Brilon. Bei Martina Müller in Brilon geben sich Königinnen und Hofstaatdamen die Klinke in die Hand. Nach zwei Jahren Pause sind die Kunden spendabler.

Stille war eingekehrt. Die Ladentüren geschlossen. Interesse an Kleidern für Schützenfeste? Fehlanzeige, denn während der ersten zwei Jahre Pandemie war an Feierlichkeiten in diesem Ausmaß gar nicht zu denken. Martina Müller, die in Brilon Kleider verkauft, öffnete ihr Geschäft in dieser Zeit nur für Kundinnen mit einem Termin. Sie wollten dann Hochzeitskleider kaufen. Ein bitterer Arbeitsalltag. Auch aus finanzieller Sicht, da die Schützenfestkleider für die Saison 2020 natürlich schon angeschafft wurden. Doch wer den Arbeitsalltag von der Einzelhändlerin mit ihrem heutigen vergleicht, kommt ins Staunen.

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Ständig geht das Telefon. Es ist ein geschäftiger Tag an dem im Raum Brilon viele Anwärter um den Titel des Schützenkönigs kämpfen und entsprechend auch Königinnen und Hofstaat gekürt werden. „Ab 13 Uhr wollen sie dann Kleider haben. Das ist ein großer Ansturm“, sagt Martina Müller. Alleine an Pfingstmontag kamen acht Königinnen mit Hofstaat vorbei. Die Freude, dass die Saison endlich wieder stattfinden kann nach der langen Pause, ist riesig. „Alle stehen in den Startlöchern und freuen sich tierisch, dass es wieder losgegangen ist.“ Das zeigt sich auch im Geldbeutel.

Der Verkaufsraum des Braut- und Abendmodengeschäfts in Brilon. Im Vordergrund ist das
Der Verkaufsraum des Braut- und Abendmodengeschäfts in Brilon. Im Vordergrund ist das "Königinnenkleid" zu sehen. © Kira Alex

Kunden sparen Geld für Kleider der Schützenfestsaison

Laut der Verkäuferin ist zu bemerken, dass die Kundinnen in den vergangenen Jahren Geld gespart haben und nun bereit sind, auch mehr für die festliche Kleidung zu zahlen. Gemecker über den Preis oder Verhandlungsversuche gibt es nicht. Das entsprechende Kleingeld ist auch nötig, denn die Preisspanne reicht von 1300 bis 2500 Euro. Wer regiert, möchte auch entsprechend aussehen. Die höheren Preise können entstehen, wenn mehr Stoff benötigt wird (es werden Größen bis 64 angeboten) oder beispielsweise mehr Strass das Kleid ziert. Die Preise sind stabil geblieben. Im kommenden Jahr könnte das anders aussehen.

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Mit der Schützenfestsaisongeht auch eine Menge Stress für alle Beteiligten einher, denn schließlich wird innerhalb kurzer Zeit ein entsprechendes Outfit gebraucht. Während für das Hochzeitskleid noch ein Termin vereinbart werden muss und die Anproben zelebriert werden, läuft die Suche nach einem Kleid für die Zeit als Königin deutlich spontaner ab. „Das muss schnell gehen. Nach circa 30 Minuten ist das Kleid ausgesucht und abgesteckt. Und für das Jahr darauf brauchen die Königinnen dann wieder ein Kleid. Dafür bieten wir den Kundinnen dann eine besondere Überraschung“, verspricht Martina Müller.

Viel zu tun für Einzelhandel und Schneiderinnen während Schützenfesten

Während sich die Damen auf dem Heimweg machen, geht es im Geschäft weiter richtig rund. Die sechs Schneiderinnen haben jetzt nur wenig Zeit, um Änderungen vorzunehmen, damit das ausgesuchte Stück auch ideal sitzt. Perfekte Arbeitsteilung wie am Fließband. Die Damen verstehen sich blind, arbeiten einzelne Bereiche eines Kleides ab und nicht jeder ein eigenes Kleidungsstück. Am späten Nachmittag muss schon alles fertig sein. „Seit dem 3. Mai ist es hardcore Tag und Nacht“, sagt Müller, die auch Kundschaft aus den Kreisen Paderborn, Lippe, Höxter sowie aus Dortmund hat und auch viele Nachzügler noch als Kunden hat. Wenn eine Abholung schwierig wird, passiert es auch mal, dass ein Kleid mit dem Taxi auf Reise geht.

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Auf dem Weg sind auch schon Teile der Kollektion für das kommende Jahr. Zwischen Januar und Mitte Mai werden normalerweise jährlich die großen Investitionen getätigt. Ein finanzielles Risiko, wie sich im ersten Pandemiejahr zeigte, wo die Ware teuer eingekauft wurde, aber keine Chance bestand, die Kleider anzuprobieren. Auch in diesem Jahr ging Müller wieder ein Risiko ein, als sie die Kollektion für 2023 bestellte. Aber bei dem derzeitigen Ansturm auf die Kleider, sollte es kein Problem sein, die Kundinnen weiter zufrieden zu stellen. Wer übrigens schon weiß, dass eine Regentschaft im Rahmen der Möglichkeiten sein könnte, kann auch im Vorfeld schon Kleider anprobieren und unverbindlich abstecken lassen. Das spart im Fall der Fälle Zeit. Und die sollte eine frisch gekürte Königin vermutlich nicht direkt mit Stress verbringen.