Hochsauerland. Gastronomen aus Brilon über Energiekosten, Futterpreise und Vogelgrippe. Es gibt gute und schlechte Nachrichten für Lieberhaben des Gänsebratens.

Die Gans gehört für viele Feinschmecker genauso auf den (vor-)weihnachtlichen Mittagstisch wie Spekulatius und Spritzgebäck zur Kaffeetafel. Doch das Geflügel wird in diesem Jahr sehr teuer. „Wir Kollegen haben schon zusammengesessen und überlegt, wie man das Ganze preislich überhaupt noch gestalten kann“, sagt Andreas Piorek, Küchenchef im Briloner „Jägerhof“ am Markt. Die Preissteigerung hat viele Gründe: In puncto Energie braucht so ein Flattermann natürlich einige Stunden im heißen Backofen, bis er auf den Tisch kommen kann. Das kostet. Aber nicht zuletzt auch aufgrund der kursierenden Vogelgrippe scheint die Versorgungslage mit Gänsen in diesem Jahr eng zu werden.

Lesen Sie auch:Hebamme aus Brilon: Wie Schwangere sich vorbereiten können

„Infolge gestiegener Futter- und Energiekosten müssen Verbraucherinnen und Verbraucher mit einem weitaus höheren Preis für den Gänsebraten im Vergleich zum Vorjahr rechnen“, so die Landwirtschaftskammer NRW. „Eigentlich müssten wir über die Preisschwelle von 30 Euro pro Gericht gehen. Das wären fünf bis sieben Euro mehr als sonst. Aber wir wollen ungern, dass eine Drei vorne steht. Die Gans muss dann halt quer finanziert werden“, sagt Piorek. Das heißt: Das Schnitzel wird im Preis angehoben, damit der Gastronom unterm Strich mit seiner Kalkulation klar kommt.

Eine viertel Gans mit Knödeln und Blaukraut steht auf einem gedeckten Tisch. Die Zutaten sind ganz schön teuer geworden.
Eine viertel Gans mit Knödeln und Blaukraut steht auf einem gedeckten Tisch. Die Zutaten sind ganz schön teuer geworden. © dpa | Tobias Hase

Kilopreis von 22,90 Euro

Eberhard Geueke aus Schmallenberg war lange Zeit einer der wenigen Gänsezüchter im HSK. Vor zwei Jahren hat er die Zucht an den Nagel gehängt und kauft nun die Gänse aus dem Raum Gütersloh zu. „Allein das Futter ist doppelt so teuer geworden. Einhundert Kilo kosteten sonst 32 Euro; jetzt liegen wir bei 58 Euro. Und eine Gans braucht 50 Kilo davon plus Weideland. Viele Lege-Gänse hat die Vogelgrippe getroffen. Das ist in Polen nicht anders; auch die Gänse von dort sind mit 12 Euro pro Kilo doppelt so teuer wie im Vorjahr. Wir verkaufen das Kilo deutsche Gänse für 22,90 Euro. Und da ist die Marge schon ganz schön knapp.“

Lesen Sie auch:Sturmerprobt: Briloner Bilsteinkuppe hat Landmarke zurück

Die gute Nachricht für Genießer vorweg: In den meisten Restaurants wird die Gans trotz aller Widrigkeiten auf der Speisenkarte stehen. „Aber es war schon ein Kampf, einen vernünftigen Einkaufspreis zu erzielen“, sagt Lara van Soest vom Restaurant van Soest in Brilon. Gans sei gerade in Corona-Zeiten ein beliebtes Außer-Haus-Gericht zur Weihnachtszeit gewesen. „Bei uns gibt es nur Oldenburger Gänse. Der Lieferant will aber jetzt genau die Stückzahl wissen. Und wenn geliefert wurde, kann man vermutlich auch nicht mehr nachbestellen“, sagt Lara van Soest. Sie schätzt, dass die Preise für die Tiere allein im Einkauf um 20 bis 30 Prozent angezogen haben.

Lesen Sie auch:Wie aus eigenen Bucherckern ein Marsberger Stadtwald wird

Andreas Piorek glaubt noch nicht einmal, dass sich der Gänsehalter an der ganzen Misere eine goldene Nase verdient. Das seien mal wieder die Großen, die Händler, die sich die Taschen vollmachten. Die Preissteigerung gelte ja auch bei Tiefkühlware. „Und das sind zum Teil Gänse, die schon im Vorjahr geschlachtet wurden. Viele Kollegen bieten deutsche Ware an, manche auch polnische. Von ungarischen sollte man auf jeden Fall die Finger lassen“, rät der Fachmann. Alternativ werde in letzter Zeit immer häufiger heimisches Wild bestellt. „Man merkt da schon, dass die Menschen ein anderes Bewusstsein entwickelt haben. Das Wild stammt von hier, ist Bio, ist Öko – das passt.“

76.000 Tiere in NRW

Weidehaltung, so die Landwirtschaftskammer, fördert die Gesundheit und Robustheit der Gänse. Sie trägt zur Entwicklung eines ausreichend großen Körpers bei, vergrößert das Muskelwachstum und liefert ein reifes, aromatisches Fleisch.

Gänse sind grundsätzlich Weidetiere und benötigen daher viel Platz und Auslauf. Sie sind sehr anspruchslos und bleiben in der Regel auf der ihnen zugewiesenen Weide. Man muss nicht fürchten, dass sie ausbüchsen und sich selbstständig machen.

Es gibt noch knapp 560 Gänsehalterinnen und -halter in NRW mit etwa 76.000 Tieren. Aber nur wenige halten Gänse in größerem Stil. Höfe, auf denen es in NRW Gänse direkt zu kaufen gibt, findet man www.landservice.de.

Das deckt sich mit den Erkenntnissen der Landwirtschaftskammer NRW, die trotz der Preisentwicklung bei den Gänsen zu dem erstaunlichen Schluss kommt: Der Trend weg von der Tiefkühlgans aus Osteuropa zur NRW-Weidegans setzt sich weiter fort - wenn man denn eine bekommt. „Denn im Gegensatz zu ihren Artgenossen aus Polen und Ungarn durften die Freilandgänse hierzulande auch in diesem Jahr wieder den größten Teil ihres Lebens auf der grünen Wiese verbringen. Kleine Gänse können schon nach vier bis sechs Wochen nach draußen. Dort grasen sie normalerweise etwa sieben Monate, um zu Sankt Martin und Weihnachten als Braten auf den Tisch zu kommen. Um ihre Tiere vor der Vogelgrippe zu schützen, haben viele Halterinnen und Halter ihre Tiere aber schon eingestallt“, so die Landwirtschaftskammer.

Lesen Sie auch:Sprengung im CenterParcs: Ermittlungen der Polizei erschwert

Allgemein bleibt die Gastronomie eine Branche, die hart kämpfen muss. „Normalerweise hätten wir alle um diese Zeit schon viele Vorbestellungen für Weihnachtsfeiern. Das läuft noch sehr verhalten. Hier und da mal eine kleine Gruppe , aber dass ganze Firmen ihre Weihnachtsfeier buchen, kommt bislang kaum vor“, sagt Andreas Piorek. „An Weihnachten selbst sieht es gut aus“, sagt Lara van Soest. Aber im Vorfeld sei noch Luft.

Die spätsommerlichen Temperaturen der vergangenen Tage dämpfen allerdings auch den Vorgeschmack auf Gänsebraten, Knödel und Rotkohl. „Ich bin optimistisch, dass in Sachen Weihnachtsfeiern noch etwas kommt. Aber die Menschen denken einfach kurzfristiger, verhaltener und reagieren nach Corona spontaner. Und das Geld sitzt auch nicht mehr so locker“, sagt Andreas Piorek.

Die Briloner Köche wollen am ersten Dezemberwochenende einen Weihnachtsmarkt auf die Beine stellen und gemeinsam auf dem Marktplatz kochen. „Vielleicht treten wir da noch mit heimischen Firmen in Kontakt, bieten denen Gutscheine an, die sie an Mitarbeiter verschenken können und die die dann wiederum auf dem Weihnachtsmarkt einlösen können - vielleicht für Gänsebraten...