte, denn die Menschen bräuchten gerade in diesen Zeiten etwas, das sie ermutigt. Es handelt sich ja zum Großteil um erfahrene und nicht um abstrakte Geschichten.
Lesen Sie auch:Historische Investition in Brilon: 44,2 Millionen Euro für Schulen
Eine Playstation für das Jesuskind
Das wäre meine nächste Frage gewesen. Sind es fiktive Geschichten, erlebte Geschichten oder spirituelle Gedanken, die Sie zu Papier gebracht haben?
Ich möchte ein Beispiel nennen: Vor einigen Jahren haben wir mit Jugendlichen die Christmette als Jugendgottesdienst gefeiert und dann kamen die Jugendlichen mit einem Text, den sie aus den sozialen Netzwerken hatten: In jenen Tagen ging von Amazon die Botschaft aus, die neue Playstation 5 sei da. Und Maria und Josef wollten mit ihrem Kind von Anfang an up to date sein. Sie bemühten sich daher bei Saturn, Media Markt und Amazon, so eine Playstation zu bekommen. Aber vielfach wurden sie abgewiesen. Schlussendlich kamen drei heilige Männer von UPS, DHL und Hermes - das waren die Heiligen Drei Könige der Neuzeit - und legten dem Kind die Playstation in die Krippe. Und damit sind wir genau bei der zentralen Frage: Ist das jetzt Weihnachten, das wir uns mit Konsumgeschenken überfrachten, oder steckt da noch eine andere Botschaft hinter - die der Menschwerdung und der Gedanke, dass Friede in mir geboren werden kann?
Person & Termine
Monsignore Ullrich Auffenberg, Jahrgang 1949, ist Pfarrer im Ruhestand und lebt seit 2022 im Christlichen Bildungswerk „Die Hegge“ in Willebadessen. Zuvor war er Referent beim Diözesan-Caritasverband Paderborn für religiös-pastorale Bildung von Mitarbeitenden in sozialen Einrichtungen sowie lange Zeit Pfarrdechant in Rheda-Wiedenbrück, Leiter der Jugendbildungsstätte Hardehausen und der St.-Bonifatius-Bildungsstätte in Elkeringhausen, wo er maßgeblich an der „Geburt“ der Zelt beteiligt war.
Aus seinem neuen Buch liest er am Montag, 28. November, um 19 Uhr in der St.-Cyriakus-Pfarrkirche in Olsberg-Bruchhausen. Die musikalische Begleitung übernehmen Christina und Ulrich Middel. Der Eintritt ist frei. Um eine Spende für ein Schulprojekt in Ghana wird gebeten.
Weitere Termine mit ihm sind am 9. Dezember um 19 Uhr im Ludwig-Kleffmann-Haus in Möhnesee-Körbecke und am 28. Dezember um 16 Uhr im Bergkloster Bestwig.
Als Christ mache ich mir Sorgen, dass Weihnachten in zehn Jahren vielleicht das Fest des Heiligen Amazon heißen wird. Teilen Sie diese Sorge?
Die Gefahr ist nicht nur groß. Es ist leider so. Für 90 Prozent der Bevölkerung ist es ein Konsumfest. Diese Krisenzeit bringt aber vielleicht auch die Herausforderung mit sich um zu schauen, worum geht es denn da eigentlich? Wir leben in Zeiten, in denen es enger, härter, kälter wird. Die Menschen suchen immer mehr nach Trost. Wenn der Konsum weniger wird, muss man vielleicht etwas mehr zusammenrücken. Das ist die eigentliche Weihnachtsbotschaft. Es muss um mehr gehen. Ein weiteres Beispiel. In der afrikanischen Philosophie gibt es den Gedanken „Ich bin, weil Du bist!“ Bei uns in Europa gilt immer mehr: „Ich denke, also bin ich“. Die Afrikaner sagen, wir müssen uns anders definieren: Ich bin auf das Du angewiesen. In unseren dörflichen Strukturen geht niemand ins Bett, ohne einen Blick zum Nachbarn zu werfen, von dem er weiß, dass er krank ist. Das ist gut so. Wir sollten nicht nur gucken, wie deckeln wir die Gaspreise, sondern wie rücken wir auch menschlich näher zusammen. Gott ist Mensch geworden, damit wir menschlich sein können. Das ist das Fest der Humanität.
Die Menschen sind meiner Meinung nach durchaus auf der Suche nach dem Wesentlichen, nach Geborgenheit, nach Strukturen. Warum schafft es Kirche nicht mehr, diese Strukturen und dieses Gefühl zu vermitteln?
Ich will jetzt nicht die Schuld bei den Medien suchen. Aber das weit verbreitete Bild von Kirche ist ein monolithischer Block, an dem man sich ständig reibt und von dem man sich abstößt. Es ist der Eindruck entstanden, als wäre es eine Gebotsgemeinschaft, die vom Menschen etwas verlangt. Wir müssten den Weg gehen von einer dogmatischen Gemeinschaft zur einer Trostgemeinschaft. Man ist zu wenig bei den Menschen. Man ist bei Riten und Ritualen, bei Kirchensteuern und im Moment beim Missbrauch. Und da sagen viele Menschen: all das brauche ich in meinem Leben nicht. Viele sagen, wenn ich dann schon mal in die Kirche gehen - an Weihnachten oder Ostern - merke ich, wie an mir vorbei geredet wird. Da wird nichts verkündet, was mit meinem Leben zu tun hat. Dann brauche ich da auch nicht mehr hingehen. Sie suchen andere spirituelle Formen. Lediglich die christlichen Gruppierungen sind im Aufwind, wo Menschen Gemeinschaft erfahren. Das Grundbedürfnis der Menschen ist die Frage nach dem Sinn des Lebens, nach Zuwendung. Gibt es vielleicht eine höhere Instanz ? Diese Fragen werden in der heutigen Kirche nicht beantwortet. Und dafür muss man offene, zeitgemäße Formen finden.
In ihrem Buch steht der schöne Satz „Ohne Weihnachten wäre der Winter nicht auszuhalten“. Was wollen Sie damit sagen? Für mich klingt das wenig theologisch, sondern sehr pragmatisch…
Wir brauchen in bestimmten Situationen Rituale, um diese Situationen überstehen zu können. In der dunkelsten Zeit des Jahres braucht der Mensch Lichterketten, illuminierte Bäume, Krippen, Glockenklang – all das zeigt, dass sich in Weihnachten die Sehnsucht des Menschen nach einer Wende vom Dunkeln zum Licht verdichtet. Und so, wie wir das Dunkel auf Dauer nicht ertragen können und uns nach Licht sehnen, kann der Mensch auch nicht leben ohne das Gegenüber, das Du, ohne Gemeinschaft.
Lesen Sie auch:Marsberger Original: Das steckt hinter der Baumkuchenmaschine
Dann brauche ich Sie auch nicht zu fragen, ob für Sie die Weihnachtsgeschichte tatsächlich so passiert ist – auf dem Felde, bei den Hirten, in Bethlehem…
Dass Jesus irgendwo geboren wurde, ist klar. Man weiß historisch nicht genau, wo das war. Wir haben es ja hier viel mit theologischen Symbolgeschichten zu tun. Es war die große Sehnsucht Israels, dass der Retter wiederkommt. Und das hat man in Bethlehem verortet – das heißt übersetzt eigentlich „Brothausen“. Das ist der Ort, wo der Mensch Brot für seine Seele bekommt – oder eben auch ein Dach über dem Kopf und etwas zu essen. Elementare Symbole für Heimat und Zuhause. Die christliche Geschichte ist letztlich eine Fluchtgeschichte. Sie müssen von Nazareth weg, von Ägypten flüchten – insofern hat sie auch heute in Anbetracht der weltweiten Flüchtlingswellen einen sehr aktuellen Bezug…