Hochsauerlandkreis. Der Lehrermangel ist im Altkreis Brilon deutlich spürbar. Ein Ausgleich ist kaum realisierbar. Stellenweise fallen ganze Nachmittagsstunden weg.
Es liest sich auf den ersten Blick zufriedenstellend, zeigt aber nur einen Teil des Bildes. 94 Prozent der Stellenbedarfs an Förderschulen im Regierungsbezirk Arnsberg sind gedeckt. Soweit so gut. Der Blick in den Altkreis Brilon lässt den Wert bereits auf 78 Prozent schrumpfen. Mit starken Folgen. An der Roman-Herzog-Schule in Brilon sind neuneinhalb Stellen frei. Das reißt ein Loch von 262 Unterrichtsstunden pro Woche. Schulleiter erklären, wie sie die Situation wahrnehmen und welche Lösungen es gibt.
Einen Nachmittag pro Woche muss Schulleiter Klaus Mülder, Schulleiter an der Roman-Herzog-Schule ausfallen lassen. Das führt dazu, dass das Stundenloch auf 200 schrumpft. „Es fehlen die Köpfe. Seit die ehemalige Ministerpräsidentin Hannelore Kraft sagte, dass man am besten Lehramt fürs Gymnasium studieren solle, weil die Sonderschulen angeblich geschlossen werden, fehlen die Leute. Die Abiturienten nahmen das für bare Münze.“
Maßnahmen erschweren es den Schulen
Mehr Studienplätze sollen geschaffen werden. Das klingt gut, aber das Studium dauert fünf Jahre und daran schließen sich zwei Jahre Referendariat an. Eine sofortige Hilfe wird es von dieser Seite also nicht geben. Mülder erklärt, dass derzeit noch immer die große Pensionswelle durch die Schule geht, die bis 2025 anhalten wird. Bis dahin verabschieden sich sechs weitere Lehrkräfte. Der Schulleiter versucht ruhig zu bleiben, ist aber nicht begeistert von den getroffenen Maßnahmen, die es den Bildungseinrichtungen jedes Mal schwerer machen, Hilfe an die Schulen zu holen.
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Bachelor-Studenten konnten an der Briloner Förderschule für 14 Stunden in der Woche aushelfen und später auch problemlos ihr Referendariat dort absolvieren. „Dann kam die fatale Entscheidung, dass die Schüler das Referendariat woanders machen müssen, weil die Schulen nicht mehr objektiv seien. So hatten wir zuletzt unsere Stellen gerettet. Das ist ein Riesenproblem.“
Bitten um Hilfe bringt nichts
Erschwerend käme hinzu, dass das Zentrum für schulpraktische Lehrausbildung (ZfsL) dafür zuständig ist, die Lehramtsanwärter auf die Schulen zu verteilen. Ein Prozess, der autark abläuft ohne Hinweise für etwaigen Personalmangel, wie es zum Beispiel in Brilon der Fall ist. Entsprechend kann Klaus Mülder der Bezirksregierung nicht sagen, dass neuneinhalb Stellen frei sind, um auf Hilfe zu hoffen. Er habe sich bereits dorthin gewandt, aber dort sei er auf die autarke Arbeitsweise hingewiesen worden mit der Bitte weitere Anfragen dieser Art nicht zu stellen. „Es geht nicht einmal mehr um die Qualität der Bewerber, wo sich Schulen jemanden aussuchen können. Es gibt erst gar keine Bewerber.“
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Mülder erklärt, dass er mit seinen Ideen am Ende ist. Dem ehemaligen Staatssekretär Mathias Richter habe er bei einem Besuch erklärt, dass sogenannte Multiprofessionelle Teams (MPT) hilfreich sein könnten. Ein multiprofessionelles Team wird grundsätzliches rund um die Lehrkraft aufgebaut, die für den Unterricht zuständig ist. Die weiteren Mitglieder der Teams, können je nach Bedarf vor Ort unterschiedliche Professionen bzw. Qualifikationsmerkmale besitzen und entlasten so die Lehrkraft.
Entlastung bei organisatorische Aufgaben
Zuerst kam Corona und machte einen Strich durch die Überlegungen. Dann staunte Mülder nicht schlecht, als plötzlich in allen Schulformen die MPTs eingesetzt wurden, nur nicht in Förderschulen. Von 52 Stellen hat die Förderschule in Brilon eine bekommen. Mit Kusshand würde Mülder sofort vier nehmen. „Ich brauche keinen zweiten Lehrer, der sich mit Fehllisten und anderen organisatorischen Dingen beschäftigen muss. Das ist ein riesiger Zeitaufwand.“
Die missliche Lage an den Förderschulen beobachtet auch das Schulamt beim Hochsauerlandkreis. Schulamtsdirektor Jochen Müller erklärt: „Nach schulfachlicher Einschätzung wird sich die Personalausstattung durch die genannten Personalmaßnahmen kurzfristig nur punktuell verbessern, da weiterhin von einem erheblichen Mangel an sonderpädagogischen Lehrkräften beziehungsweise Bewerberinnen und Bewerbern auszugehen ist.“
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An Gymnasien im Altkreis Brilon sieht die Lage offenbar besser aus. Wie Daten der Bezirksregierung zu entnehmen ist, gibt es mehr Personal als Stellenbedarf. Es handelt sich um Daten mit Stand vom 8. August, die allerdings noch auf einer Prognose der Schülerzahlen beruhen. Erst Ende August werden die genauen Schülerzahlen feststehen. Und da sich der Lehrerbedarf an diesen Zahlen ausrichtet, können sich die Daten dann also noch einmal verändern.
Sieben Ausfälle am Gymnasium Petrinum
Das Gymnasium Petrinum in Brilon musste spontan mit ausfallenden Lehrkräften zurechtkommen. Von 60 Lehrern fehlen circa sieben. „Das ist keine dramatische Zahl“, sagt Schulleiter Johannes Droste, „mach einer kommt in den nächsten Tagen wieder, aber die Schule hat das Halbjahr durchgeplant und Lehrer X soll in Klasse Y Unterricht geben und diese Stunden fehlen dann.“ Intern ließe sich viel auffangen, aber im Fach Philosophie nicht. 20 Stunden sind dort zunächst weggebrochen. Hilfe gibt es von umliegenden Gymnasien aus Meschede und Arnsberg. Eine weitere Lehrkraft kommt aus Warstein. Diese Lehrer werden abgeordnet. Ein System, das in großen Städten gut funktioniert, weil die Schulen nah beieinander liegen. Im HSK sind lange Fahrtzeiten nötig.
Entsprechend schwierig ist es, die Stundenpläne von mehreren Schulen aufeinander abzustimmen, denn alleine die Fahrtzeit von Arnsberg nach Brilon und zurück kostet zwei Unterrichtsstunden. „In der Klasse 9 klappt das mit Chemie mit der Abstimmung beispielsweise gut, aber in der Oberstufe ist das viel schwieriger, weil von der Veränderung direkt drei bis fünf Kollegen betroffen sind, weil es in der Jahrgangsstufe keine Klassen mehr gibt. Das zu verschieben ist irre“, sagt Schulleiter Johannes Droste.
Kontinuität bei den Lehrkräften ist wichtig für Schüler
Wichtig sei auch Kontinuität für die Schüler, so dass es das Ziel sein müsse, nicht ständig die Lehrer zu wechseln, die Unterricht geben. „Wir sind auf Stetigkeit bei den Lehrkräften angewiesen und legen da einen großen Wert drauf. Wir möchten schließlich auch nicht, dass die Schüler mal kommen und mal nicht.“
18 Stellen im Ausschreibeverfahren
Die Bezirksregierung erklärt zu der Thematik: Um die Personalausstattung zu verbessern, befinden sich aktuell im gesamten „Altkreis Brilon“ 18 Stellen im Ausschreibungsverfahren (für Brilon 10 Stellen, für Hallenberg 0 Stellen, für Marsberg 3 Stellen, für Medebach 2 Stellen, für Olsberg 3 Stellen und für Winterberg 0 Stellen). Sich in der Beurlaubung (Elternzeit) befindliche Lehrkräfte können durch Ersatzeinstellungen vertreten werden. Die eingesparten Besoldungs- bzw. Vergütungsmittel für Lehrkräfte in Elternzeit stehen mithin für die Beschäftigung von Aushilfskräften zur Verfügung.
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Hieraus ergibt sich ein Potenzial von 43,44 Stellen (für Brilon 16,26 Stellen, für Hallenberg 0 Stellen, Marsberg 8,22 Stellen, Medebach 8,16 Stellen, Olsberg 6,41 Stellen und Winterberg 4,40 Stellen). Angemerkt sei, dass sich derzeit die Besetzung von vakanten Lehrerstellen aufgrund der kritischen Situation am Arbeitsmarkt in einigen Schulformen und auch regional schwierig gestalten kann. Dies gilt sowohl für die Besetzung von Vertretungsstellen als auch für sonstige befristete und unbefristete Einstellungen.