Hochsauerlandkreis. Das 9-Euro-Ticket hat am Pfingstwochenende für Chaos im HSK gesorgt. Einige Leute wurden am Bahnhof stehen gelassen. Drei Passagiere erzählen.
Bahnchaos am Wochenende – das klingt erstmal wie eine vertraute Meldung nach einem Feiertagswochenende. Allerdings sorgt das 9-Euro-Ticket für den öffentlichen Nahverkehr für überfüllte Bahnen und verärgerte Passagiere, denn teils können manche, die ein Ticket besitzen, wegen der überfüllten Busse kaum mehr mitfahren. Es kommt sogar zu Notsituationen. Passagiere aus dem Hochsauerlandkreis berichten von Chaos.
Mit dem Enkel im Zug nach Dortmund: „Wir drückten den Notknopf“
Iris Althoff aus Brilon sitzt am vergangenen Samstag im Zug Richtung Dortmund. Ihr Enkelkind sitzt neben ihr. Sie beschreibt die Fahrt als total überfüllt: „70 Prozent der Menschen hatten keine Maske auf. Die Rückfahrt war noch voller, teilweise haben sich die Menschen bald auf dem Schoß gesessen.“ Irgendwann folgt die Durchsage, man solle „in die Gänge rücken, da geht noch was“. Iris Althoff: „Da ging nichts mehr. Da war eine Frau auf der Toilette und kam nicht mehr raus. Sie bekam Panik und wir haben den Notknopf gedrückt, erst 20 Minuten später kam jemand um zu sehen, was los ist. Furchtbar.“
Ansagen bitten die Gäste, im Gang zusammenzurücken
Pfingstmontag. Roland Gerisch ist abends von Warburg aus nach Rosenheim gestartet. „Der Bahnhof in Warburg war gut gefüllt mit Reisenden, die den RE 17 nach Kassel-Wilhelmshöhe nehmen wollten. Ich gehörte zu den Glücklichen, die den Zug noch entern konnten. Es sind einige nicht mehr in den Zug gekommen.“ Auch in diesem Zug werden Durchsagen gemacht, man möge bitte in den Gängen zusammenrücken. „Ich bin ganz vorne eingestiegen und kann sagen: dort hätte nur noch durch Stapeln zusätzlicher Platz geschaffen werden können. Ich hätte gerne gefragt, ob nicht die Möglichkeit bestand, an einem Feiertag, an dem mit erhöhten Passagierzahlen gerechnet werden musste, zwei Triebwagen aneinander zu kuppeln. Das wäre effektiver gewesen, als die Aufforderung, zusammenzurücken.“
Eine Marsbergerin bekommt auf dem Bahnhof in Frankfurt fast Panik
Eine Marsbergerin, auf Facebook nennt sie sich Zei Nab, nutzt das Pfingstwochenende um das neue Ticket zu testen. „Anstatt dass ich normal vier Stunden mit dem ICE fahre, sind es sieben Stunden geworden.“ Samstag morgen um 7 Uhr fährt sie los. „In Marsberg war der Zug schon gut gefüllt, ab Warburg bis Kassel war der Zug überfüllt und viele mussten stehen. In Kassel angekommen, ging es weiter nach Frankfurt am Main. Da war der Zug wirklich schon voll, ich hatte aber Glück und konnte einen Platz ergattern.“ In Frankfurt angekommen, schreibt sie, habe sie eine Krise bekommen. „Das war so voll, dass ich leichte Panik bekommen habe, man kam nicht voran. Die Leute nahmen keine Rücksicht.“ Nach 55 Minuten geht es nach Mannheim weiter – unkompliziert, denn dieser Zug ist mitunter fast leer, als Zei Nab einsteigt.
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Beate Emmerich aus Marsberg nimmt das Ticket indes in Schutz: „Die Menschen sind scheinbar nie zufrieden, dass an Feiertagen und am Wochenende die Züge besonders voll sind war abzusehen, dies ist sogar an den Adventswochenenden so, auch da kann man manchmal nicht mehr zusteigen. Trotzdem fällt mir immer wieder auf, dass Menschen im Zug lieber stehen bleiben, anstatt sich neben eine unbekannte Person zu setzen, auch dieses Verhalten signalisiert anderen, der Zug sei besonders voll.“ Sie ist überzeugt, dass viele Menschen von dem 9-Euro-Ticket profitieren, gerade berufstätige Pendler und Personen, die sich Besuche in anderen Orten nicht leisten können.
Grundsätzlich sei das Ticket eine gute Idee, aber zu kurzfristig installiert
Auch Martin Struwe, stellvertretender Vorsitzender der GDL-Ortsgruppe Bestwig, sieht das Angebot positiv: „Grundsätzlich halten wir es für eine gute Idee, den Nahverkehr – so wie jetzt mit dem 9-Euro-Ticket - günstiger zu machen. Allerdings müssen dafür aber auch die Rahmenbedingungen wie Personal- und Strecken- und Fahrzeugausstattung verbessert werden“, so die Einschätzung des Gewerkschafters. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, sei das 9-Euro-Ticket jetzt einfach zu kurzfristig installiert worden“, so Struwe, der als Gewerkschafter die Einsenbahner im Bereich des Sauerlandnetzes vertritt.
Mit Blick auf das vergangene Wochenende sagt er: „An Pfingsten sind die Bahnstrecken hier bei uns immer stark frequentiert, aber diesmal gab es übermäßig viele volle Züge. Teilweise mussten wir einige Leute sogar stehen lassen.“ Auf der Strecke nach Winterberg gebe es immer viel Fahrradverkehr, in Richtung Dortmund und Willingen viel Feierverkehr und die Strecke Warburg-Kassel sei für viele Bahnreisende eine wichtige Zubringerstrecke. Seine Erfahrung: Gerade die Fahrradmitnahme könne an Wochenenden wie Pfingsten, wo das Reiseaufkommen sehr hoch ist, auch schon mal problematisch werden. Deshalb könne es auch mal passieren, dass Fahrräder nicht mitgenommen werden können oder, dass es zu Verspätungen komme.
Hohes Fahrgastaufkommen bemerkt jetzt auch die RLG
Ein hohes Fahrgastaufkommen hat auch die RLG für den Busverkehr im Altkreis Brilon festgestellt - vor allem auf den Schnell-Bus-Linien S30 Brilon – Olsberg – Medebach und S40 Niedersfeld – Winterberg – Schmallenberg – Grafschaft seien am vergangenen Wochenende mehr Fahrgäste als üblich unterwegs gewesen; vermehrt zu den touristischen Zielen. Zu Kapazitätsproblemen sei es jedoch nicht gekommen. Insgesamt zeigt sich die RLG zeigt mit dem Start des 9-Euro-Tickets und den Verkaufszahlen sehr zufrieden. Auf den Linien im Altkreis Brilon wurden bis jetzt etwas mehr als 900 Tickets über die Bordrechner in den Bussen verkauft. Dazu kommen noch knapp 1.200 Tickets, die bis zum 2. Juni über die mobil info App verkauft wurden. Diese Zahl beinhaltet allerdings alle Verkäufe und lässt keinen Rückschluss auf die Verkaufsregion zu.
Die Bahn teilt mit, dass deutschlandweit inzwischen über 6,5 Millionen 9-Euro-Tickets online, am Automaten oder in den DB-Reisezentren verkauft worden seien. Jörg Sandvoß, Vorstandsvorsitzender DB Regio wird in einer Pressemitteilung zitiert: „Mit 86.000 Zugfahrten ist bei DB Regio über das lange Wochenende alles gerollt, was rollen kann. Das 9-Euro-Ticket ist ein einmaliges Experiment und eine große Chance für die gesamte Branche. Wir setzen hierfür buchstäblich alles in Bewegung, was wir haben – Züge, Busse, Servicekräfte. Natürlich ist es wie erwartet vor allem auf den touristischen Hauptrouten punktuell zu Belastungsspitzen gekommen.“ Und für NRW und unsere Region teilte ein Bahnsprecher auf Anfrage mit: „Vor allem entlang touristischer Strecken gab es wie erwartet ein höheres Fahrgastaufkommen. Beispielhaft ist hier aus das Sauerland zu nennen.“
Reisende sollen sich informieren
Die Bahn empfiehlt Reisenden auch mit Blick auf die nächsten Wochenenden, sich kurz vor Reiseantritt noch einmal in den Auskunftsmedien der Verkehrsverbünde vor Ort oder über den DB Navigator zu informieren. Eine Fahrradmitnahme könne aufgrund des hohen Fahrgastaufkommens nicht garantiert werden. Wer könne, der solle daher auf das Rad verzichten.