Winterberg. Psychologen fordern die Abgabe von Bier und Wein auf 18 Jahre zu erhöhen. Einem Gastronomen in Winterberg geht das nicht weit genug Seine Gründe:

Noch dürfen Jugendliche in Deutschland bereits mit 16 Jahren legal Bier und Wein konsumieren. Doch damit soll bald Schluss sein, fordert zumindest die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK). Sie will einen Verkauf erst ab 18 Jahren möglich machen. Außerdem rät die Kammer zu einer Verteuerung von alkoholischen Getränken und zu einem strikten Werbeverbot. Gastronomen und Suchtberater in Winterberg haben da durchaus verblüffende Meinungen zu.

Liliane Schafiyha-Canisius ist die Leiterin der der Sucht- und Drogenberatung des Caritasverbandes in Brilon.
Liliane Schafiyha-Canisius ist die Leiterin der der Sucht- und Drogenberatung des Caritasverbandes in Brilon. © WP | Privat

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Kategorische Verbote „wenig zielführend“

Unerwartete Unterstützung kommt dabei vom bekannten Winterberger Pubbesitzer Dan Corcoran. Ihm geht der Vorschlag, den Verkauf von Alkohol an 18-Jährige zu erlauben, nicht weit genug. Eine Anhebung des Alters fände er grundsätzlich gut, sagt der Pubbesitzer. „Die Regelung in den USA, wo man erst ab 21 Jahren Alkohol trinken darf, finde ich noch besser“, sagt er. Er finde es nicht schön, wenn Eltern mit ihren 16-jährigen Kindern in Restaurants gemeinsam Alkohol trinken würden. „Eine strengere Regelung wäre für meinen Pub kein Problem“, sagt Corcoran.

Sven Weisbrich vertreibt als Geschäftsführer und Gründer der Frankfurter Brauunion seine eigene Biermarke. Seit Ende vergangenen Jahres betreibt er außerdem den Wegbierkiosk in der Schneilstraße in Winterberg. Man sei sich der Verantwortung bewusst, was Alkoholkonsum und Abgabe an Minderjährige angehe, beteuert Weisbrich. Aber: „Kategorische Verbote halten wir wenig zielführend. Nicht aus wirtschaftlichen Gründen, sondern vielmehr, weil gerade Jugendliche schwierig über Verbote, Plakate und Postkarten zu erreichen sind. Oft bewirkt es gerade das Gegenteil“, sagt er. Das könnten viele aus der eigenen Kindheit und Jugend nachvollziehen. Man sehe sich nicht nur in der Pflicht, über die Folgen und Risiken übermäßigen Alkoholkonsums aufzuklären, sondern sei auch der Überzeugung, dass man als Hersteller auch die authentischste Position innehaben, um das zu tun, so Weisbrich.

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Bierhersteller unterstützt Forderung

Doch eine Forderung der BPtK unterstützt der Bierhersteller: „Sehr beunruhigt beobachten wir im Markt die drastische Vergünstigung der Getränkepreise im Biermarkt vieler großer Anbieter, ausgelöst durch die Pandemie und dadurch verpasste Absatzziele“, sagt er. Die Kisten vieler nationale Biermarken würden im Handel für zehn Euro angeboten, das seien bei 20 Flaschen nur 50 Cent pro Bierflasche. Die Kaufhürde würde damit gerade für preissensible Zielgruppen wie zum Beispiel Jugendliche gesenkt. Leider gestalte sich, laut Weisbrich, der aktive Austausch mit den Institutionen und Ämtern bei den Themen Risikoprävention und Aufklärung schwer. Oft sei man auf sich selbst gestellt, und es bleibe bei der Selbstverpflichtung den Konsumenten gegenüber. „Wir wünschen uns hier mehr Unterstützung und sind für eine Zusammenarbeit offen“, sagt Weisbrich.

Die Leiterin der Sucht- und Drogenberatung des Caritasverbandes in Brilon, Liliane Schafiyha-Canisius, nimmt die Haltung ein, dass man ein Werbeverbot für alkoholische Getränke „sehr begrüßen würde“. Im Zusammenhang mit dem Verbot der Werbung für Zigaretten habe sich schließlich gezeigt, dass ein solches Verbot eine positive Wirkung habe und weniger Menschen in Deutschland nun rauchen würden. Auch müsste man sich, laut Schafiyha-Canisius, darüber hinaus Gedanken darüber machen, wie man mit der Werbung für alkoholähnliche Getränke umgehe. Darunter fielen alkoholfreie Biere, Fassbrause, aber auch der sogenannte Kindersekt. Schließlich werde damit schon früh die Grundlage gelegt für einen späteren Alkoholkonsum, ist sie überzeugt.

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Alkoholprävention vor Erlangung des Führerscheins

Ebenfalls würden über Spielfilme Wertigkeiten diesbezüglich transportiert, wenn sich nach stressigen Situationen dort erst einmal ein Drink gemacht oder ein Bier getrunken werde, so Schafiyha-Canisius. Dagegen hält sie von einer Verteuerung der alkoholischen Getränke eher wenig: „Wir liegen mit der Alkoholsteuer schon jetzt circa im Durchschnitt in Europa. Wir sehen eine Verteuerung eher kritisch, würden uns stattdessen aber unbedingt mehr Prävention wünschen“, sagt sie.

Zur Erlangung des Führerscheins sollte ein intensiver Abschnitt der Alkoholprävention gewidmet sein als Pflichtbaustein. Die hohe Anzahl der alkohol- und drogenbedingten Verkehrsdelikte sollten ernster genommen werden. Ziel der Prävention sollte ein verantwortungsvoller Umgang mit Alkohol sein.

Dagegen ist ihre Meinung zum Alkoholausschank erst ab der Volljährigkeit differenziert. „Ein Heraufsetzen des Alters zum Kauf und Ausschank von Bier wäre einerseits gut und sinnvoll, andererseits stellt sich die Frage, wann jemand einen verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol lernen soll“, sagt Schafiyha-Canisius. Dies berge außerdem die Gefahr, dass trotz allem vorher heimlich getrunken werde. Das aktuelle Verbot, vor dem 18. Lebensjahr Schnaps kaufen zu können, schütze, laut der Drogenberaterin nicht davor, dass viele schon vorher Schnaps konsumierten. Gleichzeitig erzeuge die Altersbegrenzung doch vielleicht eine gewisse Hemmschwelle.

In Bezug zu einem Heraufsetzen des Alters sehe sie gleichzeitig eine Einschränkung der Verkaufsmöglichkeiten als sinnvoll an. So könnte es im Supermarkt eine spezielle Abteilung geben, in die man sich „einloggen“ müsse. „In jedem Fall sollten Tankstellen keinen Alkohol mehr verkaufen können! Wie oft hören wir von Patienten und Patientinnen, dass sie bei Suchtdruck zur Tankstelle gefahren sind und sich dort Alkohol besorgt haben. Ein Rückfall wird weiter dadurch forciert, dass Tankstellen Tag und Nacht geöffnet haben“, sagt sie.